Pastoral 2030

Radikale Reform trifft auch Dekanat Mosbach-Buchen

Kirche vor Ort soll weiterhin lebendig bleiben - Alle sollen sich einbringen - Gespräch mit Dekan Johannes Balbach über das Projekt

11.03.2019 UPDATE: 12.03.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 15 Sekunden

Dekan Johannes Balbach vor dem Buchener Pfarrhaus. Seelsorgeeinheiten wird es im Zuge der Reform Pastoral 2030 nicht mehr geben. Stattdessen entstehen neue Groß-Pfarreien. Foto: Fritz Weidenfeld

Buchen/Mosbach. (Wd) Es ist ein schlichter Titel, doch hinter dem "Projekt Pastoral 2030" kündigt sich der tief greifendste Reformprozess in der Erzdiözese Freiburg an, den Erzbischof Stephan Burger im Februar bekanntgab, der an keiner katholischen Pfarrei spurlos vorbei gehen wird. So sind beispielsweise die Größenordnung und die Zahl der bisherigen 26 Dekanate völlig unklar.

Das betrifft selbstverständlich auch das Dekanat Mosbach-Buchen mit rund 74.000 Katholiken. Als erster Schritt sollen in den kommenden Jahren zunächst die 1057 Pfarreien, die in 224 Seelsorgeeinheiten zusammen geschlossen sind, drastisch reduziert und zu etwa vierzig Pfarreien (neu) zusammengeführt werden. Die RNZ sprach mit Dekan Johannes Balbach über die derzeit möglichen Auswirkungen. Er leitet seit Januar 2008 das Dekanat Mosbach-Buchen.

Hintergrund ist, dass die Anzahl der Katholiken in der Erzdiözese von 1,984 Millionen im Jahr 2010 auf zuletzt 1,87 Millionen gesunken ist. Befürchtet wird, dass es im Jahr 2030 weniger als 1,6 Millionen sein könnten. Auch im Dekanat Mosbach-Buchen sank die Zahl der Gläubigen von einst 83.000 auf rund 74.000. Einher geht diese Zahl überall mit weniger Gottesdienstbesuchern. Priesterberufungen sind vielerorts Mangelware und auch die Zahl der anderen kirchlichen Mitarbeiter sinkt. "Die gesellschaftliche Bedeutung und das Gesicht der Kirche werden sich vor diesem Hintergrund radikal, ändern, ist man sich im Erzbistum einig", heißt es bei "Vatican News". Die neuen Großpfarreien seien auch dem Kirchenrecht geschuldet, welches zwingend eine Leitung durch einen Priester vorschreibt, heißt es in der Kirchenleitung.

Anders als von manchen Kritikern befürchtet, werde sich die Kirche nicht aus der Fläche zurückziehen, so Dekan Balbach. Man werde die Zahl der Kirchengemeinden reduzieren und zu circa 40 Pfarreien (neu) reduzieren. Es werde wieder eine rechtliche und räumliche Identität von Pfarrei und Pfarrer hergestellt. Daher werde man die derzeit 1057 Pfarreien aufheben und es werden 40 Pfarreien (neu) errichtet. In jeder Pfarrei neu werde ein "Pastorales Zentrum" eingerichtet. Die Neuordnung der Kirchengemeinden führe auch zu einer Neuordnung der Dekanate.

Die derzeitigen Pfarreien, so sieht es die Reform vor, werden aufgehoben. Sie werden zu Gemeinden ohne staats- bzw. kirchenrechtlichen Charakter übergeleitet. Damit werde auch die Bezeichnung "Seelsorgeeinheit" dann entfallen, so Dekan Balbach.

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Die Pfarrei (neu) biete vielfältige Möglichkeiten und Formen, Leitung an hauptberufliche sowie an ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu delegieren. Das beziehe sich nicht nur auf die Leitung von pastoralen Aufgabenfeldern, sondern auch auf die Leitung von Gemeinden. Dabei gelte es, Teilhabe zu fördern und einen "gesunden Pluralismus im Vertrauen mitzutragen".

Künftig sei die Gemeinde der pastorale "Nahort", wo Frauen und Männer für das kirchliche Leben Verantwortung übernehmen. Sie sollen sich gemäß ihrer Begabungen und Charismen engagieren, sollen ihre fachlichen Kompetenzen einbringen und bekommen Befugnisse übertragen. "Die Kirche soll vor Ort weiterhin lebendig bleiben", so Dekan Balbach. Jeder Getaufte solle sich bewusst sein, dass er Kirche sei. Es gelte, Kirche als institutionelle Organisation neu zu denken. Ehrenamtliche sollen sich verstärkt näher einbringen, um die Botschaft Christi lebendig zu halten.

Dekan Balbach sieht im "Projekt Pastoral 2030" eine Chance, dass jeder Katholik sein persönliches Christsein einbringen könne. "Man muss weg von der versorgenden Kirche hin zur mitsorgenden Kirche", fasste es der Dekan zusammen.

Wie die neue Pfarrei einmal aussehen soll, sei noch nicht geklärt. So soll zwischen Stadt und Land unterschieden werden. In städtischen und ländlichen Gebieten müssten die Strukturzahlen aufgrund der räumlichen Ausdehnung anders gewichtet werden. Auch seien die Topografie sowie die Verkehrsinfrastruktur einzubeziehen. Ein möglicher Zentralort müsse für die Menschen gut erreichbar sein. Erhalten bleiben sollen Schwerpunkte wie etwa Wallfahrtsorte, Klöster oder ökumenische Zentren, versicherte der Dekan.

Im Dekanat Mosbach-Buchen werden nun in den kommenden Wochen und Monaten Gespräche geführt, etwa im Dekanatsrat und in der Dekanatskonferenz, wie die Zukunft der Kirche in diesem Raum aussehen soll. Diese Reform könne man nur gemeinsam gestalten, so Dekan Johannes Balbach. In dieser Gesprächsoffenheit solle erarbeitet werden, wie die Pfarrei (neu) aussehen könne. Am 6. Mai und am 8. Juli jeweils um 19 Uhr sind schon die Foren zur Kirchenentwicklung 2030 in Mosbach und Buchen geplant. Zu den Foren werde öffentlich eingeladen und jeder dürfe sich einbringen.

Es sei nun notwendig, von der bisherigen Sichtweise auf Kirche Abschied zu nehmen. Dies sei oft schmerzhaft, weil man Kirche über Jahrzehnte anders erlebt habe. Doch es brauche diese Form des Abschiednehmens. Es sei wichtig, mit Mut, Ideenreichtum und Vertrauen in Gottes Führung den Weg in die Zukunft zu gehen und sie gemeinsam zu gestalten.

Es gelte, ein neues Zulassen von Aufbrüchen zu ermöglichen und Menschen zu ermutigen, sich mit ihren Fähigkeiten und Begabungen einzubringen. Wichtig sei es, junge Menschen zu ermutigen, Kirche zu gestalten, weil es diejenigen seien, die die Zukunft der Kirche prägen.

"Aber um Zukunft gestalten zu können, müssen wir erst einmal wissen, was die Menschen von uns brauchen und wollen", so Johannes Balbach. Es gelte, die Zukunft in diesem Wandel als Chance zu begreifen. "Wir müssen jetzt entschieden anpacken, um das Beste daraus zu machen". Bis 2030 soll die Entwicklung abgeschlossen sein.

Ob es weiterhin Dekanate und damit Dekane geben wird, sei noch offen. Alles ist in der Schwebe. Dekan Balbach sieht seine Aufgabe darin, die Menschen zu motivieren, das Pastoral 2030 mit Leben zu erfüllen und zu erarbeiten, wie das Leben in der künftigen Pfarrei aussehen soll. Ende 2020 müsse klar sein, wie die Pfarrei beziehungsweise Pfarreien (neu) aussehen sollen.

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