RNZ-Serie zur Gastronomie

Gasthof "Engel" in Höpfingen ist nach über 150 Jahren bald Geschichte

Im April schließt der Betrieb - Keinen Nachfolger gefunden - Partyservice wird fortgeführt

14.03.2018 UPDATE: 15.03.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 41 Sekunden

Die Geschichte des "Engel" reicht bis ins Jahr 1865 zurück.

Von Rüdiger Busch

Höpfingen. "Es geht einfach nicht mehr!" Für Karl Stiefel und seine Frau Petra wird es höchste Zeit für den Ruhestand. Zusammengerechnet sind sie seit 102 Jahren berufstätig - und das über viele Jahre hinweg sogar an sechs Tagen die Woche, abends und am Wochenende. Und da die seit Jahren laufende Suche nach einem Käufer für ihre Gaststätte erfolglos geblieben ist, werden die Stiefels den "Engel", den sie seit 22 Jahren mit Erfolg führen, Ende April schließen. Doch die Füße hochlegen werden die beiden Vollblutgastronomen nicht: Den Partyservice und die Wurstherstellung werden die beiden wie gewohnt weiterbetreiben - solange es die Gesundheit zulässt.

"Wenn wir genügend Personal finden würden, dann hätten wir auch mit der Wirtschaft noch etwas weitermachen können", erklärt der 67-Jährige. Doch es sei immer schwieriger, Aushilfen zu finden, so dass die Arbeitsbelastung für ihn und seine Frau immer mehr zugenommen habe. Auch aus diesem Grund haben sie bereits vor einigen Jahren damit begonnen, die Öffnungszeiten einzuschränken. Nun, da es für ihn und seine 63-jährige Ehefrau immer beschwerlicher wird, sehen sie sich dazu gezwungen, den "Engel" zu schließen.

Die Geschichte des Gasthauses reicht bis 1865 zurück, wobei der "Engel" zuvor in einem anderen Gebäude untergebracht war. Der erste "Engel"-Wirt Michael Kappes erhielt 1865 die Konzession für den Betrieb der Gaststätte, die damals "In den Höfen" eingerichtet wurde. Am aktuellen Standort in der Engelgasse reicht die Historie aber auch über 100 Jahre zurück - bis 1914. Karl und Petra Stiefel haben das Anwesen 1996 erworben. Der gelernte Metzger und seine Frau, eine Fleischereifachverkäuferin, hatten zuvor sechs Jahre lang in Brühl eine Wirtschaft betrieben und zuvor eine Metzgerei geführt.

Ihr Plan war klar: Den "Engel" bis zum Ruhestand führen und ihn dann verkaufen. Anschließend - so die Gedankenspiele - wollten sie ihren Lebensabend in seiner Heimat in Eppingen verbringen. Doch in der Gastronomie ist heute nichts mehr wie vor 20 Jahren. "Wer will heute noch eine Wirtschaft führen?", fragt Karl Stiefel. Es werde immer schwieriger, Nachfolger zu finden.

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Dabei sei das Führen einer Gaststätte ein lohnenswerter Broterwerb und zugleich ein erfüllender Beruf. Er und seine Frau hätten den "Engel" immer gern geführt, stellt Karl Stiefel fest.

Nach einer anfänglichen Durststrecke sei das Geschäft dann nach einigen Jahren sehr gut gelaufen. Dazu trug auch der Partyservice bei, der auch heute noch stark nachgefragt wird. Wie auf Kommando stößt seine Frau Petra dazu: Sie muss kurz unterbrechen, eine Kundin ist am Telefon: "Karl, können wir am Weißen Sonntag noch einen Cateringauftrag annehmen?" Sie können.

Als drittes Standbein haben die Stiefels den Wurstverkauf. Alle 14 Tage steht der gelernte Metzger in seiner erstklassig ausgestatteten Wurstküche und stellt seine beliebten Spezialitäten her - von der Dosenwurst bis zur Fleischwurst. "Das ist fast wie ein Hobby für mich", berichtet Karl Stiefel. In der Wurstküche wird also auch in Zukunft reger Betrieb herrschen. Auch der Partyservice wird fortgeführt: "Dafür brauchen wir kein oder kaum Personal."

Doch der Gaststättenbetrieb mit 12, 13 Stunden Arbeit am Tag ist ihnen verständlicherweise zu viel geworden, so dass dieses Kapitel Ende April geschlossen wird. Das eigene Alter und die schwierige Suche nach Personal seien ausschlaggebend für die Entscheidung gewesen, bekräftigt Stiefel. Während andernorts vielen Wirten das geänderte Freizeitverhalten große Sorgen bereitet, können sich Kurt und Petra Stiefel über fehlende Gäste nicht beklagen: Stammtische, Kartenrunden oder Sportgruppen finden regelmäßig den Weg in die Wirtschaft. Klassiker aus der "Engel"-Küche wie Käseschnitzel, Rumpsteaks oder Wildgulasch sind weit über Höpfingen hinaus gefragt.

Das ist bald Geschichte - falls sich nicht doch noch ein Käufer findet. "Wir geben die Hoffnung nicht auf", sagt Karl Stiefel beim Rundgang durch das Gebäude. 800 Quadratmeter Nutzfläche bietet das Anwesen, aufgeteilt in Gaststätte mit Nebenräumen und Küche, Keller mit Lagerräumen und Wurstküche und Wohnbereich. "Für ein junges Paar, das sich in der Gastronomie selbstständig machen möchte, wäre das ideal", meint Stiefel. Ihm und seiner Frau wäre es nach einem arbeitsreichen Leben zu wünschen - und für Höpfingen wäre es zweifellos auch ein Segen, wenn die Tradition des "Engel" doch nicht zu Ende gehen würde.

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