RNZ-Sommertour zum Biohof Reinwiese in Haag (plus Fotogalerie)
Hier gibt es Anbau und Vertrieb nach dem Vorbild früherer Marktgärten.

Von Carmen Oesterreich
Schönbrunn-Haag. Schon bevor die Sommertour richtig losgeht, werden eifrig Expertentipps ausgetauscht. 16 Leserinnen und Leser dieser Zeitung sind eingeladen, sich in Haag über den Gemüseanbau beim Biohof Reinwiese zu informieren.
Die Betreiber Melanie und Tobias Brenndörfer haben dafür alles perfekt vorbereitet, so dass die Gäste unter der gleißenden Sonne Schatten finden, etwas trinken und sich auf Stühlen entlang des Mittelwegs der einen halben Hektar großen Anbaufläche ausruhen können.
Diese hätten es den Gastgebern sogar nachmachen und auf den weichen Graswegen barfuß laufen können. "Ich habe schon überlegt, ob ich die Schuhe ausziehe", sagt Leserin Alexandra Mechler. Melanie und Tobias schaffen per "du" mit allen gleich eine vertraute Atmosphäre. Sich Wohlfühlen und Genießen ist ihnen wichtig.
Nach Burnouts haben sie ihren Beruf aufgegeben und machen nun seit etwas mehr als zwei Jahren in Vollzeit das, "was wir lieben": Melanie, Diplom-Wirtschaftsinformatikerin, hat schon immer gerne im heimischen Garten Gemüse angepflanzt und ist nun das "Herz des Gemüsegartens".
Tobias, KFZ-Mechaniker und Betriebswirt, sieht sich als Mann fürs Grobe – er übernimmt die schwere Bodenarbeit und pflegt die Maschinen – und fürs Feine, nämlich Website und Marketing.
"Unser Betrieb ist ein klassischer Marktgarten. Früher wurde in den Vororten großer Städte Gemüse angebaut und dann auf den Märkten verkauft. Wir machen das ähnlich. Wir gehen zu den Naturpark-Märkten in der Region und verkaufen vor allem über Ernte-Anteile in Form von wöchentlichen Gemüsekisten, die man bei uns abholen oder sich liefern lassen kann. Wir bedienen – in etwas weiter gefasstem Sinn – unsere Nachbarn mit unserem lokal angebauten Gemüse", erklärt er das Marktgarten-Konzept des EU-Bio-zertifizierten Familienbetriebs und Bioland-Mitglieds.
Dazu gehört auch Luke, fünf Jahre alt. Er wuselt zwischen den Beinen der Erwachsenen herum und macht unbewusst die beste Werbung: Wo er etwas pflücken oder probieren darf, langt er mehrmals zu und jeder sieht: Es schmeckt ihm!
Melanie führt die Sommertour-Gäste durch den "Garten", zeigt den Tunnel für die eigene samenfeste Jungpflanzenzucht, bevor sie in einem weiteren Tunnel erklärt, wie sie Tomaten an einem dicken Faden nach oben leitet und diese, wenn sie oben angekommen sind, quer auf den Boden legen kann. So lässt sie die insgesamt 22 Sorten weiter hoch wachsen.
"Reiner, hast du zugehört?", ist eine Leserin zu hören. Grüne, gelbe, rote, schwarze, große, kleine, längliche und runde Sorten hängen üppig da, mancher zieht – mit Erlaubnis – eine Frucht ab und vernascht sie genüsslich: "Hmmm, die schmeckt nach mehr", sagt Leserin Andrea Reinacher begeistert.
Dann geht’s schon weiter zu den Beeten: jeweils 15 Meter lang, 80 Zentimeter breit (optimal für die Arbeit mit zwei Händen), getrennt durch 40 Zentimeter breite, grüne Wege (breit genug für den Rasenmäher, die Erntekisten und gerade noch mit dem Unkraut handelbar).
Ein paar Hühner im Stall und zwei Bienenvölker gibt es auch noch. "Von den Schafen und Ziegen haben wir uns wieder getrennt; zu unwirtschaftlich. Wir wollen uns auf den Gemüseanbau konzentrieren", erklärt Tobias.
Gleichwohl schätzen Tobias und Melanie die Tiere: "Wenn ich Fruchtgemüse anpflanze, füge ich dem Pflanzloch neben anderen natürlichen Düngern die nährstoffreiche Schafwolle hinzu", erklärt sie. "Das Pflanzloch muss man gut angießen, dann wachsen die Tomatenwurzeln schön nach unten dem Wasser hinterher."
Sie erzählen, wie sie über den Winter im Büro arbeiten, Buchhaltung erledigen und am Marketing feilen, die Maschinen und Werkzeuge pflegen, im Januar in einem Zimmer im Haus unter der Wärme- und Lichtlampe die Jungpflanzen heranziehen, an den wenigen sonnigen Tagen im Februar die ersten Beete vorbereiten, die Tunnel richten, froh sind, eine frostfeste Salatsorte gefunden zu haben und das erste Wurzelgemüse – Karotten, Radieschen, Rote Bete oder Kohlrabi – direkt in die Beete säen oder setzen.
Weiter geht es im Zyklus der Saison mit Blatt- und Stiel-, Zwiebel-, Fruchtgemüse und Hülsenfrüchten. Rund 45 Gemüsekulturen mit mehr als 100 Sorten werden, in Mischkultur übers Jahr verteilt, angebaut. Alle traditionellen Sorten und manche Rarität wie roter Rosenkohl oder violetter Wirsing finden sich darunter. "Wir arbeiten nach dem Prinzip der regenerativen Landwirtschaft. Hierbei wird der Boden und insbesondere das Bodenleben in den Mittelpunkt der Bemühungen gestellt und langfristig Humus aufgebaut", erklärt Melanie.
Die "Unordnung", etwa ein Kompost- oder ein Brennesselhaufen, ist absichtlich angelegt. Der Brennesselsud wirke gut gegen unerwünschte Pflanzen und Tiere und ist gleichzeitig ein guter Dünger. "Wir können auch ohne Chemie viel gegen Schädlinge, wie den Kohlweißling oder Erdflöhe, tun", ist Melanie überzeugt.
Sie zeigt zur Steinmauer, wo sich Echsen ansiedeln, weist auf Vlies und Netze gegen Fraßfeinde hin, freut sich über den Maulwurf, der Wühlmäuse vertreibt und erleichtert Greifvögeln durch eine Sitzstange ihre Jagd auf Schädlinge. "Bei den Schnecken gehen wir direkt nach dem Regen trotzdem mal raus und lesen sie ab", ergänzt Tobias.
Bis zum Spätherbst gibt es jetzt noch jede Menge "buntes Gemüse" beim Biohof Reinwiese. Als Ernte-Anteil bieten sie ihren Kunden jede Woche von Mitte April bis Mitte November Gemüsekisten im Jahresabonnement an.
Vor dem Haus ist ein kleiner Verkaufsstand, zudem gibt es in der Region bis nach Heidelberg Abholstationen. Die Sommertour-Gäste nehmen von der Führung begeistert und dankbar viele Tipps und etwas Bio-Gemüse mit nach Hause.
Info: www.reinwiese.de