Mit scharfem Witz und vielen Stimmen
Kabarettist Thomas Schreckenberger zeigte im fideljo seine Klasse als Sprachvirtuose

Von Pia Geimer
Mosbach. Für ihn war der Abend im fideljo fast ein Heimspiel, denn der Kabarettist und studierte Realschullehrer Thomas Schreckenberger stammt aus dem Raum Sinsheim und teilte in seiner Begrüßung seine Erfahrungen mit den Zuhörern, die noch den ehemaligen Mosbacher Rockpalast kennen.
Damit war gleich das Eis gebrochen, und Schreckenberger konnte sich ohne weiteres Vorspiel kopfüber in sein Programm "Nur die Lüge zählt" hineinstürzen. Es ist sein inzwischen siebtes Soloprogramm in 20 Jahren auf der Bühne, und sein Wortwitz und seine treffsicheren Verkörperungen sind dabei nicht nur urkomisch und überaus witzig, sondern sie tun auch auf erstaunliche Weise gut beim Zuhören. Viel Zeit zum laut Lachen bleibt einem allerdings nicht, denn das Tempo ist hoch, und die nächste gut platzierte Pointe folgt der vorangegangenen oft in einem Nebensatz oder in einer eleganten Wendung verpackt.
Dass beim Stichwort "Lügen" die Sprache ziemlich gleich und auch immer wieder auf die Politik kommt, liegt nahe, wird doch in kaum einer Branche so viel und so deftig gelogen wie hier. Aber auch im Alltag ist sie immer mehr auf dem Vormarsch, und das buchstäblich. Schwurblern und Schwätzern bietet das Internet eine perfekte Spielwiese, die in die Realität hinein wuchert und unerwartete Allianzen schmiedet. Bei gewissen Spaziergängen laufen dann beispielsweise Rechtsextreme und Esoteriker zusammen, für die Schreckenberger das geniale Etikett "SiegHeil-Praktiker" erfindet.
Mit seinen erfindungsreichen Wortschöpfungen, aber auch mit seinem Talent, die Stimmen bekannter Personen erstaunlich genau nachzumachen, trifft er nur allzu oft genau ins Schwarze – was natürlich nicht immer nur schmeichelhaft ist für die von ihm porträtierten Ampelmännchen und selbst ernannten Oppositionsführer. Mit charakteristischen Gesten und Tonfällen bestückt er zum Vergnügen des Publikums im Alleingang eine ganze Folge "Markus Lanz" inklusive Moderation und lässt eine illustre Runde antreten, bestehend aus Karl Lauterbach, Winfried Kretschmann, Friedrich Merz, Günter Oettinger und Til Schweiger. Wäre vielleicht mal eine Alternative zu den echten Shows, in denen es inzwischen vielleicht mehr um persönliche Eitelkeiten als um Aufklärung und Information geht. Diese Fake-Markus-Lanz-Show als letzte große Nummer vor der Pause gehörte jedenfalls zu den unbestrittenen Höhepunkten des Programms. Im Englischen gibt es einen Ausdruck, der hier genau passen würde: "Hilarious!" (dt.: zum Schreien komisch).
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Ein bisschen schwarz ist sein Humor definitiv auch manchmal, aber meistens ist Schreckenberger einfach sehr kreativ und pointiert mit Gedanken- und Wortspielen unterwegs. Dabei transferiert er die politischen Akteure gerne mal in die Figuren von "Star Wars" oder "Herr der Ringe": Kretschmann als Meister Yoda (beide grün, unendlich weise und nicht in der Lage, Hochdeutsch zu sprechen), Merz als finsterer Darth Vader, der dem kleinen Luke Amthor eröffnet: "Ich bin dein Vater!" – oder ein komischer kleiner Roboter, dessen piepsende Äußerungen etwa so nützlich sind wie die von Andi Scheuer oder Jens Spahn.
Von der Politik geht es weiter zu den Alltagslügen: Die modernen Zeiten mit ihrem unerschöpflichen Reservoir an Merkwürdigkeiten inspirieren ihn zu einem veritablen Gedicht. Ob beim Homeschooling mit digitalen Neandertalern (aka: Lehrern), auf der Suche nach dem Priesternachwuchs in der katholischen Kirche (aka Körperwelten im Talar) oder Treuepunkten im Puff – überall findet er witzige Doppeldeutigkeiten und nimmt sie sprachgewandt auf die Schippe.
Herrlich sind seine Nachrichten mit der Stimme und dem unverkennbaren Habitus von Klaus Kinski. Den könnte man auch buchen für Kindergeburtstage, bietet Thomas Schreckenberger gut gelaunt an. In seiner letzten Nummer im Programm stellt er dann genau die Fragen, die man selbst gerne stellen würde. Und alleine, sie zu stellen – auf diese unverblümte, komödiantisch elegante Weise, wie er das tut –, ist irgendwie befriedigend. Auch wenn es natürlich an diesem Abend keine Antworten gibt. Denn die ernüchternde Wahrheit über die Wahrheit ist, dass sie keiner wirklich wissen will. Und deshalb wird so viel gelogen in der Welt.