Krankenhausreform liefert gute Ansätze und offene Fragen
Die Verantwortlichen der Kliniken im Landkreis halten die geplante Reform für eine "Steilvorlage für weitere Zentralisierungen."

Neckar-Odenwald-Kreis. (rüb) Gesundheitsminister Karl Lauterbach möchte mit seiner Krankenhausreform den wirtschaftliche Druck auf Kliniken verringern. Die Vorschläge der Regierungskommission sehen vor, für bestimmte Grundkosten der Häuser feste Beträge zu zahlen, etwa Personal, eine Notaufnahme oder notwendige Medizintechnik. Die Kliniken sollen außerdem in drei Kategorien eingeteilt werden: Häuser der wohnortnahen "Grundversorgung" sollen für Notfälle oder grundlegende chirurgische Eingriffe da sein und teilweise aus dem Fallpauschalen-System herausgenommen werden. Stufe zwei soll Kliniken mit weitergehenden Leistungen umfassen, Stufe drei die Maximalversorgung der Universitätskliniken. Wird jetzt alles gut? Wir haben bei den Verantwortlichen der Neckar-Odenwald-Kliniken und des kommunalen Krankenhauses in Hardheim nachgefragt, was sie von den Reformplänen halten:
> Gemeinsame Stellungnahme des Geschäftsführers der Neckar-Odenwald-Kliniken, Frank Hehn, und des Aufsichtsratsvorsitzenden, Landrat Dr. Achim Brötel: "Aus unserer Sicht ist es für eine Bewertung der Reformvorschläge derzeit definitiv noch zu früh. Schließlich ist das, was jetzt vorliegt, noch kein Gesetzentwurf, sondern lediglich eine weitere Stellungnahme der Regierungskommission. Positiv fällt dabei allerdings auf, dass endlich auch die Vorhaltekosten in den Blick genommen werden. Deren Nichtberücksichtigung war seit Einführung der Fallpauschalen ein ganz zentraler Grund für die strukturelle Unterfinanzierung insbesondere kleinerer Krankenhäuser im ländlichen Raum.
Auf den ersten Blick wirken die Empfehlungen der Regierungskommission aber gleichwohl wie eine hoch theoretische Doktorarbeit, die ihre Praxistauglichkeit erst noch beweisen muss. Es hat den Anschein, als ob da ziemlich viele Akademiker und Ökonomen, aber nicht unbedingt Krankenhauspraktiker unterwegs gewesen wären. Mit Sorge erfüllt uns vor allem, dass das Papier zwar mit dem Anspruch angetreten ist, die Krankenhausversorgung ,nachhaltig zu stabilisieren‘, in Wirklichkeit jedoch den Geist einer weiteren Zentralisierung und einer Verringerung der Gesamtzahl der Krankenhäuser atmet. Da das Erlösvolumen der Krankenhäuser unverändert bleiben soll, kann die Rechnung der Kommission wirtschaftlich nämlich nur dann aufgehen, wenn es am Ende auch weniger Krankenhäuser gibt. Unter dem Strich läuft die Reform also wohl auf eine gigantische Umverteilung unter weniger Krankenhäusern als bisher hinaus.
Dafür sind in dem neuen System zwei entscheidende Stellschrauben vorgesehen: die Einstufung des einzelnen Krankenhauses in einen bestimmten Level und die Zuweisung bestimmter Leistungsgruppen. Für beides sollen die Bundesländer zuständig sein. Insofern steht zu befürchten, dass die Länder, die schon bisher nicht die Kraft zu weitreichenden Reformen gehabt haben, an ihren überkommenen Strukturen festhalten werden. Baden-Württemberg, das bereits aktuell im Bundesvergleich eine extrem niedrige Bettendichte hat, hätte dann aber ein weiteres Mal das Nachsehen.
Welche Auswirkungen die Reformvorschläge ganz konkret auf die Neckar-Odenwald-Kliniken haben könnten, lässt sich erst dann beurteilen, wenn klar ist, welche Leistungsgruppen uns vom Land tatsächlich zugewiesen werden. Nur für diese Leistungsgruppen gibt es nämlich nachher auch ein Vorhaltebudget. Wir sehen allerdings die ganz konkrete Gefahr, dass es gerade dabei zu massiven Beschneidungen des Leistungsspektrums kommen wird. Die Definition spezieller Versorgungsaufträge für jedes einzelne Krankenhaus anhand von Maßstäben, die bundeseinheitlich vorgegeben werden, ist nämlich geradezu eine Steilvorlage für weitere Zentralisierungen. Wenn das Krankenhaus vor Ort am Ende nur noch diejenigen Leistungen erbringen darf, die das Land ihm zuweist, geht das aber nicht nur an den Bedürfnissen der Menschen vorbei, sondern kann auch ganz schnell dazu führen, dass das, was dann noch bleibt, zum Überleben erst recht nicht mehr ausreicht. Dann hilft aber auch ein Vorhaltebudget nicht mehr weiter.
Wichtig ist deshalb, dass der Bund jetzt schnell Klarheit schafft, wohin die Reise tatsächlich gehen soll. Die Empfehlungen der Regierungskommission zeigen zwar eine bestimmte Richtung auf. Ob diese Richtung zielführend ist oder nicht, lässt sich aber erst beurteilen, wenn die offenen Fragen beantwortet sind. Die Wahrheit ist auch in diesem Fall konkret."
> Lothar Beger, Verwaltungsleiter des Krankenhausverbands Hardheim-Walldürn: "Seit Jahren ist für jeden, der im Gesundheitswesen tätig ist, deutlich spürbar, dass unser Gesundheitssystem kränkelt. Nicht zuletzt die Entwicklung seit Beginn der Corona-Pandemie mit immensen Vorhaltekosten bei gesunkenen Belegungszahlen und die Ärzte- und Fachpersonalsituation haben deutlich aufgezeigt, dass sich etwas ändern muss. Gleichzeitig sind wir aufgrund der flächenhaften Krankenhausversorgung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern relativ gut durch die Pandemie gekommen. Das sollte bei allen Reformbestrebungen nicht vergessen werden.
Der Bundesgesundheitsminister kündigt nun eine ,Revolution‘ im Krankenhauswesen an: Hoffen wir, dass es eine friedliche und für unser System heilende Revolution wird. Dies hoffe ich vor allem für den ländlichen Raum, denn von einer medizinischen Überversorgung kann hier im Vergleich zu den Ballungszentren nicht gesprochen werden. Zumindest wurde bei allen Verlautbarungen immer wieder betont, dass es für den ländlichen Raum Sonderregelungen geben muss und eine Grundversorgung für jeden garantiert bleiben soll – hoffen wir, dass dazu auch Wort gehalten wird.
Nach den Empfehlungen sollen die Krankenhäuser künftig in drei konkrete Level eingestuft werden. Wenn ich die Stufen richtig interpretiere, würde das Krankenhaus Hardheim vermutlich der integriert ambulant-stationären Versorgung zugeordnet sein und damit künftig anstelle der Fallpauschalen über Tagespauschalen finanziert werden. Ich bin sehr froh, dass wir bereits seit einem Jahr einen Umstrukturierungsprozess eingeleitet haben, der genau diese nun auch von der Regierungskommission vorgestellten Zielsetzungen berücksichtigt. Die angekündigte Zuordnung zu Leistungsgruppen, die wohl nur höher eingestufte Krankenhäuser tangieren wird, könnte allerdings dazu führen, dass wir gewisse Leistungen nicht mehr abrechnen und damit vielleicht auch nicht mehr erbringen dürfen. Hier wird noch viel Detailaufklärung und für den Übergang die ein oder andere Ausnahmeregelung nötig sein.
Unklar ist bislang, wie die künftige Finanzierungsform über die Tagespauschalen konkret aussehen soll. Die Tücke wird auch hier wieder im Detail liegen. Insofern hoffe ich darauf, dass hierzu ein transparentes, effektives und vor allem auch für kleine Krankenhäuser auskömmliches Finanzierungssystem entwickelt wird. Beruhigend empfinde ich, dass man dies nicht übers Knie brechen will, sondern eine Übergangsphase von fünf Jahren anstrebt. Hoffen wir also, dass es keinen unüberlegten politischen Schnellschuss geben wird.
Gleichzeitig würde ich mir eines wünschen: Jeder spricht von Entbürokratisierung, aber im politischen Alltag wird dies meist vergessen. Symptomatisch ist für mich dabei das sogenannte ,Krankenhauspflegeentlastungsgesetz‘. Dieses hat keine Entlastung gebracht, sondern die Dokumentationspflicht eher noch verstärkt. Hoffen wir also, dass ein neues Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht neue Hürden im Gesundheitswesen aufbaut, damit sich alle dort Tätigen auf ihre eigentliche Arbeit, die medizinische und pflegerische Versorgung von hilfebedürftigen Patienten, konzentrieren können. Dann könnte auch dem vorherrschenden Fachkräftemangel ein Stück weit entgegengewirkt werden."