Wald im Stress, Förster am Anschlag
Extreme Hitzetage kommen und die Förster blicken ihnen mit großer Sorge entgegen - "Noch lange keine Entwarnung"

Die Sanierung im Wald hat Vorrang: Bis gestern wurden in den Wäldern im Neckar-Odenwald-Kreis schon 45 000 Festmeter geschädigtes Holz eingeschlagen. 2018 waren es im selben Zeitraum 15 000 Festmeter. Die Hitzewelle ist da nicht förderlich. Fotos: Kern/Hanel
Von Stephanie Kern und Andreas Hanel
Neckar-Odenwald-Kreis. "Das hat schon dramatische Ausmaße angenommen", meinte Stadtforstamtsrat Hermann Fischer, als wir uns in brütender Mittagshitze die Schäden im Wald um Bödigheim anschauen, die dort besonders stark vorherrschen. Die anhaltende Hitze im letzten Jahr und vor allem der Borkenkäferbefall machen dem Wald zu schaffen. Die Hoffnung bei den Waldbesitzern bleibt, dass dieser Sommer nicht so heiß und trocken wird, wie er sich zur Zeit ankündigt.
"Ich habe so etwas Ähnliches ja schon 2003 mitgemacht", erinnert sich Fischer. "Damals gab es nach sieben Wochen ohne Niederschlag und heißen Temperaturen jedoch einen Wetterumschwung. Und der blieb letztes Jahr aus. Da waren die Temperaturen bis in den November ungewöhnlich hoch. Das Problem in diesem Jahr ist nun, dass wir - bedingt durch das letzte heiße Jahr - einen sehr schlechten Ausgangspunkt haben."

Auch an diesem Stamm haben die Borkenkäfer ihre Spuren hinterlassen. Fotos: Kern/Hanel
Da sei es gut, dass das Jahr bis jetzt wettertechnisch gar nicht so schlecht verlaufen ist. Doch trotzdem ist die Lage ernst: Denn "der Borkenkäfer und die Trockenschäden fördern sich gegenseitig, weil trockengestresste Pflanzen viel anfälliger für den Borkenkäfer sind."
Das bringt vor allem bei der Fichte eine enorme wirtschaftliche Schädigung mit sich. "Wir hatten vorhin erst ein Holzmarktgespräch. Die Preise gehen in den Keller." Und um wie viel? "Die Preise liegen bei etwa 65 Prozent der Preishöhe aus dem Vorjahr. Man muss befürchten, dass sie beim Käferholz bis auf 35 Prozent sinken", meinte Fischer.
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Das Problem ist aber nicht nur ein ökonomisches und liegt nicht nur bei der Fichte. "Die Buchen machen mir mehr Sorgen als die Fichte", sagte Fischer, während er auf entlaubte Buchenkronen zeigt. "Wenn die Kronen vertrocknen - und das passiert innerhalb eines Viertel bis halben Jahres - brechen die ab wie Glas", erklärt er. Ein Windstoß reiche da schon aus, dass Äste herunterfallen können - und im schlimmsten Fall auf Personen. Wenn der Sommer wieder so schlimm wie letztes Jahr werde, könne es sogar dazu kommen, dass man einzelne Waldgebiete für Passanten sperren müsste, meint Fischer.
Um das zu verhindern, muss viel Arbeit hineingesteckt werden und das bei knappen Kapazitäten. "Wir machen immer wieder Gänge durch den Wald und schauen nach Schäden und Anzeichen von Borkenkäferbefall. Dann machen wir die betroffenen Bäume um und ziehen sie raus", erklärt der Förster. Bei den herrschenden Holzpreisen keine lohnende Arbeit.
Doch diese Probleme gibt es nicht nur im Wald um Bödigheim. Wenn Gerd Hauck im Moment im Schefflenzer Wald unterwegs ist, herrscht Stolpergefahr. Nicht etwa, weil der Schefflenzer Revierleiter nicht trittsicher ist, sondern weil sein Blick sich die ganze Zeit über nach oben richtet. Hauck hält Ausschau nach dem Borkenkäfer. "Unsere einzige Chance ist, befallene Bäume früh zu erkennen, sie zu schlagen und so schnell wie möglich abzufahren", sagt Hauck.
Der Borkenkäfer liebt vor allem ein Wetter: trockene Hitze. Und die herrscht seit gestern wieder in Deutschland. Was Freibadgänger freut, das bereitet Förster große Sorgen. Die Schäden, die im vergangenen Extremsommer 2018 entstanden sind, werden sich noch auf Jahre auswirken, sind sie überzeugt. Trotzdem ist Gerd Hauck vorsichtig optimistisch: "Wir hatten ein ganz schlechtes Gefühl aufgrund des letzten Jahres und der Prognosen, sind aber freudig überrascht über den Mai." Im Mai war es nämlich nicht ganz so warm und es hat immer mal wieder geregnet. Bedingungen, die den Förstern und dem Wald Zeit im Kampf gegen den Borkenkäfer verschaffen.
"Die Witterung spielt eine große Rolle, um gegen den Schädling wieder die Oberhand zu gewinnen." Von ausreichend Regen könne aber keine Rede sein. "Es hat nicht genug geregnet", sagt Hauck. Die Jungpflanzen seien zwar gut angewachsen, aber ab 30 cm Tiefe seien der Boden trocken, gerissen und dadurch auch die Feinwurzeln der Bäume geschädigt. Hauck erwartet, dass sich manche Standorte erst in fünf bis zehn Jahren erholen.
Ein weiteres Problem, dass sich den Förstern nun stellt: Welche Bäume sollen nachgepflanzt werden? "Da tun wir uns unheimlich schwer", räumt Hauck ein.

Sind Laubbäume vom Borkenkäfer befallen, kann es für Passanten gefährlich werden. Fotos: Kern/Hanel
Mit der Hitze der kommenden Tage wird der Wald klar kommen, ist Hauck überzeugt. "Für den Wald bedeutet Hitze Stress. Aber wenn das absehbar ist, geht es." Problematisch wird es, wenn die Hitze länger andauert, das Wasser im Boden fehlt, der Borkenkäfer sich ausbreitet und ein Extremsommer vorausgegangen ist. "Jetzt kommt die Hitze, wir hoffen, dass es nicht so schlimm wird", sagt Hauck.
Das hofft auch Dietmar Hellmann. Der Leiter der Forstbetriebsleitung in Schwarzach ist organisatorisch den Revierleitern im Kreis überstellt und hat den Blick aufs große Ganze. Und der gefällt ihm im Moment nicht wirklich. "Es gibt noch lange keine Entwarnung", sagt Hellmann zur aktuellen Situation im Wald. "Was mir Angst macht, ist, dass nicht nur die Fichte und nicht nur schlechte Standorte betroffen sind." Die Mitarbeiter seien die ganze Zeit damit beschäftigt, vom Borkenkäfer befallenes Holz zu identifizieren, zu schlagen und abzufahren. Insgesamt waren es 2019 schon 45.000 Festmeter. Zum Vergleich: 2018 waren es im selben Zeitraum (bis 24. 6.) 15.000 Festmeter und bis zum Jahresende 67.000 Festmeter.
"Ein Riesenaufwand", so Hellmann. Denn die kleinen "Hotspots" erschweren das Arbeiten ungemein. Die Förster müssen ihre Reviere zu Fuß absuchen, kaum sind sie fertig, können sie schon wieder von vorne anfangen. "Aus dem Auto kann man das nicht machen", so Hellmann. Aber, was den Borkenkäferbefall angeht, sei man im Staats- und Gemeindewald "auf dem Laufenden", sprich: Man hat das Problem im Griff. Im Privatwald sei das bei Weitem nicht so. Zwar seien da einige sehr aktive Waldbesitzer dabei, andere haben bereits resigniert. Eine im Frühjahr vom Borkenkäfer befallene Fichte könne bis zum Jahresende 8000 weitere betreffen,wenn wie 2018 drei Generationen reifen können. Die Forstarbeiter und Förster seien "am Anschlag", sagt Hellmann.
"Normalerweise hat man zu dieser Zeit im Wald viele körperlich leichtere Arbeiten zu erledigen, Pflege der Jungpflanzen etwa. Im Moment sind alle Mitarbeiter noch mit der Motorsäge unterwegs", beschreibt Hellmann die Situation. Neupflanzungen werden verschoben. "Wir können nicht alles auf einmal machen, die Sanierung im Wald hat Vorrang." Das bekräftigt auch Gerd Hauck, der sich vor allem über manchen Kommentar ärgert: "Was von der Bevölkerung anscheinend nicht gesehen wird: Wir schlagen beschädigtes, abgestorbenes, befallenes Holz, um den Rest zu retten. Das ist kein Kahlschlag und wir pflanzen neue Bäume nach."
Wie der Wald die Hitze verkraften wird, weiß keiner zu sagen. Dietmar Hellmann sagt aber: "Ich freue mich über jeden Regentag." Borkenkäfer und Freibadgänger würden ihm da wohl widersprechen.