Eberbach/Thonon-les-Bains

Festbuch blickt auf 60 Jahre Städtepartnerschaft zurück

Eberbachs zweisprachiger Städtepartnerschafts-Rückblick auf 60 Jahre Jumelage zeigt, auf welcher Basis jüngere Kräfte aufbauen können.

21.09.2021 UPDATE: 22.09.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 58 Sekunden
60 Jahre ist Eberbach mit Thonon-les-Bains verbunden (hier: die Rutsche im Schwimmbad „Plage Municipale“ am Seeufer). Vielleicht finden sich wieder junge Kräfte, um die nächsten Jahre in die ehrenamtlichen Aktivitäten mit einzusteigen. Foto: Nicole Düspohl

Von Felix Hüll

Eberbach/Thonon-les-Bains. 217 Seiten umfasst die Chronik der letzten 60 Jahre deutsch-französischer Freundschaft zwischen Eberbach und Thonon am Genfer See, die jetzt als gebundenes Buch für 20 Euro erhältlich ist. Vertieft man sich in die Geschichten der wachsenden, gefestigten und in die Jahre gekommenen Beziehungen zwischen Odenwald und Hochsavoyen, stellt man fest, dass es immer wieder darauf ankam, dass jemand die Beziehungspflege tatkräftig angepackt hat.

Unterhaltsam zu lesen sind die Anekdoten, die den historischen Teil sowie die zahlreichen Illustrationen ergänzen – und dies in beiden Sprachen, denn es zieht sich wie ein roter Faden durch die Berichte zwischen 1961 und 2021 - nicht jeder versteht das Idiom des anderen. Aber mit ein bisschen Mühe und Kreativität hat dies in den zurück liegenden Jahrzehnten der Freundschaft keinen Abbruch getan.

So sind die in Eberbach zusammengetragenen Dokumentationen komplett ins Französische übertragen worden und gleichsam als zweites Buch mit den Seitenzahlen F 1 bis F 217 dem deutschen Teil angefügt. Das gleiche Buch (Auflage 1.500 Stück) ist somit in Eberbach wie in Thonon verwend- wie lesbar.

So erfahren die Leser etwa, wie das Schicksal dem damaligen Bürgermeister Horst Schlesinger 1988 nach einer ausführlichen Begrüßungsrede einen Strich durch die Rechnung des Jumelage-Protokolls machte: durstig vom Reden griff Schlesinger nach einem Glas Orangensaft, bemerkte die Wespe daran nicht und wurde gestochen. Allergisch anfällig musste Schlesinger mit zuschwellenden Atemwegen in die Notfallambulanz. Das Stadtoberhaupt fiel beim abendlichen Festbankett aus.

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Mit dem ihm eigenen Humor räsoniert Schlesinger, was sich auf Französisch um so eleganter liest: "Certains auraient, paraît-il, même dit que ce n’etait finalement pas si mal d’avoir reussi une fois à faire taire le maire" (Es soll Stimmen gegeben haben, die da meinten, es sei gar nicht so schlecht gewesen, dass der Bürgermeister einmal zum Schweigen gebracht worden sei.)

Das Eberbach-Thonon-Festbuch un­ter Schriftleitung von Stadtarchivar Dr. Marius Golgath schildert, wie die beiden Städte noch zwei Jahre vor dem Élysée-Vertrag von 1963 zueinander fanden und wie sich die Kontakte zwischen Dienstbehörden, Organisationen sowie letztlich auch den Bürgern selbst entwickelten.

Vor allem der direkte zwischenmenschliche Kontakt stellt sich als Schmierstoff der Beziehungen heraus.

Das kann man aus den Schilderungen von Schüleraustausch, Jugendtreffen, Sportbegegnungen, kulturellem und touristischem Miteinander unschwer herauslesen. Bei allen internationalen Partnerschaften wechseln Urkunden, Fahnen und Stadtsymbole über die Grenze. So ist Eberbachs Wappentier, der Eber, in Thonon mehr als einmal überreicht und ausgestellt worden. 1986 stellte sich daher der KG Kuckuck die Frage, was sie denn Besonderes zum "Fest der Alpen" nach Thonon mitbringen könnte. Einen Eber, klar.

Aber in den damals schon vergangenen 25 Jahren war Eberbachs Wappentier längst in allen möglichen Formen am Lac Leman/Genfer See vertreten. Die Karnevalisten verfielen darauf, einen echten kleinen Eber zu verladen.

Dieter Müller schildert in dem Festbuch, wie das Tier in einer Kiste verpackt, von Tierärzten vorversorgt, im Bus über die Schweiz nach Frankreich gebracht worden ist. Die "geruchsintensive Fahrt" verlief erfolgreich. Der Frischling erhielt im Schloss Ripaille ein Gehege eingerichtet und bekam auch artgerechte Gesellschaft. So führte eine Vereins-Partnerschaftsaktion zu einem kleinen Tierpark im Schlossareal.

Ein anderes Transportproblem zu lösen hatte Günter Lipski. Als Museumsvereinsvertreter wählte er eine Kettenschlepperkette anstelle des Ebers und überreichte sie 1998 Bürgermeister Jean Denais. Für eine Ausstellung zur "Schifffahrt auf dem Genfer See und auf dem Neckar" in Thonon lieferte Lipski vorab Schiffsmodelle aus Eberbachs Stadtmuseum. Jedoch: Ein Modell fehlte. Da Lipski zur Ausstellungseröffnung ein paar Tage später nochmals nach Thonon reiste, packte er da das fehlende Exponat ein und reichte es sozusagen in letzter Minute nach. Aber wenn mal der Wurm drin ist... weil Lipski für eine Ansprache die Hilfe einer Dolmetscherin benötigte, hatte er vorab um jemanden mit guten Deutschkenntnissen gebeten.

Diese Übersetzerin fiel jedoch aus, und der Ersatz hatte so seine Schwierigkeiten mit der Übertragung von Lipskis Worten ins Französische.

Aber auch das machte nichts – das Buch schildert, wie in vielen Fällen das Beeindruckende dieser Völkerfreundschaft jegliche Schwierigkeiten meistern half. Und welche Begeisterung dies bringen kann, bezeugt etwa Claudia Seubert (geb. Hülsen), die Anfang der 80er Jahre mit dem Pfadfinderstamm Silberreiher zum Sommerlager nach Thonon aufgebrochen war und Dinge erlebte, die "einen bleibenden Platz in meinem Herzen erhalten" haben.

Die Schilderungen der vielen ehrenamtlich an der Partnerschaft Mitwirkenden sind geeignet, möglichem Nachwuchs neugierig zu machen, sich hier eigene Erfahrungen zu erschließen und Freunde fürs Leben zu finden. Dies haben schon viele Eberbacher vor ihnen getan. Das Buch deutet allerdings auch an, dass diese Menschen eher den älteren Semestern angehören und dass im 60. Jahr der Partnerschaft durchaus Anlass besteht, unter den jüngeren Bürgerinnen und Bürgern wieder neue amis d’Eberbach sowie Freunde Thonons zu finden.

Info: Das Festbuch 60 Jahre Städtepartnerschaft ist zum Preis von 20 Euro in der Tourist-Info sowie in den örtlichen Buchhandlungen erhältlich.

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