Neckar-Odenwald-Kreis

Spatenstich für den flächendeckenden Glasfaserausbau

Ein Tag der Superlative - BBV will über 120 Millionen Euro investieren.

29.06.2021 UPDATE: 30.06.2021 06:00 Uhr 3 Minuten
„Hier entsteht das beste Internet der Welt“, zeigte sich Innenminister Thomas Strobl beim Start des Glasfaserausbauprojekts überzeugt. Foto: Peter Lahr

Von Peter Lahr

Neckar-Odenwald-Kreis. "Ein Meilenstein. Das goldene Zeitalter beginnt bei uns." "Die Zukunft hat begonnen." "Das ist so wie die erste Strom- und Wasserleitung." Erstaunlich, wie fast schon poetisch manche Politiker und Mandatsträger werden können, wenn es darum geht, die historische Größe eines Ereignisses in Worte zu fassen. So geschehen beim Spatenstich für den flächendeckenden Glasfaserausbau des Neckar-Odenwald-Kreises am Montagnachmittag in Aglasterhausen. Dort versammelten sich gut 100 geladene Gäste neben der Festhalle zu einem Schaulauf der lobenden Worte.

Zu den prominentesten Gästen, die Landrat Dr. Achim Brötel bei hochsommerlichen Temperaturen begrüßen konnte, zählten der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl sowie der Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk, zudem die Bundestagsabgeordneten Alois Gerig und Nina Warken. Die Gilde der Bürgermeister vertrat Thomas Ludwig (Seckach) als Kreisvorsitzender des Gemeindetags am Mikrofon, die "fantastische Zusammenarbeit" lobte Manfred Maschek, Geschäftsführer der Breitbandversorgung Deutschland (BBV), die als erschließendes Unternehmen mit "toni" vor Ort aktiv ist und sein wird.

"Wir bauen Zukunft, wir starten in das Gigabit-Zeitalter", unterstrich Achim Brötel: Bis Ende 2024 sollen alle 27 Kommunen des Landkreises schrittweise mit Glasfaserkabel versorgt werden. Da die Investitionssumme von über 120 Millionen Euro der Infrastrukturinvestor und BBV-Gesellschafter "Infracapital" aufbringe, geschehe dieser Ausbau rein privatwirtschaftlich, also ohne Steuer- und Fördergelder – eine deutschlandweite Premiere, die bislang 24.000 Haushalte zur Unterschrift (unter einen Anschlussvertrag) bewegt hat.

In seinem Rückblick auf die digitale Vorgeschichte des Großprojekts beklagte der Landrat die "Rosinenpickerei" der Telekom, die letztendlich kein Interesse an einem weiteren Glasfaserausbau der Region gezeigt habe – und das trotz in Aussicht gestellter Fördergelder von nahezu 30 Millionen Euro. Bereits ab 2008 habe der Kreis systematisch damit begonnen, mit einem "klar durchdachten und ausgeklügelten Gesamtkonzept" Glasfaserkabel zu verlegen. Die "Breitbandinitiative I" erzielte mit 155 neuen Leitungskilometern und 100 Multifunktionsgehäusen ein elf Millionen Euro teures Grundnetz, das 70 der 122 Teilorte des Kreises erstmals mit Glasfaser in Berührung brachte. In der zweiten Ausbaustufe sei es darum gegangen, einen "Next Generation Access" zu erreichen, der möglichst alle mit Bandbreiten von 100 Mbit/s versorgen sollte. Allerdings bilde das "Backbone-Netz" nur die Grundinfrastruktur, im Bild der Datenautobahn entspreche es der Autobahnauffahrt.

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Mithilfe der BBV soll nun der Glasfaser-Vollausbau gelingen: Die Glasfaserleitung wandert damit vom Multifunktionsgehäuse bis direkt in jedes Gebäudes (neudeutsch: "fibre to the building"). Als neuen Maßstab garantiere BBV einen Datentransfer von mindestens 300 Mbit/s.

Den Schock darüber, dass sich die Telekom einst "vom Acker gemacht" habe, hat der Landrat mittlerweile gut verkraftet: "Wer die BBV an seiner Seite hat, der braucht keine Telekom mehr", gab er sich kämpferisch. "Wir haben lange das Haar in der Suppe gesucht", beschrieb Brötel die anfängliche Skepsis gegenüber dem neuen Partner. Aber es sei hier nichts faul, es gebe kein Haar in der Suppe.

"Der Neckar-Odenwald-Kreis ist nicht nur fast ganz oben, er ist ganz oben", unterstrich Innenminister Strobl mit Blick auf die Vorreiterrolle in Sachen Glasfaserausbau. Überhaupt sei der heutige Spatenstich nur der "liebenswürdigen Hartnäckigkeit" des Landrats zu verdanken. Digitalisierung habe auch viel mit Nachhaltigkeit zu tun. Denn Homeoffice spare Ressourcen. Wenngleich das Netz viel Energie verbrauche, so sei Glasfaser energetisch am sparsamsten. "Hier entsteht das beste Internet der Welt", betonte Strobl und versprach: "Wenn es mal klemmen sollte, bleiben wir im Gespräch miteinander, um das noch mit Bundes- und Landesmitteln zu arrondieren."

"Das goldene Zeitalter beginnt bei uns im Ländlichen Raum", erklärte Peter Hauk. Denn Breitband bedeute auch für junge Leute Lebensqualität und Perspektive. "Heute wird endlich Realität, wofür wir uns seit Jahren stark gemacht haben", formulierte es Thomas Ludwig. Als hohe Hürden für die zunächst anvisierte Bürgerbeteiligung von 40 Prozent stufte er das allgemeine Misstrauen und den Ausbruch der Pandemie ein. Nicht zuletzt dem Einsatz der Vereine bis hin zu den Feuerwehren sei es zu verdanken, dass der zwischenzeitlich auf 20 Prozent herabgesetzte Vorfinanzierungsrahmen erfüllt werden konnte.

"Es ging nur, weil es mit der Kooperation so absolut fantastisch lief, wie ich es noch nie gesehen habe", erklärte Manfred Maschek. "Von hier werden wir uns systematisch durch den Landkreis buddeln", erklärte der BBV-Geschäftsführer am Startpunkt der Grabungen in Aglasterhausen. Dass der Startschuss für die kreisweite Anbindung in Aglasterhausen fiel, hat Gründe: Zum einen kommt das Backbone-Netz der BBV auf dem Rhein-Neckar-Kreis. Zum anderen habe die Gemeinde Aglasterhausen, respektive die ehemalige Bürgermeisterin Sabine Schweiger, schon sehr frühzeitig und aktiv den Kontakt zu BBV gesucht hat und sei damit "zum wesentlichen Wegbereiter für unser kreisweites Projekt" geworden, so Landrat Brötel.

Und was kommt nach dem Startschuss? Derzeit arbeite die BBV kreisweit mit fünf Planungsbüros zusammen. koordiniere die kommenden Anschlussarbeiten. Vielleicht sei der Abschluss in Adelsheim sogar noch 2023 möglich, so BBV-Chef Maschek. Als nächste Region wolle die BBV den Main-Tauber-Kreis angehen. Doch jetzt ist erst mal der Vorreiterkreis dran, im Kleinen Odenwald beginnen die Glasfasergrabungen ...

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