Landwirtschaft

Der Neckar-Odenwald-Kreis wird vom Land zur Bio-Musterregion ernannt

Ministerpräsident Kretschmann: Starke Bio-Musterregionen bringen Vermarktung regionaler Bio-Lebensmittel weiter voran

05.02.2019 UPDATE: 05.02.2019 17:15 Uhr 3 Minuten, 27 Sekunden

Bei den Bio-Vermarktern in der Region, wie hier beim "Fritze-Beck" in Großeicholzheim, wurde die Nachricht aus Stuttgart mit großer Freude aufgenommen. Foto: Rüdiger Busch

Neckar-Odenwald/Stuttgart. (Wd/rüb) Im zweiten Versuch hat es endlich geklappt: Gestern wurde der Neckar-Odenwald-Kreis zur Bio-Musterregion ernannt. Groß ist die Freude bei Landrat Dr. Achim Brötel über die gestern durch Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Minister Peter Hauk verkündete Entscheidung. "Der zweite Anlauf unserer Bewerbung war erfolgreich. Das ist eine sehr gute Nachricht für die Region und eine große Chance, um uns in einem zukunftsträchtigen Segment weiter zu profilieren", sagte der Landrat unmittelbar nach der Bekanntgabe. Es zeige sich, dass Nähe und Transparenz in Zeiten globaler Warenströme immer wichtiger für die Verbraucher seien. Die Erzeugung und unmittelbare Vermarktung lokaler, nachhaltig erzeugter Produkte sei ein nicht zu unterschätzender Mehrwert gerade im ländlichen Raum.

Auch Bioland-Nudeln aus eigener Herstellung gibt es bei Selma Troißler in Großeicholzheim. Foto: Rüdiger Busch

Gleichzeitig wies Brötel allerdings auch darauf hin, dass es nicht darum gehe, die konventionelle Landwirtschaft gegen die ökologische auszuspielen: "Beide haben ohne Frage zu Recht ihren ganz eigenen Stellenwert. Und nach dem offiziellen Startschuss heute in Stuttgart liegt es jetzt an uns, durch die Einrichtung eines Regionalmanagements und die enge Zusammenarbeit aller landwirtschaftlichen Betriebe etwas aus der Ernennung zu machen. Wir stehen jedenfalls in den Startlöchern und danken dem Land ganz ausdrücklich für das in unsere Region gesetzte Vertrauen."

"Der Bio-Sektor in Baden-Württemberg wächst stetig. Immer mehr Menschen wollen wissen wie, aber auch wo ihre Lebensmittel produziert werden. Sie legen Wert auf regionale Bio-Lebensmittel. Die Nachfrage übersteigt mittlerweile das regionale Angebot deutlich. Dieses Nachfragepotenzial möchte die Landesregierung für die heimische Landwirtschaft sowie für Umwelt und Artenvielfalt nutzen und den ökologischen Landbau in unserem Land weiter stärken", sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann gestern in Stuttgart.

Der Neckar-Odenwald-Kreis ist Bio-Musterregion. Grafik: RNZ

"Der wachsende Öko-Markt in Baden-Württemberg bietet sehr gute wirtschaftliche Chancen für unsere heimischen Erzeuger und Verarbeiter", betonte Hauk. Die Landwirtschaft in Baden-Württemberg stehe für bäuerliche Familienbetriebe, Vielfalt, die Produktion hochwertiger Lebensmittel und den Erhalt einer besonderen Kulturlandschaft. Um diese Werte zu erhalten und weiterzuentwickeln sei es wichtig, die vorhandenen regionalen Marktchancen für die Betriebe im Land zu nutzen.

"Mit den fünf neuen Bio-Musterregionen in den Landkreisen Hohen- lohe/Schwäbisch Hall, Ludwigsburg/ Stuttgart, Emmendingen/Breisgau-Hochschwarzwald/Freiburg, Biberach und Neckar-Odenwald werden unsere bestehenden Bio-Musterregionen durch starke Partner ergänzt", erklärte Hauk.

Die vorgelegten Konzepte seien vielfältig, innovativ, ideenreich und handlungsorientiert, so der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Damit könne das Bewusstsein für ökologischen Landbau und für regionale Bio-Lebensmittel weiter gestärkt und in die Fläche getragen werden. Die wesentlichen Akteure, also die Landwirte, handwerkliche Verarbeiter und regionale Vermarkter, sollen durch ein vom Land gefördertes Regionalmanagement miteinander ins Gespräch gebracht werden. Das Regionalmanagement solle gemeinsam mit den Akteuren des Öko-Sektors vor Ort Maßnahmen für mehr Öko-Landbau in Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung entwickeln. "Dies wird zu einem Sogeffekt für Bio in den Regionen führen", so Minister Hauk. Über die Aktivitäten in den Regionen hinaus sei es Teil der Maßnahme, die neun Bio-Musterregionen miteinander zu vernetzen, gemeinsame Projekte zu entwickeln und so Impulse für das ganze Land zu setzen."

Im Regierungsbezirk Karlsruhe wird der Neckar-Odenwald-Kreis als neue Bio-Musterregion, neben der bereits bestehenden Bio-Musterregion Enzkreis, etabliert werden. Die Ideen und Maßnahmen knüpfen an vorhandene Strukturen an, so soll beispielsweise der in der Region stark vertretene Sektor der Christbaumerzeugung vermehrt öko-zertifiziert werden. Eine weitere Idee ist die Herstellung und Vermarktung eines "Odenwälder Käseherzes" mit Biomilch aus der Region.

Auch beim Kreis-Bauernverband freut man sich über die Ernennung. So betont Geschäftsführer Andreas Sigmund, dass man schon bei der Vorbereitung des Antrages intensiv mit eingebunden gewesen sei und es zudem einen Vorstandsbeschluss aus dem Jahr 2017 gebe, das Bestreben, Bio-Musterregion zu werden, voll zu unterstützen. Die Nachfrage nach Bio-Produkten sei allgemein stark gestiegen. Deshalb sei es sinnvoll, die Nachfrage mit heimischen Produkten zu bedienen, anstatt sie von anderswo einzuführen, sodass die heimischen Betriebe davon profitieren können.

Der Vorsitzende des Kreis-Bauernverbandes, Albert Gramling (Merchingen), der einen konventionellen Betrieb hat, freut sich vor allem über die Stärkung der Vermarktung von Bio-Produkten. Es gehe jedoch nicht um ein Ausspielen zwischen Bio- und konventioneller Landwirtschaft, sondern um ein weiteres partnerschaftliches Zusammenwirken. Gramling betont, dass konventionell erzeugte Ware mindestens genausogut sei wie Bio-Ware. Außerdem, so Gramling, gebe es im Landkreis keine Massentierhaltung.

Begeistert fiel gestern die Reaktion auf die Nachricht aus Stuttgart bei der Bäckerei "Fritze-Beck" in Großeicholzheim aus. Dort setzt Bäckermeister Andy Troißler den von seinem Vater vor 30 Jahren eingeschlagenen Weg des ökologischen Backens seit nunmehr zehn Jahren gemeinsam mit seiner Frau Selma erfolgreich fort. Was als Nischenprodukt begann, ist inzwischen Vollsortiment: 2017 haben die Troißlers komplett auf Bioland umgestellt. Ihre Zutaten bekommen sie beispielsweise von Biolandbauer Reinhold Würth aus Billigheim oder von Demeterlandwirt Frank Fellmann aus Kleineicholzheim geliefert. Daneben verkaufen sie weitere Produkte aus der Region wie Eier aus Bödigheim und Möckmühl, Grünkern aus Altheim, Bio-Honig aus Rosenberg, Wurst vom Heimentaler Biohof in Schefflenz oder Käse aus der Kirchenkäserei in Sindolsheim.

Der Aufwand, sich an die strengen Bioland-Vorgaben zu halten, ist immens. Zudem muss dem Kunden der Mehrpreis vermittelt werden. "Das geht nur, wenn man selbst von dem überzeugt ist, was man macht", verdeutlicht Selma Troißler. Diese Überzeugung teilen auch viele Stammkunden aus der Region, die in den Laden nach Großeicholzheim kommen, oder die Produkte vom "Fritze-Beck" in einem der zahlreichen Bioläden zwischen Eberbach und Heilbronn kaufen, die von den Troißlers beliefert werden.

Wie der Sachgebietsleiter für EU-Förderleistungen beim Landwirtschaftsamt, Oliver Peschke, auf Anfrage mitteilte, gibt es im Neckar-Odenwald-Kreis 57 Bio-Betriebe, Tendenz steigend, und 940 Betriebe, die konventionelle Landwirtschaft betreiben.

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