Gemeinderat stürzt Großprojekte
Bürgermeister Reicherts Stadtentwicklungspläne müssen zurück in die Schublade - Ablehnung auf breiter Front

Auch diesmal wird nichts aus einer zweiten Neckarbrücke. Der Rat sagt nein. Repro: rho
Von Jutta Biener-Drews
Eberbach. Auch der neuerliche Anlauf, diesmal durch Bürgermeister Peter Reichert, verhalf den schon von seinen Vorgängern ersonnenen Großprojekten zweite Neckarbrücke und Landesgartenschau (LGS) nicht zum Durchbruch. Die fürs Jubiläumsjahr 2027 neu aufgelegten Pläne mussten am Donnerstagabend wieder zu den Akten gelegt werden. Mit 12 zu 10 Stimmen sagte der Gemeinderat nein zur LGS und sprach sich mit 14 zu 7 Stimmen (bei einer Enthaltung) gegen die Fußgänger- und Radlerbrücke aus. In einer über weite Strecken aufgeladenen Debatte machten die Kritiker aus CDU, AGL und Teilen der SPD nicht nur wirtschaftliche Gründe gegen das Millionenvorhaben geltend, sie erkannten darin auch keinen nachhaltigen Beitrag zur Stadtentwicklung. Darüber hinaus lehnten sie es ab, eine Entscheidung von solcher Tragweite für die hoch verschuldete Stadt durch die knappe LGS-Bewerbungsfrist unter Zeitdruck fällen zu müssen. Peter Reichert musste sich dabei für seine Vorgehensweise wiederholt den Bruch seiner Wahlversprechen vorwerfen lassen.
Von Beginn an schlug dem Bürgermeister für das von ihm erst Ende Oktober vorgestellte Stadtentwicklungsprojekt Ablehnung auf breiter Front entgegen. Und die Kritiker, die sich lauter und entschiedener als die Befürworter positionierten, sollten die Tonlage der Diskussion bis zum Schluss bestimmen. Reichert, der auch am Donnerstagabend darauf setzte, nicht nur mit sachlichen Argumenten, sondern auch mit "brennender" persönlicher Überzeugungskraft für sein Projekt zu werben, wirkte zunehmend aufgewühlt. Für ihn ist eine Gartenschau eine zukunftsträchtige, fast passgenau auf die Besonderheiten der naturreichen Neckarstadt zugeschnittene Entwicklungsmöglichkeit, und die zweite Brücke ein integrativer Bestandteil der Schau. Entwicklung kann in Eberbach angesichts des demografischen Wandels und fehlender Gewerbeflächen nur in diese Richtung gehen, ist Reichert überzeugt. Und die erwartbar hohen Ausgaben dafür, die der Bürgermeister zu 50 Prozent aus allen möglichen Fördertöpfen bestreiten will, sind in seinen Augen kein "vernichtendes Argument dagegen". Für den Fall einer Ablehnung der LGS-Bewerbung stand dem Rat aber auch eine separate Entscheidung für den Brückenbau frei.
Schon vor Eintritt in die Tagesordnung formulierten mit Jürgen Creß und Jens Thomson zwei Vertreter des Fördervereins der Eberbacher Schwimmbäder ihre Bedenken in der Bürgerfragezeit und machten sich für den Erhalt des nach ihrer Darstellung hoch bestandsgefährdeten Hallenbads stark. Creß rügte an LGS- und Brückenprojekt mangelnde Einbeziehung der Öffentlichkeit und Konzeptlosigkeit und verneinte, dass ein tragfähiges Konzept in der durch die LGS-Antragsfrist gebotenen Eile möglich ist. Positionen, die dann auch im Rat vertreten wurden.
Karl Eiermanns (SPD) lieferte die Vorlage zur Kritik. "Der Gemeinderat hat genau 35 Tage Zeit, um die Weichen für eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben dieser Stadt zu stellen", sagte er, und konfrontierte Reichert mit Aussagen aus seinem Wahlprogramm: mit der Haushaltskonsolidierung als oberstem Ziel, mit der Forderung einer rechtzeitigen Prüfung von Standort und Wirtschaftlichkeit für Investitionsprojekte, um "schockierende Entwicklungen zu verhindern". All dies führe er durch seine Vorgehensweise jetzt "ad absurdum". Bis zum Jahr 2021 hat Eberbach aufgrund von Investitionsprojekten 25,6 Millionen Euro Schulden, bis 2025 "stehen Projekte an von knapp 70 Millionen Euro - darin sind Gartenschau und Steg noch nicht enthalten", rechnete Eiermann vor, und stellte darüber hinaus den Nutzen beider Projekte nicht nur im Verhältnis zum Aufwand in Abrede. Investitionskosten für die Stadt von rund 6 Millionen Euro, unkalkulierbare Folgekosten, langfristige Bindung investiver Mittel: "Wir können uns das nicht leisten!". Eiermann plädierte stattdessen für entwicklungsfördernde Einzelprojekte, die Reichert "Kleinklein" nannte, und forderte einen Bürgerentscheid.
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Dies wurde im Wesentlichen auch von Peter Stumpf für die AGL und von Michael Schulz für die CDU so vertreten. Stumpf zweifelte grundsätzlich am Nutzen sowohl eines "einmaligen LGS-Events" wie eines so nah an der bestehenden Brücke gelegenen Fußgängerstegs und rief dazu auf, stattdessen in ein neues Hallenbad zu investieren ("Es wäre geradezu grotesk, wenn nach Eröffnung des Stegs das Hallenbad wegen Baufälligkeit schließen müsste"). "Wir sehen in LGS und Steg eher ein Prestigeobjekt als eine städtebauliche Gesamtplanung", stellte Schulz fest.
Reichert machte klar, dass es fürs Erste nur um den Antrag für die Gartenschau 2027 gehe, "geplant wird dann erst mit dem Antragszuschlag!" Eine Ansicht, die auch Peter Wessely (Freie Wähler) teilte: "Wenn sich zeigt, dass es nicht machbar ist, können wir binnen fünf Jahren einen Rückzieher machen". Man sollte sich aber nicht davon abhalten lassen, "auch zehn und mehr Jahre vorauszuschauen: Wir sollten es antesten!". Für Jens Müller (SPD) stand fest, dass "wir über den Steg schon heute froh wären": als klares Bekenntnis zu den Schwimmbädern, als Anbindung von Sportplatz und Kuckucksmarkt und als direkte Verbindung vom Bahnhof in die Au.



