Gemeinde setzt auf Fotovoltaik und Windkraft
Die ambitionierten Energieprojekte nehmen Form an. Es sind gleich drei Anlagen geplant.

Von Caspar Oesterreich
Gundelsheim. Früher war Gundelsheim weit über die Landesgrenzen hinaus für seine Gurken bekannt. Die einst moderne Konservenfabrik zog viele (Saison-)Arbeiter an, denn hier wurde ausprobiert, was anschließend in allen Fabriken des Berliner "Essig-Barons" Wilhelm Kühne umgesetzt werden sollte. Den Status als wegweisender Wirtschaftsstandort hat die Stadt längst verloren, schon Jahrzehnte liegt Areal mit dem großen Fabrikgebäude brach. Innovationen aber steht man weiterhin offen gegenüber – was den Ausbau erneuerbarer Energien betrifft, will Gundelsheim Vorreiter in der Region werden.
Gleich drei Projekte stehen dafür auf der Agenda: Auf dem Böttinger Hof plant die EnBW in großen Dimensionen. Auf einer Fläche von 64 Hektar soll ein Solarpark entstehen, 60 Mio. Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr produzieren und damit in etwa den Bedarf von 15.000 Haushalten decken. In einem gesonderten Verfahren will der Energieversorger überdies zwei Windräder auf dem Areal errichten. In der Spitze 247 Meter hoch und mit einem Rotordurchmesser von je 166 Metern sollen die beiden Anlagen zusätzlich noch einmal 25 Mio. kWh im Jahr erzeugen und Strom für (weitere) rund 7200 Haushalte liefern. Im Vergleich dazu fallen die Pläne der Enerparc AG eher bescheiden aus. Südlich des Stadtteils Höchstberg, Gewann Ilgenberg, will auch das Hamburger Unternehmen Fotovoltaik-Paneele auf einer Fläche von zehn Hektar erreichten, 12,5 Mio. kWh pro Jahr gewinnen. Auch Gundelsheimer Bürger sollen in das Vorhaben investieren können und eine "attraktive Rendite" erhalten.

"Einen besseren Zeitpunkt zur Umsetzung dieser Projekte wie aktuell kann es fast nicht geben", erklärte Bürgermeisterin Heike Schokatz unlängst im Rahmen der RNZ-Rathausrunde. Aktuell liegt der Anteil erneuerbarer Energien bei 42 Prozent der Stromerzeugung in Deutschland, bis 2030 sollen es 80 Prozent sein. Als "bedrückend" bezeichnete Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, vor diesem Hintergrund erst Mitte Januar, dass der Ausbau der Windkraft auf dem Land zuletzt kaum noch vorangekommen sei. Es werde ein mühsamer Prozess werden, bei dem alle mithelfen müssten, betonte er. Nur Hessen und Schleswig-Holstein seien bisher in die Nähe des Ziels gekommen, zwei Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen bereitzustellen.
Bisher werden die Felder auf dem Böttinger Hof genauso wie im Gewann Ilgenberg landwirtschaftlich genutzt. Stehen dort die Freiflächen-Fotovoltaikanlagen – die EnBW plant mit rund 135.000 Modulen – ist ein Anbau von Getreide oder Gemüse dort erst einmal nicht mehr möglich. Aber: "Nur 0,5 bis ein Prozent der Fläche werden tatsächlich versiegelt. So bieten die immissionsfreien, geräuschlosen Fotovoltaik-Anlagen ökologisch zahlreiche Chancen", sagt Stefan Wresch, Projektentwickler der EnBW für den Solarpark, im Gespräch mit der RNZ. Auf 30 Jahre ist die Flächennutzung durch die EnBW bisher befristet. "Bodenleben und Biodiversität können sich in dieser Zeit durch den Verzicht auf Düngung, Bearbeitung und Pestizide nachhaltig regenerieren, sodass ehemalige Agrarflächen in der Nachnutzung des Solarparks wieder als hochwertige Ackerböden verfügbar sind", macht Wresch deutlich. Denn nach der gesamten Projektlaufzeit erfolge der vollständige Rückbau – "danach ist die Fläche wieder frei nutzbar". Bis dahin könnten Schafe die Beweidung zwischen den Fotovoltaik-Modulen auf dem Böttinger Hof übernehmen.
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Zum Vergleich: Würde auf derselben Fläche Mais zur Stromerzeugung angebaut werden, wäre die Energieausbeute etwa 40-mal geringer als jene des Solarparks, argumentiert Wresch für das Vorhaben. Mit einer Vielzahl von Ausgleichsmaßnahmen kompensiere die EnBW überdies den Bau des Solarparks und stelle den Erhalt der vorhandenen Lebensräume für die heimischen Tierarten sicher. Im Bauleitverfahren würden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen verankert. "Dies umfasst neben der Einsaat der Flächen zum Beispiel die Entwicklung eines artenreichen Grünlands, umfangreiche Strauchpflanzungen, Hecken und Trittsteinbiotope", so Stefan Wresch.
Bis es soweit ist, wird es jedoch noch einige Zeit dauern. Im Frühjahr 2023 will die EnBW mit dem Bau des Solarparks beginnen, die Windräder sollen später folgen. Beide Projekte befinden sich noch am Beginn des öffentlichen Genehmigungsverfahrens, für die Fotovoltaikanlage "stehen als nächstes eine Abwägung der Stellungnahmen und daran anschließend eine Offenlage des Vorhabens an", so Gundelsheims Bürgermeisterin Schokatz. "Für das Wind-Projekt wird als nächstes im zweiten Quartal 2022 der Genehmigungsantrag beim Landratsamt Heilbronn gestellt."
Ob die Windräder tatsächlich realisiert werden können, steht noch nicht fest. "Über die gesamte Laufzeit gesehen – also von der ersten Idee bis zum Abschluss der Planungen – werden von zehn angedachten Windenergieprojekten höchstens 20 Prozent erfolgreich umgesetzt und letztendlich auch tatsächlich Windenergieanlagen errichtet", sagt EnBW-Projektentwickler Matthias Trenkel. "Es ist ein schwieriger, weil sehr komplexer Genehmigungsprozess, der von vielen Faktoren und Beteiligten abhängt." Wird das Kombiprojekt Solar- und Windpark Böttinger Hof in Gänze umgesetzt, "können die Anlagen rund 56.700 Tonnen CO2 einsparen – und zwar pro Jahr", betont Trenkel.
Welchen Betrag die EnBW dafür in Gundelsheim investieren will, darüber schweigt sich der Energieversorger aktuell noch aus. "Allein der Solarpark wird – abhängig von der Art der Module und dem Mengenrabatt – zwischen 40 bis 60 Millionen Euro kosten", schätzt Physiker Peter Brönner, Experte der Energieagentur Neckar-Odenwald. Finanziell profitieren von dem Projekt soll auch die Stadt Gundelsheim. Einerseits über den Pachtvertrag mit der EnBW, anderseits über Bonusleistungen, sollte mehr Strom als angedacht produziert werden. Um welche Summen es sich dabei handelt, auch darüber verraten Stadtverwaltung und EnBW bisher nichts.
Ebenso hüllt sich die Enerparc AG in Schweigen, was die Investitionskosten ihres Solarparks in Höchstberg und daraus resultierende Vorteile für die Stadtkasse angeht. "Die finanzielle Beteiligung der Bürger ist über einen mit der Stadt Gundelsheim noch zu definierenden Zeitraum mit einer noch zu definierenden, attraktiven Rendite möglich. Im Rahmen des Crowdinvesting-Modells können sich die Bürger bereits ab einer Summe von 500 Euro an dem geplanten Solarpark beteiligen", ist immerhin aus dem Erläuterungsbericht zum Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplanes zu erfahren. Ferner beabsichtigt Enerparc, den Gundelsheimern grünen Strom zu vergünstigten Konditionen anzubieten.
Paragraf 6 aus dem EEG 2021 stellt eine finanzielle Zuwendung von 0,2 Cent pro Kilowattstunde ohne Gegenleistung an die betroffenen Ortsgemeinden einer Fotovoltaik-Freiflächenanlage ebenso wie bei Windrädern in Aussicht. Auch wenn die goldene Zeit der Gundelsheimer Gurken längst vorbei ist – mit den ambitionierten Energieprojekten könnte die Stadt nun wieder ein neue, zukunftsweisende Vorreiterrolle in der Region einnehmen.