Die Meldungen zu Kindeswohlgefährdung haben sich verdoppelt
Kreistagsausschuss für Gesundheit und Soziales tagte und beriet über massive Auswirkungen der Corona-Pandemie im sozialen Bereich

Haßmersheim. (lra) Einen weiteren Zwischenbericht über die Auswirkungen der Corona-Pandemie legte die Landkreisverwaltung am Mittwoch dem Kreistagsausschuss für Gesundheit und Soziales bei einer Sitzung in Haßmersheim vor. "Aufgrund der Herausforderungen war es uns von Anfang an wichtig, Sie regelmäßig über unser Vorgehen zu informieren", sagte Landrat Dr. Achim Brötel.
Im Einzelnen stellte die Leiterin des Fachbereichs Jugend und Soziales des Landratsamts, Renate Körber, die Pandemie-bedingten Herausforderungen vor. "Die Maßnahmen gegen Covid-19 haben massive Auswirkungen auf das soziale Leben und damit auch auf die sozialen Einrichtungen und Dienstleistungen", stellte Körber fest. So hätten soziale Einrichtungen zum Teil ihre Leistungen ganz oder teilweise nicht mehr erbringen können. Die Zielsetzung der Landratsamtsmitarbeiter sei es gewesen, die individuellen Bedarfe der Leistungsberechtigten dennoch sicherzustellen sowie den Bestand an sozialen Einrichtungen zu erhalten. "Dabei war es eine große Aufgabe, die Vielzahl neuer Verordnungen umzusetzen", betonte Körber
Auch auf dem Arbeitsmarkt bekomme man die Auswirkungen mit einem Anstieg der Arbeitslosenquote auf vier Prozent unmittelbar zu spüren. Entsprechend hätten die Fallzahlen im Jobcenter seit Ausbruch der Pandemie stark zugenommen und die Zahl der Bedarfsgemeinschaften sei um rund 240 gestiegen. Umgekehrt seien natürlich auf allen Ebenen große Anstrengungen unternommen worden, um die Folgen der Pandemie gerade im Sozialbereich abzumildern. Sie verwies auf das "Sozialschutzpaket", das einen erleichterten Zugang zu Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II ermöglicht, aber auch auf etliche Maßnahmen im Jobcenter wie auch in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen, die oft unter dem Wegfall der Tagesstruktur gelitten hätten. Das Frauen- und Kinderschutzhaus sei als wichtige Anlaufstelle durchgehend geöffnet gewesen. "Die Belegung ist allerdings auf rund 40 Prozent zurückgegangen, da sich viele Frauen nicht getraut haben, den eigentlich notwendigen Schritt in das Frauenhaus zu tun."
Ebenso eindrücklich habe sich die Pandemie im Bereich des Jugendamts ausgewirkt. Da die Mitarbeiter zunächst den persönlichen Kontakt reduzieren mussten, war das gewohnte Arbeiten bei den Familien sehr schwierig. Auch hier sei deshalb die Gesamtfallzahl zurückgegangen, aber es habe eine Verdopplung bei den Meldungen von Kindeswohlgefährdungen gegeben. "Wir werten es als gutes Zeichen, dass trotz geschlossener Gemeinschaftseinrichtungen die Kinder weiterhin aufmerksam in den Blick genommen wurden", erklärte Körber. Auch in der Pandemie gehe man jedem Kinderschutzfall mit den entsprechenden Schutzmaßnahmen nach. Die finanziellen Auswirkungen im Sozialbereich bewegten sich derzeit noch im Rahmen der Ansätze, konnte Körber mit Blick auf die Haushaltsauswirkungen beruhigen.
Abschließend verwies Körber darauf, dass der Sozialbericht für das vergangene Jahr aufgrund des aktuellen Berichts nicht ausführlich vorgestellt werde. Er wurde aber auf der Webseite des Landkreises veröffentlicht.
Anschließend berichtete die Beauftragte für Menschen mit Behinderungen, Jutta Schüle, über ihre Tätigkeit. "Ich bin Unterstützerin und Interessensvertreterin für Menschen mit Behinderungen, ebenso eine Beraterin für die Kommunen und Kooperationspartnerin für Einrichtungen und Verbände", erklärte Schüle ihre Aufgabe. Einen großen Fokus lege sie auf die Öffentlichkeits- und Projektarbeit, wobei sie das erfolgreiche Theaterprojekt "(K)ein Alltägliches Theater" ebenso wie ein Inklusionsprojekt auf dem Arbeitsmarkt als Beispiel anführte.
Wichtig sei ihr konsequente Barrierefreiheit: "Zunächst ist das natürlich die bauliche Barrierefreiheit, aber mir geht es auch um Barrierefreiheit beispielsweise im Internet." Insgesamt sei sie mit dem Erreichten zufrieden. "Aber ich habe noch viel vor", betonte sie.
Zudem erhielt der Ausschuss erneut einen Bericht über die Umsetzung der dritten Reformstufe des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) im Kreis. "Es hat sich einiges getan, insbesondere bei der Kostenerstattung haben wir ein zähes, aber erfolgreiches Ringen hinter uns", erklärte Brötel mit Blick auf den Ausgleich der Mehrkosten, die durch das BTHG verursacht werden. Demnach entfallen auf den Kreis für die Jahre 2020 und 2021 jeweils rund 775.000 Euro. Dem stehe allerdings allein 2020 ein erwarteter BTHG-bedingter Mehraufwand von rund 1,1 Millionen Euro gegenüber, der sich jedoch im Jahresverlauf noch relativieren könnte, da die prognostizierten Kostensteigerungen durch den anstehenden neuen Rahmenvertrag zeitverzögert eintreten werden. Dieser Rahmenvertrag, also das Grundgerüst für sämtliche Leistungsangebote in den einzelnen Stadt- und Landkreisen, liege, so Brötel, leider noch nicht vor. Auch habe die Pandemie der gewollten Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der Menschen mit Behinderung entgegengewirkt: "Im Hinblick auf die Umsetzung des BTHG hat die Corona-Pandemie mindestens zu einer Stagnation, wenn nicht gar zu einem Rückschritt geführt", stellte Brötel fest. Mit dem Ende der Corona-bedingten Schließungen der Werkstätten und anderer Gruppenangebote werde zwischenzeitlich zumindest wieder eine regelmäßige Tagesstruktur angeboten.
Schließlich bewilligte das Gremium dem Diakonischen Werk im Neckar-Odenwald-Kreis für den Betrieb des Arbeitslosenberatungszentrums in Mosbach für das Jahr 2021 einen Landkreiszuschuss in Höhe von 5000 Euro. "In dem Zentrum wird seit 2013 gute Arbeit geleistet", sagte Brötel. Auch die Stadt Mosbach finanziere das Zentrum mit 3000 Euro mit. Zuletzt informierte der Landrat darüber, dass inzwischen die Zusage zur Einrichtung einer Kommunalen Pflegekonferenz vorliege und diese vom Land mit 60.000 Euro gefördert werde. Brötel sah darin eine Bestätigung der bisherigen guten Arbeit im Rahmen des Fachbeirats Senioren und Pflege, aber auch in der Kommunalen Gesundheitskonferenz.



