Neckar-Odenwald-Kreis

Die Schlossfestspiele Zwingenberg stehen an einem Scheideweg

Die "schwarze Null" ist nicht erreichbar. Landkreis will den jährlichen Zuschuss schrittweise erhöhen.

19.04.2023 UPDATE: 19.04.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 20 Sekunden
Die Zwingenberger Schlossfestspiele sind fest etabliert und ziehen Jahr für Jahr viele Besucher an. Wirtschaftlich ist das Festival jedoch eine Herausforderung. Foto: René van der Voorden

Neckar-Odenwald-Kreis. (tra) Die Schlossfestspiele Zwingenberg gehen in diesem Jahr in ihre 40. Spielzeit. Seit ihrer Gründung 1983 haben sie sich zu einem auch überregional etablierten und anerkannten kulturellen Event mit Rang und Namen entwickelt. Mittlerweile haben mehr als 316.000 Besucher die Veranstaltungen auf dem Schloss des Hauses von Baden in Zwingenberg besucht.

Die Festspielsaison 2022 hat nach den pandemiebedingten Einschränkungen wieder im Schlosshof stattfinden können. Mit 7328 Besuchern und 85 Prozent Gesamtauslastung ist es dabei gelungen, fast an das Rekordjahr 2019, also die Zeit vor Corona, anzuknüpfen. Damals lag die Auslastung bei 87,24 Prozent.

Aktuell stehen die Schlossfestspiele, wie bei der Sitzung des Schul-, Kultur- und Partnerschaftsausschusses am Montag in Buchen deutlich wurde, jedoch an einem Scheideweg. Wirtschaftlich gesehen war 2022 nicht ganz so erfolgreich wie auf der Bühne. Es zeigt sich immer deutlicher, dass die Schlossfestspiele trotz sehr guter Auslastung und Unterstützung durch das Land Baden-Württemberg (60.000 Euro Zuschuss), den Neckar-Odenwald-Kreis (55.000 Euro) und diverse Sponsoren einfach keine "schwarze Null" mehr erreichen können.

"Wenn es nicht gelingt, die Finanzierung der Schlossfestspiele auf eine wesentlich bessere Basis zu stellen, wird die 40. Spielzeit deshalb zugleich auch die letzte gewesen sein", brachte es Landrat Dr. Achim Brötel, der auch Vorsitzender des Trägervereins der Festspiele ist, auf den Punkt. Gleichzeitig steuern die Schlossfestspiele im Jubiläumsjahr 2023 auf eine neuerliche Rekordauslastung zu. "Noch nie waren die Vorverkaufszahlen so hoch. Um die 50 Prozent der Karten sind bereits verkauft worden", berichtete Brötel. Die ersten Veranstaltungen sind schon vollständig oder nahezu ausverkauft.

2022 haben die Schlossfestspiele durch die gute Besucherresonanz 55,6 Prozent ihres Gesamtetats von rund 430.000 Euro durch Eintrittsgelder decken können. Das ist ein sehr hoher Wert, den andere Festspiele selten erreichen – oft liegt der Vergleichswert dort unter zehn Prozent.

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Die schwarze Null sei, wie der Erste Landesbeamte Dr. Björn-Christian Kleih erläuterte, aus folgenden Gründen jedoch nicht möglich: Die einmalige Spielstätte, die den Festspielen ihren besonderen Charakter gibt, ist zugleich eine Herausforderung: Auf dem Schloss ist so gut wie nichts vorhanden, was man für die Ausrichtung solcher Festspiele braucht. Insbesondere in technischer Hinsicht muss ein gewaltiger Aufwand geleistet werden, der durch die großen Musical-Produktionen weiter steigt und entsprechend seinen Preis kostet. Hinzu kommen deutlich gestiegene Kosten für den Shuttlebus zum Schloss.

Zudem brauchen die Festspiele – trotz hohen ehrenamtlichen Engagements – immer mehr Mitwirkende hinter und vor der Bühne, um die Arbeiten im engen Zeitrahmen überhaupt leisten zu können. Neben allgemeinen Kostensteigerungen, die auch die Schlossfestspiele treffen, wird es zunehmend problematischer, mit den schon lange nicht marktfähigen Gagen, die die Festspiele bezahlen können, hochklassige Besetzungen zu finden. Ein großes Problem ist auch, dass die Digeno nach dem altersbedingten Ausscheiden der bislang verantwortlichen Mitarbeiterin nach der Spielzeit 2023 nicht mehr bereit ist, die Geschäftsstelle fortzuführen.

Finanziell stoßen die Schlossfestspiele somit zunehmend an ihre Grenzen. Das negative Jahresergebnis in einer Höhe von 16.501,86 Euro konnte durch eine Entnahme aus der Rücklage gedeckt werden. Dort stehen für 2023 und die Folgejahre nur noch rund 100.000 Euro zur Verfügung. Möglicherweise wird mehr als die Hälfte davon schon jetzt für die laufende Spielzeit gebraucht.

Nachdem die Festspiele aber längst zu einem ganz besonderen Aushängeschild geworden sind und geradezu beispielhaft für das kulturelle Angebot im ländlichen Raum stehen, hat die Verwaltung in den letzten Wochen ein denkbares Zukunftsszenario entwickelt, das Erster Landesbeamter Kleih in der Ausschusssitzung am Montag präsentierte und das vom Gremium einstimmig beschlossen wurde: Der Landkreis schafft ab 2023 eine zusätzliche Stelle im Bereich Kultur zur Unterstützung des Vereins Schlossfestspiele Zwingenberg. Die Personalstelle wird dem Verein zur Organisation der Festspiele zur Verfügung gestellt. Die Personalkosten werden dem Verein am Jahresende in Rechnung gestellt.

Zudem wird der Zuschuss des Landkreises an den Verein Schlossfestspiele für das Jahr 2023 von bisher 55.000 Euro auf 82.500 Euro erhöht. Ab 2024 beträgt der jährliche Zuschuss dann 110.000 Euro. Der Kreistagsausschuss genehmigte die im Haushaltsjahr 2023 dadurch entstehenden überplanmäßigen Aufwendungen.

Wie stark die Festspiele in der Region verwurzelt sind, zeigten auch die Stellungnahmen der Fraktionen: Sabine Schweiger (CDU) bezeichnete die Festspiele als "kulturelle Perle" und Institution, die man "nicht verhungern lassen" dürfe. Heide Lochmann (SPD) würdigte sie als "besonderes Aushängeschild", Volker Rohm (Freie Wähler) schloss sich an und unterstrich die Wichtigkeit der Fortsetzung der Schlossfestspiele. In der Diskussion wurde kurz ein etwaiger Wechsel des Spielorts angerissen, was schnell verworfen wurde. Heide Lochmann unterstrich: "Das Schloss als Veranstaltungsort ist wichtig für den besonderen Charakter der Festspiele."


Die großen Produktionen der Zwingenberger Festspielsaison 2022, die Oper "Tosca" von Giacomo Puccini und das Musical "Rock of Ages", aber auch die Gala unter dem Motto "Eine Musicalnacht unter Sternen", das Familienfest und die "Afrikanischen Nächte" mit der Gruppe "MoZuluArt" sind nicht nur beim Publikum hervorragend angekommen, sondern auch vom überregionalen Feuilleton gefeiert worden. Das Rahmenprogramm und das Familienfest waren ausverkauft, und auch die große Musical-Gala (78 Prozent Auslastung) wurde mit stehenden Ovationen gefeiert. Die eigene Musical-Produktion "Rock of Ages", eine Zeitreise in die 80er-Jahre mit einem einfallsreichen Bühnenbild und den dazu passenden Kostümen, ist ebenfalls begeistert aufgenommen worden. Zwei der sechs Vorstellungen waren ausverkauft. Insgesamt hatte das Musical eine Auslastung von 88 Prozent. Auch die Oper "Tosca" in einer Inszenierung von Sascha Oliver Bauer mit einem Festspielorchester, das so groß war wie noch nie zuvor in Zwingenberg (55 Musiker), hatte über 83 Prozent Auslastung. Das zeigt, dass auch die Oper in Zwingenberg nach wie vor "läuft", wenngleich schon festzustellen ist, dass der Trend tendenziell eher in Richtung leichtere Unterhaltung geht. tra

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