Hainstadt

Landwirtschaft spürt Folgen des Klimawandels schon heute

"Die Politik verneint, dass die Hütte brennt". Bio-Landwirt Gerit Scheuermann drängt auf Staudämme und Rückhaltebecken zur Wasserspeicherung.

10.08.2022 UPDATE: 10.08.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 50 Sekunden
Die Trockenheit ist dem Feld von Landwirt Scheuermann anzusehen. Auch nach einem Spatenstich lässt sich erkennen, dass der Boden nach Niederschlag dürstet. Foto: Ann-Katrin Frei

Von Ann-Kathrin Frei und Leon Manz

Hainstadt. Dass die Auswirkungen des Klimawandels auch in Deutschland spürbar werden, zeigt sich nicht nur vereinzelt. Extremwetter und Starkregen sowie häufigere Dürren und Extremsommer in unserer Region sind auch hier nicht zu übersehen. Vor allem die Landwirtschaft muss schon heute mit den Folgen des Klimawandels, wie Trockenheit und Hitze, kämpfen. Landwirt Gerit Scheuermann aus Hainstadt, der bereits im Gemeinde- und Ortschaftsrat auf diese Thematik aufmerksam gemacht hatte, sprach mit der RNZ über die immer größer werdenden Sorgen um die Umwelt und die Felder im Zuge des Klimawandels.

Wer ihm zuhört, der spürt, wie er und andere Landwirte unter den geringen Niederschlägen der letzten Wochen leiden und wie groß die Sorgen um die Zukunft sind. Er wünscht sich mehr Unterstützung durch die Politik und fühlt sich allein gelassen. Zugleich zeigt er aber Lösungsvorschläge auf, wie die Natur gerettet oder zumindest erhalten werden kann. "Wasser ist Leben und das muss", so Scheuermann, "gespeichert werden" und in "Staudämmen und Rückhaltebecken" gesammelt und dafür eingesetzt werden, nicht nur die Felder der Landwirte, sondern auch den Boden zu retten.

Boden "verkocht" in der Sonne

Um dies zu verdeutlichen zeigte der Bio-Landwirt auf seinen landwirtschaftlich genutzten Flächen, wie sich der geringe Niederschlag auf die Ernte auswirkt. "Auf dem Feld sollte eigentlich kniehoch der Klee wachsen, doch der Boden verkocht regelrecht in der Sonne", sagte Scheuermann. "Die schützende Pflanzendecke, die dafür Sorge trägt, dass der Humus nicht verbrennt, kann so nicht entstehen", so Scheuermann.

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Die Sonneneinstrahlung führe außerdem zur weiteren Austrocknung des Bodens, da das im Boden gespeicherte Wasser verdunste. Eine Temperaturmessung von über 40 Grad auf der Bodenoberfläche, bei 24 Grad Außentemperatur, zeigte, wie stark der Boden durch den fehlenden Bewuchs aufgeheizt wird. Durch die starke Belastung komme es auch zu "tiefen Rissen in den Böden", mit der Folge, dass "der Gashaushalt verloren geht". Ein weiteres Indiz für die bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels sehe Scheuermann bei den "Schwankungen der Ernteerträge von bis zu 400 Prozent auf ein und demselben Feld". Zwar gebe es Boden, der qualitativ besser sei, und daher auch ertragreicher bewirtschaftet werden könne, aber dass nur 25 Prozent eines Feldes tatsächlich nutzbar sind, sei für Scheuermann ungewöhnlich. Gerade flachgründige Böden könne man in absehbarer Zeit gar nicht mehr bewirtschaften.

Die Wälder sterben

Auch Wälder und Streuobstwiesen hätten mit der Trockenheit zu kämpfen und seien durch die ungleich verteilten Niederschläge und die angestiegene Verdunstung bereits am absterben und daher auch weit weniger ertragreich. "Waldbesitzer werden in die Illegalität getrieben", so Scheuermann. So seien sie gezwungen, Wasser in den Wald zu fahren, welches sie aus Brunnen und Bächen entnehmen müssen. Allein schon die Grundwasserstände fielen von Jahr zu Jahr niedriger aus. Dass die Wälder sterben, sehe man erst im nächsten Jahr, so Scheuermann. Denn dann könne man sehen, wie licht der Wald wird.

"Schuld sind wir alle"

Scheuermann wünscht sich von der Politik, dass gehandelt wird, da er fürchtet, dass die Landwirtschaft weiter unter den Belastungen des Klimawandels zu Leiden hat. Er will, dass "anerkannt wird, dass wir die Auswirkungen spüren und ins Handeln kommen". Die Lebensgrundlage Boden könne sich von "einer Kohlenstoffsenke zu einer CO2-Schleuder degradieren". "Kommunalpolitiker sollen sich endlich mal aktiv", so Scheuermann, "für die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen einsetzen, und nicht nur, wie in so manchem Wahlprogramm, als schönes Ziel aufführen." Es ginge nicht darum, wer allein Schuld trage, sondern darum, dass man etwas tun müsse. "Schuld sind wir alle", gestand sich Scheuermann ein. Die Probleme der Landwirte sollen gesehen werden, vor allen Dingen aber sei es wichtig, dass man sich für den Erhalt der Böden im Allgemeinen einsetze.

Wasserspeicherung im Winter

Leinsamen weisen eine höhere Resistenz gegenüber Trockenstress auf. Foto: Leon Manz

Landwirt Gerit Scheuermann versucht selbst bereits durch verschiedene Ansätze in seinem Bioland-Betrieb, den Negativentwicklungen entgegenzuwirken. So setzt er vermehrt auf Nutzpflanzen, die eine hohe Resistenz gegenüber dem trockenen Klima haben, weil sie beispielsweise aus trockeneren Gebieten kommen. Hierfür zeigte er ein Feld, auf dem er Leinsamen anbaut, eine Nutzpflanze, die eigentlich das Mittelmeerklima, mit ihren trockenen Sommern, gewohnt ist.

Das Wichtigste für ihn sei, den Humusanteil im Boden zu verbessern oder zumindest zu erhalten, da dieser die Wasserspeicherkapazität des Bodens deutlich erhöht. Die Trockenheit mache aber auch dem Humus zu schaffen. Auch der Einsatz von Mikroorganismen oder der Anbau von Mischkulturen, Untersaaten und Zwischenfrüchten gehe in diese Richtung, funktioniere aber auch nur wenn noch "Wasser im Boden" ist.

Nichtsdestotrotz ist Scheuermann sich sicher, dass diese Schritte nicht ausreichen, um sich auf immer trockenere Sommer vorzubereiten. Die Politik müsse einsehen, dass der Klimawandel nicht nur eine globale Herausforderung sei, sondern auch auf lokaler Ebene seien Opfer fordert.

Er fordert beispielsweise den Bau von Staudämmen, mit deren Hilfe Niederschläge im Winter aufgesammelt werden könnten und dann im Sommer zur Bewässerung der Nutzpflanzen genutzt werden könnten. Auch der Ausbau der Löschwasserbehälter zu Regenrückhaltebecken wäre, so Scheuermann, eine gute Möglichkeit, für trockene Sommer vorzubeugen. Auch der Umbau von Hochwasserschutzdämmen vor den Ortschaften hin zu einer permanenten Wasserrückhaltung durch Erhöhung der Dammkronen wären gut für das Grundwasser, die Verdunstung und natürlich für die Bewässerung in Notzeiten, so Scheuermann.

Zur Bewässerung der Böden könne man als Beispiel das Förderprogramm zu Bewässerung von Sonderkulturen anführen. Dieses System könne dann, so Scheuermann, nicht nur auf Sonderkulturen, sondern auf allen landwirtschaftlich genutzten Flächen eingesetzt werden. Gerit Scheuermann weiß, "dass es teuer und schwer wird, aber wir müssen was machen". Beginnen sollte man bei der Umsetzung auf der kleinsten Ebene, wie Kreis oder Kommune, erst danach solle man auf eine Umsetzung auf Länder- oder gar Bundesebene setzen.

Boden ist eine nicht vermehrbare Ressource, deshalb scheint es für Gerit Scheuermann umso wichtiger, dass diese Ressource geschützt wird und auch für Generationen nach ihm weiterhin Bestand hat. Er fühlt sich im Stich gelassen, denn die "Politik verneint, dass die Hütte brennt", so Scheuermann. Dabei sieht man gerade jetzt überall die Folgen des Klimawandels mehr als deutlich.

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