Wenn man bei der Predigt der alten Pfarrer fast einschläft
Sonntagsmessen kommen nicht gut an - Zu wenig Angebote für junge Menschen, zu viele alte Pfarrer

Nach der Konfirmation sieht man nur noch wenige der Jugendlichen im Sonntagsgottesdienst. Foto: Anthea Fischer
Von Anthea Fischer
Buchen. Mit viel Witz, Verständnis und mitten aus dem Leben predigt der evangelische Pfarrer Andreas Tabarius in einer immer vollen Kirche in der ZDF-Sendung "Herzensbrecher". Ihn und die Sendung macht aus, dass sie die Zuschauer nicht nur zum Lachen, sondern auch zum Nachdenken bringt sowie alltägliche Themen und Konflikte aufgegriffen werden.
Auch seine Kinder und andere Jugendliche sitzen in dem alten Gemäuer und hören sonntagmorgens gebannt zu - doch schaut man bei uns vor Ort in das Gotteshaus, so liegt der Altersdurchschnitt geschätzt über 55 Jahren und die Bänke sind nur teilweise gefüllt.
Da stellt sich die berechtigte Frage: Ist Kirche nur etwas für "alte" Menschen? Doch um diese Frage zu klären, ist es wichtig zu wissen, was Kirche überhaupt ist: Eine Institution? Ein Ort der Begegnung? Das Gebäude, in dem der Gottesdienst stattfindet? Oder vielleicht, wie die evangelische Pfarrerin Irmtraud Fischer sagen würde, "ein Ort der Gemeinschaft, an dem man gemeinsam Glauben lebt - und das im Idealfall für alle Generationen"?
Vermutlich ist die Kirche für jeden etwas anderes, auch wenn der allgemeine Konsens besteht, dass dort Gottesdienste gefeiert werden - nur dass Jugendliche diese wohl weniger als "Feier" als vielmehr als eine einschläfernde, sitzfleischstrapazierende und altmodische Stunde mit Gesang und viel Rumstehen sowie Zuhören beschreiben würden.
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"Es gibt zu viele alte Pfarrer - und entsprechend predigen sie auch", meint Judith Wießler resigniert. "Bei vielen fällt es so schwer zuzuhören, sodass man entweder fast einschläft oder die Gedanken vollkommen abschweifen", ergänzte Christine Roos, die - so wie ihre Freundin - viele Jahre im katholischen Jugendchor aktiv mitgesungen hat.
Kein Wunder also, dass es Jugendliche nicht gerade in den Sonntagsgottesdienst zieht.
Auch das Image der Kirchen spielt bei dieser Thematik eine Rolle. Skandale wie den um Bischof Tebartz-van Elst oder Regelungen, an denen die römisch-katholische Kirche festhält, wie den Zölibat oder dass nur Männer Priester werden können, erscheinen den Jugendlichen nicht zeitkonform.
Andererseits versuchen die Kirchen, Kinder und Jugendliche für Glauben, der im Alltag gelebt wird, zu begeistern. Der Jugendchor St. Oswald beispielsweise kann nicht nur durch die Freude am Singen, sondern auch Chorfreizeiten punkten. Ob Paris, Barcelona oder Stockholm, die Kinder und Jugendlichen machen viel mehr gemeinsam als nur zu singen. Viele modernere Lieder bereichern zudem das vielfältige Repertoire.
Aber auch für diejenigen, deren Herz nicht fürs Singen schlägt, gibt es Angebote: Im evangelischen Jugendkeller in Buchen finden gleich an zwei Abenden der Woche für verschiedene Altersgruppen ökumenische Jugend-Treffs statt. Beide entstanden aus Konfirmanden-Jahrgängen heraus, und durch das Einladen von Freunden wurden die Gruppen ganz schnell ökumenisch, aber auch andere Konfessionen sind willkommen.
Besonders wichtig ist die Gemeinschaft. Sicherlich wird nicht jedes Mal heiß über Glaubensfragen diskutiert, aber das ist auch kaum nötig. An dieser Stelle ist wohl ein Umdenken nötig: Ist es nicht viel wichtiger, die Nächstenliebe und damit einen der wichtigsten christlichen Werte im Miteinander, beim gemeinsamen Lachen, Kochen und Reden zu spüren, als alles tot zu reden?
"Glaube ist etwas Lebendiges. Der Heilige Geist verleiht ihm seine ureigene Kraft und Dynamik", so Pfarrerin Fischer, die damit zum Ausdruck bringt, dass auch das Beisammensitzen einen wichtigen Stellenwert im Glauben hat, nicht zuletzt sei es deshalb Jesus so wichtig gewesen, mit anderen zu speisen und zu reden. "Glaube und damit Gottes Liebe wird im Umgang mit unseren Mitmenschen sichtbar", unterstreicht die Gemeindepfarrerin.
Daher macht es wohl der Mix aus Gemeinschaft und damit Glauben erleben und über Glauben diskutieren perfekt: "Bei unserer damaligen Gruppe haben wir gemeinsam in dem Buch ,Die Hütte’ gelesen. Durch die Besprechung mit Pfarrerin Fischer sind mir Dinge bewusst und klar geworden, die mir vorher gar nicht in den Sinn kamen", sagte Judith Wießler, die neben ihrer Chortätigkeit auch den Jugendtreff besuchte, der inzwischen durch die zwei neuen Treffs abgelöst wurde.
Dennoch fehlt es gefühlt an Angeboten für Jugendliche. Je nach vorhandenem Personal variiert die Anzahl der Veranstaltungen sehr stark. "Die Jugendkreuzwege zur Zeit von Johanna Vering fand ich toll", so Judith Wießler. "Ja, ich erinnere mich, dass wir da einmal auf der Mülldeponie waren und einmal sogar im Waldschwimmbad. Das war mal etwas anderes und man saß nicht nur in der Kirche rum", ergänzt Christine Roos.
Wichtig ist also nicht nur, dass es gezielt für Jugendliche genügend Angebote gibt, die aber zumindest in der Wahrnehmung der Jugendlichen zu rar gesät sind, sondern Kirche auch in neue Kontexte zu setzen und im alltäglichen Umfeld zu erleben - wie im Schwimmbad oder einfach im Kontakt mit seinen Mitmenschen. Der klassische Sonntagsgottesdienst scheint jedenfalls nicht das optimale Umfeld für das Ausleben des christlichen Glaubens für Jugendliche zu sein.
Vielleicht oder gerade deswegen wird womöglich im evangelischen Konfirmanden-Unterricht inzwischen mehr Wert auf Interaktion und Aktion gelegt - zum Beispiel mit den sogenannten Konfi-Erlebnis-Tagen, an denen die Konfirmanden miteinander grillen, in den Kletter- und Hochseilgarten zusammen mit einigen Kirchengemeinderäten gehen oder am Geo-Caching teilnehmen.
Als Résumé ließe sich am ehesten sagen: Die Kirchen versuchen auf die Jugendlichen zuzugehen und sie durch Angebote zum aktiven Gemeindeleben einzuladen, doch es bleibt noch einiges zu tun und zu verbessern.



