"Mehr Integration und weniger Irritation"
Der Kreistag beschließt, Gemeinden beim "Pakt für Integration" in der Antragstellung zu unterstützen – Kritik an Landesregierung

Der "Pakt für Integration" sieht auch die Förderung verschiedener Integrationsprogramme vor, dazu zählen auch ehrenamtliche Initiativen wie auf unserer Aufnahme. Foto: Ursula Brinkmann
Von Ursula Brinkmann
Neckar-Odenwald-Kreis. Anfang April schlossen das Land Baden-Württemberg und die kommunalen Landesverbände einen Pakt, den "Pakt für Integration". Damit soll die Integration von Flüchtlingen, die eine Bleibeperspektive haben, in den Kommunen gefördert werden. Des Weiteren werden Deutschkurse finanziert und Maßnahmen, die das Ehrenamt stärken sollen. 2017 und 2018 reicht das Land insgesamt 320 Millionen Euro vom Bund an die Kommunen weiter. Nun beschloss der Kreistag in seiner Sitzung am Montag in Mudau einstimmig, aus dem Paktpaket jenen Teil als "freiwillige Aufgabe" zu übernehmen, der das Kernstück ist: das Integrationsmanagement, dessen Finanzierung mit 58 Mio. Euro pro Jahr (zusammen 116 Mio. Euro) veranschlagt ist. Geld für rund 1000 Integrationsmanager. Weitere 24 Mio. Euro fließen in Maßnahmen aus den Bereichen Schule und Übergang zum Beruf, Spracherwerb sowie bürgerschaftliches Engagement in der Kommune. Neben den Mitteln für diese konkreten Integrationsförderprogramme und -maßnahmen erhalten die Kommunen 180 Millionen Euro pauschal für den Bereich Integration.
Zwar soll das Geld den Städten und Gemeinden zur Verfügung gestellt werden, und diese können es beantragen. Das können aber auch die Landkreise für ihre Kommunen übernehmen und an die Bewilligungsstelle (Regierungspräsidium) weiterreichen. Freie Träger der Wohlfahrtspflege (Diakonie, Caritas, DRK) wiederum können die Aufgaben erledigen. Soweit der Pakt auf dem Papier.
In der Umsetzung wird es kompliziert. Von den 27 Kommunen des Neckar-Odenwald-Kreises wollen 20 keinen eigenen Förderantrag stellen und auf das Angebot des Landkreises eingehen. Beispielsweise können im Antrag nur Vollzeitstellen berücksichtigt werden, was eine kleine Gemeinde nicht aufbringen kann. Wird dieses Mindestvolumen nicht erreicht, können mehrere Gemeinden gemeinsam einen Antrag stellen, was die Sache nicht gerade einfacher macht. Zudem sieht es Landrat Dr. Brötel als geboten an, ein Integrationsmanagement aus einem Guss zu unterstützen.
Er machte in der Sitzung in Mudau aber auch keinen Hehl aus seiner Genervtheit über die Langsamkeit und Vorläufigkeit der Verhandlungen. Auch im Gremium wurde der Pakt kritisch diskutiert. CDU-Kreisrat Rainer Houck zeigte sich "überrascht", dass Sozial- und Integrationsminister Manfred Lucha mit Schreiben vom vergangenen Freitag nun einseitig die Rahmenbedingungen vorgebe. Jedoch: "Bis heute hat das Sozialministerium keine Förderrichtlinien erlassen." Am vergangenen Freitag hatte das Ministerium "vorläufige Hinweise zum Integrationsmanagement" herausgegeben; in der Einleitung ist von "alsbald zu erlassenden Zuwendungsrichtlinien" die Rede. Dr. Dorothee Schlegel, SPD-Abgeordnete im Kreis- wie im Bundestag, wünschte sich in der Aussprache folglich "mehr Pragmatismus und weniger Bürokratismus, mehr Integration und weniger Irritation".
Dass 20 Kreis-Gemeinden die Aufgaben des Integrationsmanagements dem Kreis übertragen wollen, heißt Houck gut, denn so könnten bewährte Betreuungsstrukturen weiter genutzt und ausgebaut werden. Als "unwürdiges Geschachere" bezeichnete Thomas Ludwig (Freie Wähler), was die derzeitige Landesregierung ebenso wie ihre Vorgängerin in puncto Integrationspolitik seit dem "Höhepunkt der Flüchtlingskrise" 2015 geboten hätten. Auch die Befristung des Pakts auf zwei Jahre sieht Ludwig sehr kritisch und appellierte daher schon jetzt in Richtung Stuttgart, die finanziellen Hilfen für diese "komplexe Aufgabe" nach 2018 weiter zu gewähren.
Gabriele Metzger (Bündnis 90/ Grüne) sprang dem Parteikollegen Lu-cha bei und befand, dass man doch relativ zügig zu einer Lösung gekommen sei. "Au-ßerdem sind Förderprogramme in der Regel zeitlich begrenzt", rechtfertigte sie das (vorläufige) Ende des jetzt gestarteten Pakts in knapp anderthalb Jahren.
Wie die Umsetzung des Pakts aktuell dort aussieht, wo die Hilfe ankommen soll, schilderte Buchens Bürgermeister und CDU-Kreisrat Roland Burger: "Diese Unsicherheit ist eine Katastrophe. Die Verträge mit den Sozialarbeitern laufen aus, die Leute sind fort, und nun will man sie mit Ein-Jahres-Verträgen locken. Das ist keine Arbeitsbasis." Man habe auf eigenes Risiko Leute eingestellt und hofft nun auf Mittel aus dem Topf für das Integrationsmanagement.
Immerhin: Für Personal, das in den Kommunen bereits im Bereich der sozialen Beratung und Begleitung von Flüchtlingen tätig ist, kann rückwirkend eine Förderung ab dem 1. Januar 2017 beantragt werden.



