Die Rückkehr der Restmülltonne
Nach dem Ende der"Restmüllarmen Abfallwirtschaft" - Kreistag stimmt "Kreislaufwirtschaftskonzept 2020" zu - Restmülltonne kehrt zurück

So sieht das Standardmüllsystem aus, das 2020 kreisweit eingeführt wird. Fotos: KWiN
Neckar-Odenwald-Kreis. (Wd) In der Kreistagssitzung am Mittwoch in der Odenwaldhalle in Mudau hieß es Abschied nehmen vom System der "Restmüllarmen Abfallwirtschaft", das stolz von der kreiseigenen Abfallwirtschaft entwickelt wurde und bislang in den Pilotgemeinden Rosenberg, Hardheim und Buchen für rund 25.000 der rund 143.000 Bürger im Landkreis eingeführt worden war.
Ab 2020 sollte das System für den gesamten Landkreis eingeführt werden. Doch daraus wird nichts, denn das System hatte nicht nur Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung, sondern auch die Entsorgungspreise stiegen rasant an, sodass sich die restmüllarme Abfallwirtschaft nicht mehr rechnete. Der Kreistag folgte am späten Nachmittag einstimmig (!) der Empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Umwelt und Verkehr.
Landrat Dr. Achim Brötel fasste die Notwendigkeit der Entscheidung zusammen: "Die pilothafte Erprobung neuer Strukturen war zwar eine interessante und spannende Erfahrung, ist aufgrund der Ergebnisse, die wir dabei gewonnen haben, letztlich dann aber doch nicht unbedingt unser Modell für die Zukunft". Im Herbst werde man sich zudem im neuen Kreistag über ein grundlegend anderes Gebührensystem unterhalten mit Anreizen zur Mülltrennung und Müllvermeidung.
Hintergrund
Das sagten die Kreisräte
Nach etwa 90 Minuten war im Kreistag die Marschrichtung klar: Einstimmig votierten die Kreisräte für die Einführung eines Standardmüllsystems, was so deutlich eigentlich nicht zu erwarten war. Kreisrat Karl Heinz Neser
Das sagten die Kreisräte
Nach etwa 90 Minuten war im Kreistag die Marschrichtung klar: Einstimmig votierten die Kreisräte für die Einführung eines Standardmüllsystems, was so deutlich eigentlich nicht zu erwarten war. Kreisrat Karl Heinz Neser ermunterte für die CDU-Fraktion die kreiseigene Abfallwirtschaft, weiter so innovativ zu bleiben. Pilotprojekte müsse man immer wieder bewerten und notfalls auch korrigieren. Den Vorteil des bisherigen restmüllarmen Systems sieht Neser darin, dass den Kreisbürgern über Jahre höhere Müllgebühren erspart geblieben seien. Dies werde sich aber mit der Einführung des neuen Systems ändern.
Es sei leider aus mehrfachen Gründen mit dem Abfallwirtschaftskonzept anders gekommen, als man damals gedacht habe, stellte für die SPD Kreisrätin Dr. Dorothee Schlegel fest. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, der Akzeptanz und der Kosten sei nun ein anderer Weg einzuschlagen. Nach wie vor sei die SPD davon überzeugt, dass der Weg der restmüllarmen Abfallwirtschaft der beste sei. Die SPD behalte sich vor, das Thema "restmüllarm" wieder auf die Tagesordnung zu bringen.
Kreisrat Joachim Barzen (Freie Wähler) hielt die Entwicklung eines optimalen Müllkonzeptes für schwierig, denn man arbeite am Enddarm der Konsumgesellschaft. Der Kater komme mit der Entsorgung der Reste. Die Anzahl der Müllbehälter vermehre sich wie die Ratten, meinte er. Dazu seien die Müllsysteme kompliziert, was viele Bürger überfordere. Das Standardsystem erfülle aber die ökologischen Ziele und sei kosteneffizient. Auch in Zukunft werden der hohe moralische Anspruch, die resultierende Gesetzgebung, die Anpassung an zukünftige Entwicklungen die Ausgestaltung eines Gebührensystems nicht einfacher machen.
Kreisrätin Amelie Pfeiffer (Grüne) betonte, es gelte, mit einem entsprechenden Gebührensystem und ein akzeptiertes Müllsystem die Ziele der Müllvermeidung und Verwertung erreichen. 2020 komme die Biotonne endlich im gesamten Kreis. Es gehe darum, Bioabfälle hochwertig zu verwerten, um die Umwelt zu entlasten. Man könne es somit nicht zulassen, verwertbaren Müll über die Restmülltonne zu entsorgen, so Pfeiffer. Sie forderte Kontrollen und entsprechende Konsequenzen. Die Grünen würden sich für eine optimale Biomüllsammlung mit hoher Akzeptanz in der Bevölkerung einsetzen. Sie forderte eine wöchentliche Leerung der Biomülltonne im Sommer. Kreisrat Achim Walter (FDP) stimmte zwar dem Standardsystem zu, warnte aber davor, Tonnen mit Gebühren zu belasten, da dies zu Fluchtverhalten auch in die Umwelt führen könne. (Wd)
Die Müllvermeidung bleibe das oberste Ziel, bestätigte der Vorstand der Kreislaufwirtschaft im Neckar-Odenwald (KWiN), Dr. Mathias Ginter, in seiner Stellungnahme vor dem Kreistag.
Unter dem neuen "Kreislaufwirtschaftskonzept 2020" kehrt die Restmülltonne in die Haushalte zurück, Störstoffsack und Störstofftonne entfallen. Die Bioenergietonne (BET) wird flächendeckend eingeführt. Eine Befreiung ist bei Eigenkompostierung möglich. Die Sammlung von Leichtverpackungen (Kunststoffe, Verbunde) soll ab 2020 in Behältern erfolgen. Als Ausnahme wird bei Platzproblemen die Verwendung von Gelben Säcken möglich sein. Einhergehen wird die Umstellung auf das Standardmüllsystem die Konzipierung eines neuen Gebührensystems.
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Wie Mathias Ginter dem Kreistag erläuterte, habe die Neuausrichtung folgende Ziele: Akzeptanz und Verständlichkeit des Systems. Ökologische Ziele seien: Kunststoffe zurückdrängen, Verpackungstonne statt gelbe Säcke, Restmülltonne statt Störstoffsäcke. Allein im Landkreis werden jährlich 4,5 Millionen gelbe Säcke gebraucht. Die kosten allein 130.000 Euro. Man erwarte hohe Qualität in den Stoffströmen, Kosteneffizienz, weitere Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten im System, Integration in ein Gebührensystem mit Erfassung der abfallwirtschaftlichen Leistungen.
Nach der Grundsatzentscheidung des Kreistages für ein abfallwirtschaftliches Standardsystem werde man sich mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe und dem Umweltministerium abstimmen. Danach werde das Konzept erstellt, kommuniziert und inklusive der Gebühren umgesetzt. Die Satzungsbeschlüsse inklusive Gebührensystem sollen am 7. Oktober im zuständigen Ausschuss und am 16. Oktober dann im Kreistag erfolgen. Die Pilotgebiete Buchen, Hardheim und Rosenberg sollen Ende 2019 umgestellt werden. Die flächendeckende Umsetzung im restlichen Kreisgebiet werde dann im Frühjahr 2020 erfolgen.

Der Kreistag stimmte gestern bei seiner Sitzung für ein anderes Müllsystem. Im Herbst wird der neu gewählte Kreistag über ein neues Gebührensystem entscheiden. Foto: F. Weidenfeld
Demnach ändere sich in den Pilotgebieten bis Spätherbst nichts. Im Herbst sollen dort alle Gebührenhaushalte ein Schreiben erhalten, in dem auf die Änderungen hingewiesen werde. Die Störstofftonnen werde man abziehen und das Entgelt zurückerstatten. Allen registrierten Gebührenhaushalten werde eine Restmülltonne gestallt. Die Bioenergietonne könne man bei Eigenkompostierung auf Antrag abziehen lassen.
Im restlichen Landkreis werde zum Jahresende eine Verpackungstonne gestellt. Gelbe Säcke gebe es weiter in begründeten Sonderfällen. Im Frühjahr 2020 bekommen alle Gebührenhaushalte dort ein Schreiben, in dem auf die Änderungen hingewiesen werden. Allen Gebührenhaushalten wird eine Bioenergietonne gestellt, soweit keine Abmeldung bei Eigenkompostierung erfolgt.
Dr. Ginter hob hervor, dass man mit dem seitherigen System "Geld gespart" habe. Ohne die Einführung des restmüllarmen Systems sei damals die Verwertung deutlich teurer geworden. Er erinnerte an den Beschluss des Kreistags 2017, das System der restmüllarmen Abfallwirtschaft stufenweise im gesamten Kreis einzuführen, wobei nach der 1. Stufe (2018 Einführung in Buchen und Hardheim-Ortseile) eine erneute Beurteilung auf Grundlage der hier gewonnenen Erfahrungen und Zahlen stattfinden sollte.
"Wir suchen den Weg, der unseren Bürgern den größten Mehrweg gibt. Wir sind deshalb offen, ehrlich und konsequent mit den Ergebnissen umgegangen", erklärte er. Denn es zeigten sich andere Ergebnisse als in den bisherigen Pilotgemeinden Rosenberg (dort wurde das System schon 2010 eingeführt) und Hardheim-Kerngemeinde. Auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hätten sich mittlerweile deutlich verändert.
Die Entsorgungspreise für Bioenergietonne und Wertstofftonne (zum Beispiel bei Kunststoffen: Annahmestopp von China) und für Müllverbrennungsanlagen seien deutlich gestiegen. 2014 lagen sie bei etwa 1,4 Millionen Euro, im Jahr 2018 schon bei rund 2,2 Millionen Euro. "Der Markt hat sich grundlegend gedreht", so Dr. Ginter.
Man müsse sich nach neuen Verwertungswegen umsehen. Die Abfallmengen im Störstoffsack und der Störstofftonne pendeln sich nach aktuellen Erhebungen eher bei 50 Kilogramm statt der prognostizierten 20 bis 25 Kilogramm pro Einwohner und Jahr ein (hier gibt es auch arbeitsschutztechnische Gründe, die gegen eine Sacksammlung sprechen)
Die Menge der extra bestellten Störstofftonnen pendelt sich nach aktuellen Erhebungen eher bei 40 bis 50 Prozent statt der prognostizierten 10 bis 15 Prozent ein. Hinzu kommen allgemeine Entwicklungen wie immer strengere Qualitätsvorgaben an die Sortenreinheit von Stoffströmen.
Aus Umweltschutzgründen sei daher eine permanente Weiterentwicklung der abfallwirtschaftlichen Systeme notwendig, um negativen Entwicklungen entgegenzusteuern, zum Beispiel Mikroplastik in der Umwelt oder auf landwirtschaftlichen Flächen. Durch die Einführung der Störstoffsammlung und der sich abzeichnenden Sammlungsmenge sowie der Anzahl der ausgelieferten Störstofftonnen nähert sich das System Restmüllarme Abfallwirtschaft sehr stark an das klassische und bundesweite System mit Restmüll- und Bio(energie)tonne an.
Der KWiN-Verwaltungsrat hat Ende Februar eine Klausurtagung durchgeführt. Als Ergebnis wurde empfohlen, das System Restmüllarme Abfallwirtschaft in ein Standardsystem zu überführen.