Neckar-Odenwald-Kreis

Viel Verwirrung um die angekündigte Priorisierung von PCR-Tests

Ankündigung der Bund-Länder-Konferenz sorgt für Unruhe im Neckar-Odenwald-Kreis. Das Chaos hat viele Ursachen.

08.02.2022 UPDATE: 09.02.2022 06:00 Uhr 6 Minuten, 46 Sekunden
Wenn es um die Abnahme und Auswertung von PCR-Tests geht, kommt man in der Region mitunter schnell an die Grenze. So mancher Leser bemängelt die Möglichkeit zum Testen, während von behördlicher Seite verwirrende Vorgaben erklärt werden müssen. Symbolfotos: dpa

Von Stephanie Kern

Neckar-Odenwald-Kreis. Das DRK in Buchen hat es vorgemacht: PCR-Testkapazitäten kann man auch selbst schaffen. Doch laut Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sind jene Kapazitäten an der Grenze. Und wohl auch deshalb haben die Regierungschefs von Bund und Ländern in ihrem Treffen am 24. Januar beschlossen, PCR-Tests prioritär bei Risikopatienten sowie bei Personal in Kliniken, Praxen und Pflegeeinrichtungen einzusetzen. Passiert ist bisher nichts. "Bis zur Änderung gelten die bislang bekannten Regelungen weiter", heißt es auf der Webseite der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Denn eine neue Testverordnung des Bundesgesundheitsministeriums gibt es (noch) nicht.

Gleichzeitig hat das Sozialministerium Baden-Württemberg seine Corona-Verordnung "Absonderung" schon zum 26. Januar angepasst. Darin heißt es, dass auch ein positiver Schnelltest einer zertifizierten Teststelle ausreicht, um eine Corona-Infektion zu bestätigen. Für die Menschen bedeutet diese Lücke zwischen geltender und fehlender Verordnung Verunsicherung. Für das Gesundheitsamt des Neckar-Odenwald-Kreises bedeutet es einen deutlichen Mehraufwand. "Die positiven Schnelltests müssen manuell eingegeben und entweder einem bestehenden Fall zugeordnet oder als (neuer) Verdachtsfall angelegt werden. Dies stellt einen erheblichen Mehraufwand für das Gesundheitsamt dar und ist momentan gerade noch zu leisten", antwortet der Pressesprecher des Landratsamtes, Jan Egenberger, auf eine entsprechende Anfrage der RNZ.

Verwirrung allenthalben

Eigentlich hat sich an der Rechtslage nichts geändert: "Ein positives Schnelltestergebnis einer anerkannten Teststation war schon vor dem 26. Januar meldepflichtig, und es bestand keine Pflicht, dieses Ergebnis mittels PCR-Test bestätigen zu lassen", erklärt Egenberger. Personen mit positivem Schnelltestergebnis und quarantänepflichtige (also: nicht-immunisierte) Haushaltsangehörige mussten sich deshalb auch schon vor dem 26. Januar absondern. Egenberger erklärt das Prozedere: "Die Schnelltestzentren übermitteln positive Schnelltestergebnisse über einen passwortgeschützten Link und in Ausnahmefällen per Fax (z. B. wenn das Testzentrum außerhalb des Kreises liegt) an das Gesundheitsamt." Diese Testergebnisse werden aber nach wie vor lediglich als Verdachtsfälle erfasst und gehen nicht in die offizielle Corona-Statistik ein. "Umgekehrt bedeutet dies aber, dass jede Bürgerin und jeder Bürger mit Symptomen oder einem positiven Selbst- bzw. Schnelltest Anrecht auf einen PCR-Test hat", verdeutlicht Egenberger. Eine Priorisierung gibt es de facto nicht. Es bedeutet aber auch: Wer einen positiven Schnelltest hat und nicht zum PCR-Test geht, muss sich zwar in Quarantäne begeben, taucht aber in der offiziellen Statistik des Landesgesundheitsamts gar nicht auf.

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Das stiftet vor allem Verwirrung – und weckt wohl auch Unternehmergeist: Die Schnellteststellen schießen mancherorts wie Pilze aus dem Boden. Nicht überall werden die Standards wohl zu 100 Prozent umgesetzt, obwohl das Landratsamt die Teststellen regelmäßig überprüft. Eine Leserin bemängelte gegenüber der RNZ den laxen Umgang mit der Maskenpflicht in einem Testzentrum im Kreis. Ein Betreiber eines Testzentrums erzählt (anonym), dass die Zahlen in seinem Testzentrum signifikant zurückgegangen seien, seit es im Ort eine Alternative gibt. Der Grund: Die Mitarbeiter der Konkurrenz gehen nicht so tief mit dem Stäbchen in die Nase – das empfinden die zu Testenden als angenehmer.

Testzentren werden überprüft

Das Landratsamt gibt folgende Auskunft: "Aufgrund des mittlerweile noch weiter gesteigerten Stellenwerts der Schnelltests bei der Pandemiebekämpfung haben auch die Kontrollen der Teststationen durch das Gesundheitsamt an Wichtigkeit gewonnen." Momentan gibt es im Kreis 87 Teststellen, darunter sieben Apotheken, 15 DRK-Teststellen und zwei Praxen für Physiotherapie. Zudem werde in mehreren Arztpraxen getestet. "Im Schnitt werden sechs Teststellen wöchentlich durch Hygienekontrolleure des Gesundheitsamts unangekündigt und zum Teil verdeckt überprüft", erklärt Egenberger. Die am häufigsten festgestellten Mängel seien unzureichende Schutzkleidung der Mitarbeitenden und die Nichteinhaltung der Lagerbedingungen der Tests (das betreffe vor allem die Temperatur). "Nach Aufforderung durch das Gesundheitsamt wurden diese Mängel aber meist in kurzer Zeit behoben. Bislang wurde noch keine Teststelle geschlossen. Neu sind mehrere Anbieter speziell für Kinder-, Lolli- und Spucktests", berichtet Egenberger.

Arnold Irmia betreibt Teststellen in Auerbach, Fahrenbach, Limbach und im Techno in Obrigheim. Neben den Schnelltests bieten seine Mitarbeiter auch noch PCR-Tests an. Eine Verknappung der Kapazitäten spüre er noch nicht. "Die Ergebnisse sind nach wie vor in zwölf Stunden da, das Labor hat auch noch nichts von einer Verknappung gesagt", meint Irmia. Etwa 250 bis 300 Schnelltests und rund 25 PCR-Tests werden an Irmias Teststellen am Tag vorgenommen. Auch als die Bürger ihre Tests selbst zahlen mussten, erhielt er sein Angebot aufrecht. Eigentlich hat Irmia eine Spedition für Arzneimittel. Anfangs ging es darum, die eigenen Mitarbeiter zu testen. "Wir haben dann beschlossen, das Angebot für alle zu öffnen", sagt Irmia.

12,50 Euro bekam er im November und Dezember pro Schnelltest. Wie viel seit Januar dafür bezahlt wird, weiß er nicht; die Regelung steht wohl noch aus. "Ich schätze, dass das wieder auf 11,50 Euro runtergeht", sagt Irmia. Auch ihm wurden schon minderwertige Antigen-Tests für einen deutlich geringeren Preis angeboten. "Ich bin aber bei unserem bewährten Lieferanten geblieben", sagt Irmia. Verwendet werden in seinen Einrichtungen Tests, die die Kriterien des Paul-Ehrlich-Instituts erfüllen.

Zeitpunkt entscheidend

Die Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts haben im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums 245 Schnelltests geprüft, die in Deutschland auf dem Markt sind. Das PEI betont, dass die Liste nicht komplett sei, sie bietet aber eine Orientierungshilfe. Was auffällt: Viele der Tests schlagen gut an, wenn die Viruslast hoch ist. Wenn der CT-Wert über 30 steigt, dann steht bei vielen Tests aber eine "Null". Also: keinmal positiv angezeigt, obwohl die Probe positiv war. Zwar gilt man bei einem CT-Wert von über 30 nicht als ansteckend, aber es kommt auf den Zeitpunkt an: Ist ein Schulkind freitagmorgens noch nicht ansteckend, kann es am Montagmorgen schon ganz anders aussehen.

Das Testzentrum des DRK Mosbach verwendet Tests namens "Novel Coronavirus 2019-nCoV" des Herstellers "Maimed". Auf der Liste des Paul-Ehrlich-Instituts taucht der Test nicht auf, sondern auf der des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Im technischen Datenblatt steht, dass er nur von medizinischem Fachpersonal angewendet werden darf. Die Prüfung durch das PEI ergab eine Sensitivität von im Schnitt 96 Prozent. Es gibt viele Tests, die genauso sensitiv sind – aber auch einige jenseits der 80 Prozent. Wer nach einem Test im DRK-Testzentrum ein positives Ergebnis bekommt, erhält dieses per E-Mail. Auch das DRK Mosbach wird dann informiert. "Diese E-Mail laden wir dann in eine Cloud des Gesundheitsamtes hoch", erklärt DRK-Kreisgeschäftsführer Steffen Blaschek. Es lasse sich auf jeden Fall Geld verdienen mit den Schnelltests, "wenn die Nachfrage so groß ist wie im Moment", so Blaschek. "Aber es gab auch Phasen, in denen wir draufgelegt haben." Im Sommer etwa, oder als man für ihre Tests selbst bezahlen musste.

Langer Weg zum Test

Die Verwirrung um die PCR-Test-Priorisierung hat in der Region aber auch schon für die ein oder andere Odyssee gesorgt. Ein RNZ-Leser aus Mosbach schilderte am Telefon den Fall seines erwachsenen Sohnes: Nachdem ein Schnelltest im Testzentrum positiv ausgefallen war, habe er sich bemüht, einen PCR-Test zu bekommen. Nicht an einem Sonntag und auch nicht abends, sondern an einem Montagvormittag. Bis nach Untereisesheim fuhr er am Ende, um abgestrichen zu werden. Aber er war zu spät dran. "Dann haben wir mit dem Gesundheitsamt telefoniert und wurden an die Corona-Schwerpunktpraxen im Kreis verwiesen", erzählt der Leser. Elf dieser Praxen listet die Kassenärztliche Vereinigung auf ihrer Seite. Eine davon ist die Praxis von HNO-Ärztin Elke Ender. Bei ihr sei der Mann abgewiesen worden.

"Ich habe bislang PCR-Tests gemacht und mache das auch weiterhin – aber nur für Erkrankte im Rahmen der Infektsprechstunde", sagt Ender. Es seien sehr viele Anfragen gekommen, so viele, dass der restliche Praxisalltag eigentlich nicht mehr zu bewältigen wäre. Deshalb habe sie ihr Engagement zurückgefahren und auch den Status als Corona-Schwerpunktpraxis aufgegeben. "Bei diesen Wunsch-PCR-Tests geht es nicht mehr um die Eindämmung der Pandemie oder darum, Menschen zu helfen, sondern um juristische Feinheiten – und dafür bin ich nicht Ärztin geworden." Einen Kapazitätsengpass im Labor habe sie nicht bemerkt, berichtet Ender. Ergebnisse seien meist innerhalb von zwölf Stunden da. "Auch weil ich die Termine so lege, dass alle Proben noch am selben Tag ins Labor gehen."

Ender ist nicht die Einzige, die den Status als Corona-Schwerpunktpraxis aufgegeben hat; auch Dr. Körting steht nicht mehr auf dieser Liste. "Ich erwarte mir davon, dass die Patienten, die Behandlung suchen, zu mir kommen, ich mehr Zeit für die medizinische Versorgung habe und diese damit noch besser wird", so Ender. Nicht, dass sie schlecht gewesen wäre, der ganze organisatorische Aufwand um die vielen Tests fraßen aber sehr viel Zeit im Praxisalltag. Zeit, die sie nun für die Patienten verwendet. "Wir Ärzte, ich denke, da kann ich auch für meine Kollegen sprechen, hatten eine idealistische Sichtweise. Wir wollten helfen, die Pandemie zu bekämpfen, die Menschen zu behandeln und die Krankenhäuser zu entlasten. Wir wurden aber überrannt mit wöchentlich wechselnden Verordnungen, mit sich ständig ändernden Regelungen und juristischen Feinheiten." Eine gewisse Frustration im Hinblick auf die Politiker sei da, gibt Ender unumwunden zu. "Diejenigen, die die Pandemie zwei Jahre lang bekämpft haben, werden im Regen stehengelassen."

Aufwendiger Nachweis

Nachdem sich der Sohn des RNZ-Lesers, der sich am Telefon beschwerte, freigetestet hatte, wollte er einen Genesenen-Nachweis beantragen. Auch das stellte sich als schwierig heraus. Beim Gesundheitsamt des Kreises erreichte er niemanden und wurde schlussendlich an den Hausarzt verwiesen. "Der sagte uns, er stelle so etwas nicht aus", so der Leser. Das Sozialministerium schickt auf eine entsprechende Anfrage einen Link zu den häufigsten Fragen – dabei dreht es sich um Antworten auf Fragen zu Impfnachweisen und Regelungen für Immunisierte. Es findet sich aber auch ein Hinweis darauf, dass ein positives PCR-Testergebnis als Genesenen-Nachweis zu behandeln ist und dass Apotheken einen digitalen Nachweis ausstellen, wenn das positive PCR-Ergebnis vorgewiesen werden kann. Außerdem schreibt das Sozialministerium, dass man in seinen Unterlagen überprüfen sollte, ob man das Ergebnis des PCR-Tests besitzt oder noch online (beispielsweise in entsprechenden Portalen oder Labor-Apps) abrufen kann. "Falls dies nicht der Fall ist, sollte man sich zunächst an diejenige Stelle wenden, an der der Test durchgeführt wurde, beispielsweise der Arzt oder die Teststelle." Arztpraxen, denen kein Testergebnis vorliegt und bei denen der betreffende Patient auch nicht wegen einer Covid-19-Erkrankung vorstellig wurde, "können auch kein entsprechendes Dokument herausgeben", so das Sozialministerium. Wenn das Labor bekannt ist, könne man auch dort anfragen.

"Für einen Genesenen-Nachweis braucht es zwingend ein mit einem PCR-Test bestätigtes Ergebnis, wie Kreissprecher Egenberger erläutert. "Aktuell werden Genesenen-Nachweise nur ausgestellt, wenn das Virus mittels Nukleinsäure-Nachweis (PCR) nachgewiesen wurde." Zudem muss das Datum der Abnahme des positiven Tests mindestens 28 Tage zurückliegen, und es darf höchstens 90 Tage zurückliegen. "Das Gesundheitsamt rät deshalb nach aktuellem Stand allen Personen mit Symptomen oder einem positiven Selbst- bzw. Schnelltest, die zudem auf einen Genesenen-Nachweis angewiesen sind, also beispielsweise Menschen ohne Auffrischungsimpfung, Kinder und Jugendliche, weiterhin einen PCR-Test beim Haus- oder Kinderarzt, in einer Schwerpunktpraxis oder in einem PCR-Testzentrum zu machen."

In diesem Detail wird eigentlich die Lücke zwischen bestehender Verordnung und angekündigter Priorisierung deutlich. "Wir sind doch in Deutschland", meinte der RNZ-Leser, dessen Sohn zuerst keinen Test erhalten hat. Ein bisschen Fassungslosigkeit schwingt mit, als er diesen Satz sagt. Es geht nicht nur ums Schaffen-Wollen. Man muss auch die Möglichkeiten dazu haben ...

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