Sonja Perbandt-Beier nach 47 Jahren Traumberuf im Ruhestand
Viele Veränderungen miterlebt - "Früher saßen die Kinder nur am Tisch"

Von Martina Birkelbach
Eberbach. "Wenn du liebst, was du tust, wirst du nie wieder in deinem Leben arbeiten": Dieses Zitat hat Sonja Perbandt-Beier kürzlich auf dem Ausstellungsschiff MS Wissenschaft gelesen. "Das trifft genau auf mich und meinen Beruf zu, es war nie Arbeit für mich", sagt die 63-Jährige. Fast 47 Jahre hat sie in Vollzeit als Erzieherin gearbeitet, Ende November wurde sie offiziell verabschiedet.
Vieles hat sich in der langen Zeit verändert. Viele ihrer damaligen Kinder haben bereits schon wieder ihren eigenen Nachwuchs in den Kindergarten gebracht. "Ein ehemaliges Kindergartenkind ist sogar schon Oma, ein anderer ist Opa geworden". Perbandt-Beier hat ihren Beruf immer geliebt. Noch kommt ihr die Zeit wie Urlaub vor; wobei sie natürlich den ehemaligen Kollegen und Kindern schon den ein oder anderen Besuch als Rentnerin abgestattet hat.

Ihre Ausbildung hat sie als 16-Jährige an der Berufsfachschule für Erzieherinnen in Neckargemünd absolviert; "Zwei Jahre Schule und ein praktisches Jahr". Sieben Jahre arbeitete sie dann im Kindergarten St. Elisabeth, die letzten 40 Jahre als Gruppenleiterin der roten Gruppe im Kindergarten St. Maria; beides bei der katholischen Kirchengemeinde, früher St. Johannes Nepomuk, heute Neckartal Hoher Odenwald Edith Stein.
Eigentlich wollte Perbandt-Beier Automechanikerin werden. "Ich habe immer meinem Vater zugeschaut, wenn er geschraubt und repariert hat. Ich habe ihm auch viel geholfen und selbst viel ausprobiert." Alles Weitere war ebenfalls durchgeplant: Als Fernfahrerin wollte sie andere Länder und Kulturen entdecken, später zum TÜV wechseln. All’ ihre Lebenspläne scheiterten an fehlenden Damentoiletten und Umkleidekabinen.
"In ganz Eberbach habe ich versucht, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, niemand war auf Frauen eingestellt." In Heidelberg hätte es eventuell geklappt, "aber das war mir mit 16 noch zu weit, und es gab noch keine S-Bahn".
Perbandt-Beier wusste dann nur, was sie nicht wollte: "Büro oder Verkauf". Kreativ sollte ihr Beruf sein. Ihre Schwester Ingrid, für die schon immer feststand, Erzieherin zu werden, überzeugte sie dann davon, ebenfalls diesen Beruf zu wählen. Ingrid Schuh ist heute Leiterin des Kindergartens Regenbogen.
"Im Nachhinein konnte mir nichts Besseres passieren, es war mein Traumberuf. Alles war vereint: Kinder, Basteln, Gestalten – Projekte über fremde Kulturen". Obwohl Perbandt-Beier der evangelischen Konfession angehörte, konnte sie ihr Anerkennungsjahr unter der Leitung von Schwester Agatonia in St. Elisabeth absolvieren. Der Kindergarten St. Maria war damals noch eine Holzbaracke. Als ein neuer Kindergarten mit mehr Gruppen geplant wurde, wechselte sie 1980 dorthin. Und wieder spielte die Konfession keine Rolle. Zur damaligen Leiterin Schwester Gertrudis hat Perbandt-Beier heute noch Kontakt.
Anfangs war der Kindergarten vormittags und nachmittags geöffnet. "Ein Teil der Kinder kam nachmittags noch mal". Es kamen durchgehende Öffnungszeiten dazu, und nach dem Neubau der Wunsch einiger Eltern, ein warmes Mittagessen anzubieten.
"Der Speicher wurde zur Tagesstätte mit Speise- und Schlafraum ausgebaut. Das Essen kam anfangs vom Schmeißer-Stift, später vom Curata. Alles ging ein paar Jahre, bis die Anzahl der Kinder, die Mittagessen wollten, wieder sank und die Tagesstätte wieder geschlossen wurde.
Immer mehr Häuser wurden in Neckarwimmersbach gebaut, immer mehr Kinder benötigten einen Platz: "Die Tagesstätte wurde für eine fünfte Gruppe umgebaut". Dann wurde wieder Essen gewünscht, eine Gruppe "Warmesser" eingeführt.
Inzwischen ist das mit dem Essen wieder abgeflaut, es gibt keines mehr. Heute sind es vier Kindergartengruppen und eine Krippengruppe für Kinder ab einem Jahr (begrenzt auf zehn Plätze). Und es gilt zwischen zwei durchgehenden Öffnungszeiten zu wählen: 7.15 bis 14.15 oder 8 bis 15 Uhr. "Kinder und Eltern wechseln alle paar Jahre, und so wechseln auch die Bedürfnisse", erklärt Perbandt-Beier.
Und sie erzählt weiter: "Früher war der Kindergarten ein zusätzliches Angebot zur Familienerziehung. Die ganze Familiensituation war anders, die Mütter waren zu Hause. Heute sind viele Kinder den größten Teil des Tages in der Einrichtung, sodass auch die Erziehung mehr zur Sache der Erzieher geworden ist." Früher haben die Kinder im Kindergarten "mehr oder weniger" nur am Tisch gesessen und gemalt oder gebastelt. "Das war für die damalige Zeit okay, ist heute aber nicht mehr möglich." Es gab keine Puppen-, Bau- oder Experimentierecken. "Meiner Ausbildung hat das nicht entsprochen, ich habe oft mit Kleingruppen etwas unternommen."
St. Maria ist heute ein "offener Kindergarten". Die Kinder gehören zwar einer Gruppe an, müssen aber nur zum Stuhlkreis und zum Mittagessen in der Gruppe sein. Ansonsten kann beliebig gewechselt werden.
Insgesamt sind die Kinder heute selbstbewusster und haben mehr "eigene Vorstellungen". Früher waren die Kinder "mit weniger zufrieden". Aber "da gab es auch noch nicht so viele Angebote, nur Fernsehen mit begrenzten Programmen und Radio". Heute haben viele Kinder schon abgelegte Handys der Eltern und Computer zuhause – "Das ist der Lauf der Zeit."
Auch die Ausbildung zur Erzieherin hat sich verändert, heute gilt es drei Jahre Schule zu absolvieren, bevor das Anerkennungsjahr folgt. Der Inhalt wurde auch auf die Kleinen abgestimmt, die beispielsweise noch nicht sauber sind. "Damals musste ein Kind sauber sein, wenn es in den Kindergarten kam. Wer nicht sauber war, musste warten. Heute ist alles möglich."
Ebenfalls mal eingeführt und wieder abgeschafft wurden die Vorschule mit vielen Schreibübungen. "Das ist Aufgabe der Schule", hieß es dann. Perbandt-Beier: "Es gab ständig Veränderungen, aber die Zeiten haben sich eben auch ständig geändert. Jeder Tag war anders – Jeder Tag hatte schöne Momente. Ich habe mich mit den Kindern gefreut, wenn sie etwas geschafft oder erschaffen haben.
Auch wenn beispielsweise ein Pampers-Kind das erste Mal auf die Toilette ging oder ein Krabbelkind das erste Mal gelaufen ist – das war für die Kinder weltbewegend." Es wurde auch viel gelacht, etwa wenn Kinder etwas erklären: "Eine Sandale ist ein Schuh ohne Dach". Neben all’ den tollen Momenten hat Perbandt-Beier in den 47 Dienstjahren aber auch viele traurige Dinge erlebt: "Schlimme Erlebnisse, Unfälle, Verletzungen".

"Bei allen Veränderungen und sicher auch in der Zukunft ist eine gute Zusammenarbeit unter Kolleginnen wichtig. Und ich war ein Teil eines super Kollegiums – auch über die Arbeitszeit hinaus. Ich habe mich in meinem Kindergarten immer wohlgefühlt. Ein gutes Team ist wichtig für eine gute Kindergartenarbeit".
Auch wenn der Abschied für die Erzieherin "ein bisschen wie Sterben" war und sie sich seit den Sommerferien auf diesen letzten Tag vorbereitet hatte, wurde der Tag dann doch "wunderschön".
Langweilig war ihr bislang noch nicht, sie hat sich mit Kolleginnen getroffen und sich ausgiebig der Gartenarbeit gewidmet. "Ich bin jetzt auch nicht mehr an die Ferien gebunden, kann spontaner sein und mehr Autorennen schauen." Das Autoschrauben hat ihr Ehemann Hannes übernommen, "manchmal helfe ich dabei oder bringe ihm einen Kaffee", sagt sie lachend. Eine Donaukreuzfahrt steht als Nächstes auf dem Plan und sie will im Tierheim nach einem Hund Ausschau halten. Ihre Kinder wird sie nicht vergessen und zu Krankheits- und Urlaubsvertretungen weiter zur Verfügung stehen.



