"Stadionhüpfer" besuchten in drei Tagen drei Spiele in drei Ländern
"Die 2000" schnell vollmachen: Die "Groundhopper" Julia Neuner und Marc Fromm sammeln Fußballplätze und -stadien.

Von Peter Bayer
Eberbach. Es gibt vieles, was man sammeln kann. Die einen sammeln die berühmten Briefmarken oder Münzen, andere Puppen oder Teddybären, wieder andere Biersorten oder Kronkorken. Damit haben Julia und Marc nichts am Hut: Sie sammeln Fußballplätze. Genauer gesagt, den Besuch von Fußballspielen auf immer anderen Plätzen und Stadien. Gemeinsam haben sie schon 15 Länder bereist. Wer dabei gegen wen spielt, das ist nicht das Wichtigste für die "Groundhoppers", die Stadionhüpfer.
Drei Spiele an drei Tagen in drei Ländern, auch das haben die beiden schon geschafft. Direkt nach der Hochzeit eines Kumpels von Marc ging es in den Flieger nach London, weiter nach Cardiff, wo sie das Spiel Wales gegen Israel verfolgten. Am nächsten Tag war Glasgow angesagt, wo Schottland gegen Deutschland spielte und schließlich noch London, wo die Engländer gegen die Schweiz kickten. "Das ist unser Urlaub", sagt Julia und lacht dabei. "Es gehört aber immer auch Kultur dazu. Wenn kein Spiel ist, schauen wir uns die Sehenswürdigkeiten an."
Julia Neuner wurde die Begeisterung für Fußball praktisch in die Wiege gelegt. Schon im Kinderwagen war sie sonntags Stammgast auf den Fußballplätzen, besuchte mit ihrem Vater Erich Neuner die Heimspiele des VfB und SV Eberbach und der SG Rockenau. "Ich wollte immer mit, egal in welchem Alter. Mein Herz gehörte aber eher dem VfB, weil mein Vater dort gespielt hat", erinnert sie sich.
Die Eintrittskarte von ihrem ersten Bundesligaspiel hat sie aufgehoben. "Das war in der Saison 1994/95, als Bayern München gegen den Karlsruher SC mit 1:2 verloren hat. 25 Mark hat der Eintritt damals gekostet." Ihr Vater ist Bayern-Fan, sie eher Bayern-Sympathisantin. "Mein Herz schlägt für Kaiserslautern, die Stimmung auf dem damaligen Betzenberg hat mich gepackt und nicht mehr losgelassen." Eine Fahrt mit der S-Bahn 2017 zu einem Spiel des 1. FC Kaiserslautern war es auch, wo sie Marc Fromm kennengelernt hat. Der 42-Jährige hat früher selbst in Mauer gespielt und ist Fan der Stuttgarter Kickers. Bei ihm war es nicht der Vater – "Der hatte mit Fußball nichts am Hut" – sondern der Opa und ein Onkel, denen er die Begeisterung verdankt. "Bei ihnen lief dauernd Fußball im Fernsehen", erinnert er sich.
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Seit 2017 gehen Julia und Marc gemeinsam ihrem Hobby, dem Groundhopping, nach. Gemeinsam haben sie so schon 15 Länder bereits. Dabei haben sie die Aufgaben genau verteilt: Marc plant die Touren, Julia schreibt die Vereine an. Die Begeisterung für den Fußball macht auch vor ihren Kindern nicht halt. Sohn Tim war von Anfang an bei den größeren Spielen dabei, das Geburtstagsgeschenk für Tochter Jana war der Besuch eines Nations League-Spiels.
Über ihre Stadionbesuche führen sie genau Buch. Marc hat es inzwischen auf 1615 Fußballplätze und -stadien gebracht. "Ich will so schnell wie möglich die 2000 vollmachen", hat er sich vorgenommen. Auch wenn Marc mit seinem Hobby schon in 30 Ländern war, müssen es nicht immer die großen Stadien der Welt sein. "Der unterklassige Fußball hat es auch verdient", findet er. Dann geht es sonntags auch einmal in den Odenwald, um sich die kleinen Städtchen anzugucken. Julia hat es seit 2017 auf 428 Plätze gebracht. "Eigentlich sind es mehr, aber ich habe vorher nicht alle aufgeschrieben", bedauert sie.
Auf ihren Reisen haben die "Stadionhüpfer" schon vieles erlebt und interessante Leute getroffen. Zum Beispiel bei einem Spiel von Sheffield Wednesday (England). Sie saßen neben einem Mann, der bei der Katastrophe am 15. April 1989 Ordner war, als im FA-Cup-Halbfinale zwischen dem FC Liverpool und Nottingham Forrest im Hillsborough-Stadion 97 Menschen am Zaun erdrückt wurden und starben. "Das war extrem bewegend", sagt Julia Neuner. Oder vor zwei Jahren, als sie als Geschenk für Marc eine Dauerkarte organisiert hatte, um das Spiel FC Arsenal gegen Manchester United zu sehen.
Beim Anstehen hat ein Mann vor ihnen mit seinem Rucksack Marc mitgezogen und im Drehkreuz wurde die Karte entwertet. Dank ihrer guten Englischkenntnisse hat Julia dem Ordner zwar den Sachverhalt erklären können, doch im Innenraum durften sie keinen Ordner ansprechen. Sonst wäre aufgefallen, dass ihnen die Karte nicht gehört. Ihre Plätze haben sie nicht gefunden, doch war es das Erlebnis wert.
Ein etwas anderes emotionales Erlebnis hatten sie auf einem kleineren Fußballplatz. "Der junge Schiedsrichter hatte das Spiel ganz schlecht im Griff, war schon die ganze Zeit komisch", schildert Julia. Als er dann auch noch fünf Minuten zu früh das Spiel abbrach, haben ihn die Spieler zunächst angemotzt. "Als er dann angefangen hat zu weinen, haben sie ihn alle getröstet."
Trotz aller Begeisterung steht die Vernunft an erster Stelle. 2021 wollten sie mit ihrem Sohn Tim zum WM-Eröffnungsspiel Italien gegen die Türkei. "Wir hatten Karten geschenkt bekommen", erinnert sich Julia. Doch wegen Corona war die Gefahr zu groß, so dass sie diese zurückgegeben haben. Und zu Risikospielen, wie etwa Kaiserslautern gegen Dresden, geht es ohne den Sohn.
Zwar hat gerade die fußballärmere Zeit begonnen, doch sind Julia und Marc schon dabei, die Pläne für die nächsten Stadionbesuche zu schmieden.