Walldürn

Galerie "Fürwahr" widmete sich dem Leben und Werk von Charlotte Salomon

Salomons Kunst war ein Aufschrei vor dem Tod. Die Künstlerin wurde 1943 in Auschwitz ermordet.

06.03.2018 UPDATE: 07.03.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden

Gunter Schmidt referierte am Sonntag in der Galerie "Fürwahr" über Leben und Werk von Charlotte Salomon. Foto: Adrian Brosch

Walldürn. (adb) In der Rolle des fundierten Chronisten glänzte am Sonntag Gunter Schmidt. In der sehr gut besuchten Galerie "Fürwahr" erinnerte der Tauberbischofsheimer unter dem Titel "Leben? Oder Theater?" an das Leben, Lieben und Leiden der Charlotte Salomon (1917-1943). Dem Leben der jungen Künstlerin wurde während ihrer Sinnfindungsphase ein jähes Ende gesetzt.

Für den Bücherladen, der den Bildvortrag gemeinsam mit der Galerie "Fürwahr" ausrichtete, begrüßte Achim Ullrich das Publikum und den Referenten, der lebhaft und eloquent durch den Nachmittag führte. Zunächst erinnerte er daran, dass Charlotte Salomon recht unbekannt sei, obwohl ihr Leben als "deutsches Schicksal mit kulturellem Potenzial" bezeichnet werden könne.

So lernte auch er selbst sie 1999 durch einen Zufall kennen, als er in London eine Kunstausstellung besuchte und den Tiefgang ihrer Werke erkannte. Diese definierte Schmidt als "erzählerisch gehaltene, expressionistisch-suggestive Bilder", in denen oftmals Textfragmente auf die Gefühle Charlotte Salomons hindeuten. "Im Grunde kann man von einem Tagebuch sprechen, das im weitesten Sinne mit dem der Anne Frank vergleichbar, aber komplexer und erwachsener ist", merkte der Referent an und sprach von einer "berührenden Fallstudie über seelisches Leben und Beben."

Geboren in Berlin wuchs Charlotte Salomon als Tochter von Franziska und Dr. Alfred Salomon auf und konnte als höhere Tochter früh ihr Interesse an Kunst und Kultur ausleben. Leider schützten auch die gehobenen Verhältnisse die Familie nicht vor Trauer und Schmerz: Sowohl Mutter als auch Großmutter stürzten sich aus dem Fenster, wodurch Charlotte bereits im Kindesalter mit dem Tod als Bestandteil des Lebens konfrontiert wurde. In diesem Sinne gelte die in ihren Bildern oftmals auszumachende "heftige Flucht nach vorn" als Synonym für die künstlerische Aufarbeitung jener Traumata und können als Versuch seelischer Befreiung gelten.

Mit dem Dritten Reich lässt sich ein weiterer Knick in ihrer Vita erklären: 1937 wurde ihre geliebte Stiefmutter Paula Lindberg-Salomon (1897-2000), eine jüdische Sängerin, erstmals ausgebuht; kurze Zeit davor blieb Charlotte ein ihr eigentlich zugedachter Preis der Akademie für Künste aufgrund ihrer nicht-arischen Herkunft verwehrt, so dass sie die Einrichtung im Zorn verließ. Auch ihr Vater bekam die grausame Ungerechtigkeit dieser Zeit zu spüren, indem er ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht wurde. Charlotte selbst kam 1939 zu den nach Südfrankreich ausgewanderten Großeltern mütterlicherseits, bei denen man sie in Sicherheit wähnte. "Auch angesichts ihrer neuen Liebe Alfred Wolfsohn, der ihre künstlerischen Ambitionen unterstützte und trotz seiner intellektuellen Hyperaktivität ihr Herz gewonnen hatte, ging sie ungern nach Villefranche", stellte Gunter Schmidt klar.

Im letzten Drittel ging er auf die Zeit in Südfrankreich ein. Durch die larmoyanten, sich in Selbstmitleid suhlenden Großeltern wurde eine destruktive Stimmung herbeigeführt, deren Höhepunkt 1940 mit dem Freitod der Oma erreicht war. Ein Bild, das Charlotte Salomon in dieser Zeit malte, beinhaltete den Wunsch "lieber Gott, lass’ mich bloß nicht wahnsinnig werden". Als sie nach Gurs deportiert wurde und der Großvater nach einem Sturz starb, lernte sie den Österreicher Alexander Nagler kennen und lieben; 1943 musste sie in Auschwitz ihr Leben lassen. "Insbesondere aus humanitärer Sicht hat mich das Schicksal sehr betroffen", fügte Schmidt an.

Nach dem bildreich geschilderten Lebenslauf gewährte Gunter Schmidt eine Einführung in den Charakter von Charlotte Salomons künstlerischem Nachlass, der im jüdischen Museum Amsterdam zu finden ist. Die Bilder können als "Teil eines hochemotionalen Ausdrucks" gelten und als "Aufschrei vor dem Tod, der ihrem Lebenstheater ein Ende setzte". Romantisierend und naiv, dann aber wieder expressionistisch und surreal, partiell an Comics erinnernd, untermauern die Werke den Stellenwert der Malerei als "Sprache der Seele".

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