Mosbach: 150 Hektar des Nüstenbachtals bekamen Prädikat "Naturschutzgebiet"

Es wird "auch eine Art von Asyl geschaffen", für die Tiere und Pflanzen im Nüstenbachtal.

13.10.2015 UPDATE: 14.10.2015 06:00 Uhr 1 Minute, 43 Sekunden

Das Nüstenbachtal ist schön, ohne Zweifel: Seit gestern ist es offiziell ein Naturschutzgebiet. Archiv-Foto: Judith Blüthner

Von Ursula Brinkmann

Mosbach. Für die Redner beim feierlichen Akt, der die Ausweisung von beträchtlichen Flächen im Nüstenbachtal als Naturschutzgebiet bedeutet, war es eine angenehme Abwechslung zum Dauerthema Asyl. Oberbürgermeister Michael Jann war es schon gewohnt, Regierungspräsidentin Nicolette Kressl und/oder den Ersten Landesbeamter Dr. Björn-Christian Kleih immer öfter dann zu treffen, wenn die Flüchtlingsunterbringung Thema ist. "Heute aber sind wir hier im Rathaus wegen was ganz, ganz anderem zusammen gekommen", meinte der OB, "hier wird auch eine Art von Asyl geschaffen." Gemeint ist der 146 Hektar umfassenden Lebensraum von seltenen und schützenswerten Tieren und Pflanzen im beschaulichen Nüstenbacher Tal.

Hintergrund

Die Artenfülle im Nüstenbach ist beeindruckend: Hier lebt eine der letzten Populationen des Steinkrebses in Baden-Württemberg, der durch die Krebspest stark gefährdet ist, hier aber durch ein Wehr vor der Ansteckung geschützt ist. 49 Brutvogelarten wurden nachgewiesen,

[+] Lesen Sie mehr

Die Artenfülle im Nüstenbach ist beeindruckend: Hier lebt eine der letzten Populationen des Steinkrebses in Baden-Württemberg, der durch die Krebspest stark gefährdet ist, hier aber durch ein Wehr vor der Ansteckung geschützt ist. 49 Brutvogelarten wurden nachgewiesen, darunter die stark gefährdeten Arten Waldlaubsänger und Wendehals, die gefährdeten Arten Baumpieper und Feldlerche sowie Grün- und Schwarzspecht. Die Wiesen beheimaten 59 Tagfalterarten, darunter den Großen Feuerfalter sowie rekordverdächtige 19 Heuschreckenarten (in intensiv genutzten Wiesen findet man sonst zwei oder drei Arten). Sieben Fledermausarten leben im Nüstenbachtal, darunter auch das vom Aussterben bedrohte Graue Langohr. Das Regierungspräsidium stuft daher das Nüstenbachtal als Naturschutzgebiet von landesweiter Bedeutung ein.

Mit der Ausweisung der Nüstenbacher Schutzflächen hat die Stadt Mosbach ihr siebtes Naturschutzgebiet auf ihrer Gemarkung, der Neckar-Odenwald-Kreis sein 27. Und das Land sein 227. Naturschutzgebiet. (ub)

[-] Weniger anzeigen

Vor genau elf Monaten war der Verordnungsentwurf in Mosbach vorgestellt worden. Nach der Offenlage war Zeit für Einwendungen. Solche hatten Mosbacher Bürger bereits bei diversen Informationsveranstaltungen geäußert. Doch letztlich seien nur acht Einwendungen im Regierungspräsidium eingegangen, wertete Kressl dies als "weitgehende Akzeptanz".

Diese erkannte sie auch im Mosbacher Gemeinderat (und dankte ihm dies), der einstimmig im November 2014 für die Ausweisung votiert hatte. Schließlich kann damit dem zentralen Anliegen der Unterschutzstellung eine langfristige finanzielle Absicherung durch öffentliche Mittel gewährleistet werden. Extensive Wiesenpflege in der Art und Weise, wie sie in diesem einzigartigen Naturraum gefordert ist, sichert Landwirten eine Existenz.

Weiterer Dank galt Jann und der Mosbacher Verwaltung sowie dem Landratsamt als Unterer Naturschutzbehörde sowie dem Verein "Natur- und Landschaftsschutz Nüstenbach" und dem Naturschutzbund Nabu, die seit Jahrzehnten der Verbuschung der Steilflanken entgegenwirkten. Ihre Vertreter Helmut Schnatterbeck und Robert Hofacker sowie Peter Baust ließen sich das Ereignis der Unterzeichnung nicht entgehen. "Schwerstarbeit" (Kressl) leistet auch und insbesondere - vertraglich geregelt - der Nüstenbacher Landwirt Friedrich Hildenbrand, dem die Festgäste dafür Applaus spendeten.

Auch interessant
: Wenn der Landwirt per Vertrag zum Naturschützer wird
: Mosbach-Nüstenbach: Eine intakte Landschaft gibt es nicht umsonst
: Was man nicht kennt, ist schwer zu schützen

Solchen bekamen auch Beate Müller-Haug und Dr. Christoph Aly vom Regierungspräsidium, die das zweijährige Verfahren maßgeblich verantwortet haben; mit ihnen nach Mosbach gekommen war der Leitende Regierungsdirektor Alexander Zink. "Ihr Engagement", würdigte OB Jann die Arbeit der hauptamtlichen Naturschützer, "ging weit über das übliche Maß hinaus". Dr. Kleih, der die offizielle Ausweisung als Rechtsakt bezeichnete, der "sich vor der Schöpfung verneigt", wünschte sich - zusammen mit den anderen Rednern -, dass das ehren- wie hauptamtlich bisher an den Tag gelegte Engagement nicht nachlassen möge. "Kümmern Sie sich weiter um Ihre wunderschöne Region", spornte Nicolette Kressl an.

Apropos kümmern: Das dürfen alle Eigentümer und Besitzer von Grundstücken im Naturschutzgebiet weiterhin tun. Zwar gebe es Einschränkungen, so Kressl, doch "Äpfel dürfen weiterhin geerntet, Wiesen gemäht werden." Auch das winterlicher Skivergnügen und die Mountainbike-Veranstaltung sind ausdrücklich zugelassen. "Die Menschen sollen sich in diesem Gebiet willkommen fühlen", hatte die Regierungspräsidentin betont. Ein Satz, der auch in eine Veranstaltung zur Asyl-Debatte gepasst hätte.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.