Stadtplaner Jan Schultheiß sieht eine "vertane Chance" beim Röll-Areal
Dass für den geplanten Neubau neben der Industriebrache eine ganze Gruppe historischer Gebäude abgerissen wurde, sei höchst bedauerlich.

Mosbach. (schat) Über Geschmack lässt sich streiten, das ist nicht neu. Und bei jeder Veränderung oder Neuentwicklung besteht die Gefahr, dass sie nicht unbedingt den Geschmack und auf Zustimmung trifft. In einer Stadt wie Mosbach kommt es immer wieder zu derlei Neuentwicklungen – und nicht immer lösen sie ausschließlich Begeisterung aus.
Jüngstes Beispiel ist die Umgestaltung des ehemaligen Autohausareals an der Bundesstraße 27, an dem viele Jahre Spitzer und zuletzt die Unternehmensgruppe Röll ansässig war. Dort entwickelt Schoofs Immobilien eine Neubebauung, in der 47 Mietwohnungen und ein Lebensmittel-Vollsortimenter Platz finden sollen. Der Gemeinderat hat das Projekt mit klarer Mehrheit auf den Weg gebracht, gleichwohl gab es kritische Stimmen, unter anderem vonseiten der Industrie- und Handelskammer, die befürchten, das neue Areal könne Frequenz (und Umsatz) aus der Altstadt abziehen.
Diese Gefahr sieht auch der in Mosbach aufgewachsene Jan Schultheiß, der in der Bundeshauptstadt Berlin im Fach, nämlich als Stadtplaner, tätig ist. Zwar sei die Kombination Wohnen/Einkaufen für eine solche Neuentwicklung grundsätzlich begrüßenswert, aber durch einen zusätzlichen großflächigen und vor allem autogerechten Einzelhandelsstandort drohe die Innenstadt weiter an Attraktivität und urbanem Leben einzubüßen.
Dass für den geplanten Neubau neben der Industriebrache eine ganze Gruppe historischer Gebäude abgerissen wurde, sei höchst bedauerlich, so Schultheiß weiter. "Einst war dies Teil eines bedeutenden gründerzeitlichen Ensembles im Eingangsbereich von Mosbach", skizziert der Stadtplaner und Kunsthistoriker mit Mosbacher Wurzeln. Das an diese Stelle rückende neue Gebäudeensemble präge eine typische "Investorenarchitektur", die städtebaulich wenig sensibel sei, die Raumkante aufbreche und den Stadteingang weiter "zerfasert".
"Hätte es nicht ein attraktives, vielversprechendes Eingangstor zur Stadt werden können, das das neue Center behutsam in den Bestand einfügt und alt mit neu verbindet?", fragt sich Schultheiß, der von einer "vertanen Chance" spricht. "Dabei geht es bei einer am Bestand orientierten, denkmalgerechten Stadtentwicklung nicht nur um herausragende, eingetragene Denkmale, sondern gerade um die ,leise’, geschlossene historische Bausubstanz im Hintergrund und deren behutsame Weiterentwicklung", führt der Stadtplaner aus Berlin weiter aus. "Die macht ein Stadtbild überhaupt erst besonders und verleiht Identität."
Mosbach habe durch verschiedene Maßnahmen hier schon viel an Bausubstanz und Lebendigkeit eingebüßt, und diese Entwicklung sei leider nicht nach den berüchtigten 1960er- und 70er-Jahren gestoppt worden, sondern habe sich über die 90er-Jahre bis heute fortgesetzt. Den alten Bahnhof und dessen Umfeld sieht Schultheiß hier ebenso als Beispiel wie das Majolika-Center.
Die Zentrenentwicklung seiner Heimatstadt verfolge er aus der Ferne oder eben bei Besuchen vor Ort zunehmend "mit Bauchschmerzen", sagt der Mosbacher an der Spree. Schultheiß’ Appell an die Entscheidungsträger in Mosbach und auf Landesebene ist, "das besondere Erbe und Alleinstellungsmerkmal der Stadt – ihr historisches Zentrum – mit großer Sorgfalt, bewusster Sensibilität und schützendem Weitblick zu gestalten."
