Neckar-Odenwald-Kliniken

Krankenhäuser rutschen noch tiefer in rote Zahlen

Kreisräte diskutierten im Gesundheitsausschuss kontrovers über das Defizit - Anfrage der grünen Fraktion

19.11.2019 UPDATE: 20.11.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 14 Sekunden
Die Neckar-Odenwald-Kliniken mit den Standorten in Mosbach und Buchen (Foto) werden voraussichtlich einen (noch) höheren Verlust 2019 schreiben. Landrat Brötel rechnete im Gesundheitsausschuss mit einem Defizit von mindestens zwölf Millionen Euro. Foto: R. Busch

Von Alexander Rechner

Neckar-Odenwald-Kreis. Die Neckar-Odenwald-Kliniken sind tiefer ins Minus gerutscht als noch in der Oktober-Sitzung des Kreistags angenommen. "Allein von Januar bis Oktober 2019 ist ein Verlust von rund 9,6 Millionen Euro aufgelaufen", gab Landrat Dr. Achim Brötel als (erneute) Hiobsbotschaft in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales am Montagabend im Neckarzimmerner Rathaus bekannt.

Der Landrat rechnete gar mit einem Jahresverlust von mindestens zwölf Millionen Euro. Dagegen war man Mitte vergangenen Monats – bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs 2020 – noch von einem Verlust von zehn Millionen Euro für das laufende Jahr ausgegangen.

Hintergrund

Die Lage der Neckar-Odenwald-Kliniken ist für Landrat Dr. Achim Brötel dramatisch. In der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales am Montagabend stimmte er darauf ein, dass man sich auf ein noch höheres Defizit als bisher befürchtet einstellen müsse

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Die Lage der Neckar-Odenwald-Kliniken ist für Landrat Dr. Achim Brötel dramatisch. In der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales am Montagabend stimmte er darauf ein, dass man sich auf ein noch höheres Defizit als bisher befürchtet einstellen müsse (siehe gesonderter Beitrag). Deshalb habe die Klinik-Geschäftsführung mit Frank Hehn an der Spitze aktuell den Auftrag, gemeinsam mit den Chefärzten bis Ende November einen Maßnahmenplan zu erarbeiten. Über den soll dann erstmals der Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 5. Dezember beraten – einen Tag nach der kommenden Kreistagssitzung. Und im Januar sollen dann die zuständigen Gremien darüber beraten (voraussichtlich am 29. Januar wird der Kreistag das Thema öffentlich erörtern). Dies geht auch aus der Tischvorlage für die kommende Zusammenkunft des Kreistags hervor.

"Trotz aller Bemühungen ist es bislang nicht gelungen, die wirtschaftliche Lage der Neckar-Odenwald-Kliniken zu stabilisieren und den vom Kreis zu leistenden Defizitausgleich auf ein akzeptables Maß zu begrenzen", heißt es in der Vorlage an die Kreisräte. Die Entwicklung sei inzwischen noch dramatischer. "Die Ergebnisse der Neckar-Odenwald-Kliniken stürzen derzeit nahezu ins Bodenlose", so formuliert es die Kreisverwaltung darin. Und nur für einen kleinen Teil davon sei im Kreishaushalt 2019 Vorsorge getroffen. Ursprünglich war der von der Geschäftsführung vorgeschlagene und auf dieser Basis vom Aufsichtsrat beschlossene Wirtschaftsplan der Kliniken nur von einem Jahresverlust von rund 4,4 Millionen Euro ausgegangen. Der finanzielle Ausgleich für das laufenden Jahr und vermutlich die Vorsorge für 2020 stellen den Kreishaushalt "vor eine kaum noch zu bewältigende Herausforderung".

Für Landrat Brötel geht es längst nicht mehr darum, was der Landkreis sich leisten möchte, sondern schlicht und ergreifend darum, was man sich überhaupt noch leisten könne, betonte der Kreischef in der Ausschusssitzung. Die aktuelle Entwicklung der Ergebnisse duldet der Kreisverwaltung zufolge in zeitlicher Hinsicht allerdings keinen weiteren Aufschub mehr. Dabei dürfe es auch keine Denkverbote und Tabus geben.

Obendrein habe die Veräußerung des Wohn- und Pflegezentrums Hüffenhardt nicht etwa Geld in die Kreiskasse gespült, sondern belaste den Landkreis zusätzlich. 2020 komme es zu einem einmaligen Sondereffekt in einer Größenordnung von voraussichtlich rund 2,3 Millionen Euro, der auch noch zusätzlich gestemmt werden muss. Denn: Damit die Mitarbeiter(innen) ihre bei der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbands erworbenen Anwartschaften auf eine Zusatzversorgung in der Rente nicht verlieren, nimmt der Landkreis diesen Betrag in die Hand.

In der Vorlage wird auch betont, dass die Verwaltung im Rahmen einer Internet-Recherche der Beteiligungsberichte eine landesweite Übersicht der Jahresergebnisse 2016, 2017 und (soweit bereits verfügbar) auch 2018 erstellt habe. Daraus ergibt sich dem Landratsamt zufolge, dass nahezu alle rein kommunalen Krankenhäuser in Baden-Württemberg (mit nur ganz wenigen Ausnahmen) mit Verlusten zu kämpfen haben, die teilweise noch deutlich höher sind als die im Neckar-Odenwald-Kreis. "Auffallend ist im Übrigen auch, dass kommunale Häuser mit privater Beteiligung durchweg wesentlich bessere Jahresergebnisse erzielen", heißt es weiter.

Der Neckar-Odenwald-Kreis hat seit dem Jahr 2009 mehr als 62 Millionen Euro Verlustausgleich geleistet, hinzukommen die nun anstehenden zwölf Millionen Euro. Diese Summe gab man aus, um die stationäre medizinische Grund- und Regelversorgung aufrechtzuerhalten. (ar)

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Das Thema "Defizit der Neckar-Odenwald-Kliniken" stand eigentlich in der Ausschusssitzung gar nicht auf der Agenda, doch die grüne Kreistagsfraktion brachte es mit ihrer Anfrage zum Ende der Zusammenkunft auf den Tisch. Und sie löste damit auch eine kontroverse Diskussion aus. "Wir werden heute in öffentlicher Sitzung unter dem Tagesordnungspunkt ,Mitteilungen und Anfragen’ zum Sachstand der Neckar-Odenwald-Kliniken nachfragen. Wir bestehen auf diese Fragestellung in öffentlicher Sitzung, weil alle Bürgermeister und die Bürgermeisterin im Neckar-Odenwald-Kreis von Landrat Achim Brötel über einen möglichen (Teil-)Verkauf der Kliniken informiert wurden und damit in unseren Augen Öffentlichkeit hergestellt wurde", sagte Anton Fleischmann.

Die grüne Fraktion stellte dem Landrat gleich mehrere Fragen. So unter anderem: "Werden bereits Verhandlungen mit privaten Betreibern geführt? Wenn ja, seit wann und mit wem?" oder "Warum wurden alle Bürgermeister informiert, der Kreistag in seiner Gesamtheit aber noch nicht?"

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Der Landrat machte keinen Hehl daraus, dass Kämmerer Michael Schork und er in einer nichtöffentlichen Tagung der hiesigen Bürgermeister den Entwurf des Kreishaushaltes vorgestellt und in einer Generalaussprache mit den Gemeindeoberhäuptern über kreisrelevante Themen gesprochen hätten. Kreisrätin Gabriele Teichmann (SPD) hatte dennoch das Empfinden, zu wenig informiert zu werden. "Bürgermeister werden vor dem Kreistag unterrichtet", kritisierte Teichmann, die größere Transparenz einforderte. Dies wollte der Landrat so nicht stehen lassen, er wolle sehr wohl Transparenz.

So werde dem Kreistag in seiner kommenden Sitzung am Mittwoch, 4. Dezember, als Beschluss vorgeschlagen, dass die Klinik-Geschäftsführung künftig regelmäßig im öffentlichen Teil jeder Kreistagssitzung einen aktuellen Sachstandsbericht vorlegen soll. Einen solchen werde Kliniken-Geschäftsführer Frank Hehn dann auch bereits in der Dezembersitzung öffentlich und transparent liefern, so Brötel weiter.

Deutliche Unterstützung erfuhr der Landrat von den Bürgermeistern Jens Wittmann (Fahrenbach), Rainer Houck (Schefflenz) und Sabine Schweiger (Aglasterhausen). Der im Raum stehende Vorwurf, dass mit den Bürgermeistern vorab Absprachen getroffen worden seien, empfanden Schweiger und Houck als eine "Frechheit".

Für Jens Wittmann ist es vielmehr nachvollziehbar, dass die Verantwortlichen der Kommunen in geschütztem Rahmen über künftige Herausforderungen mit den Verantwortlichen des Kreises sprechen, schließlich seien die Gemeinden im Landkreis über die Kreisumlage die Hauptfinanziers. Und gerade die Erhöhung der Kreisumlage um drei Prozentpunkte sei dem Fahrenbacher Bürgermeister zufolge für die Städte und Gemeinden im Landkreis (äußerst) schmerzhaft.

Auch das Seckacher Gemeindeoberhaupt Thomas Ludwig, Sprecher aller Bürgermeister im Neckar-Odenwald-Kreis, bekräftigte gegenüber der RNZ, dass man sich in dieser jährlichen Klausurtagung zwar über kreisrelevante Themen wie die Neckar-Odenwald-Kliniken ausgetauscht, aber eben "in keiner Weise eine Handlungsoption priorisiert" habe.

Auf Nachfrage von Kreisrat Tobias Eckert (AfD), ob es nun schon Verhandlungen mit einem privaten Betreiber gegeben habe, betonte Achim Brötel, dass er vom Kreistag dafür kein Mandat habe. Dafür müsste zunächst ein Bieterverfahren vorgenommen werden. Verhandlungen habe es daher noch keine gegeben.

Der Landrat beschwor, bei dieser schwierigen Operation sachorientiert und verantwortungsbewusst vorzugehen. Darin war er sich auch mit Kreisrat Karlheinz Graner (SPD) einig, der für einen sachlichen und offenen Umgang mit diesem Thema plädierte.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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