Wo war der Bürgermeister im Zweiten Weltkrieg?
Hermann Schmeißer selbst erwähnt dazu in seinen Lebenserinnerung keine Einzelheiten

Von Rainer Hofmeyer
Eberbach. Als Eberbach vor 75 Jahren am 31. März 1945 kampflos den heranrückenden amerikanischen Truppen übergeben wurde, hatte der Beigeordnete August Krauth die Aktennotiz "in Vertretung" unterzeichnet. Zusammen mit zwölf weiteren Eberbachern unterschiedlicher Funktion entschloss er sich zur Kapitulation der Stadt. "In Vertretung" bedeutet: Es gab noch einen hauptamtlichen Bürgermeister. Und der hieß vom Jahresbeginn 1935 bis zur Übernahme der Verwaltung 1945 durch die Besatzungsmacht Dr. Hermann Schmeißer.
Schmeißer war NSDAP-Mitglied der ersten Stunde, findet sich sogar auf der "Ehrentafel der Ortsgruppe Eberbach" wieder. In seinem dienstlichen Alltag trat Schmeißer in SA-Uniform auf, mit dem Leutnant-gleichen Rang eines Sturmführers.
1935 war es keine demokratische Wahl: Schmeißer wurde von der badischen Staatsregierung als Eberbacher Bürgermeister eingesetzt. Nachdem bereits Adolf Hitler und Reichspräsident Hindenburg sowie Reichsstatthalter Robert Wagner, geborener Backfisch und aus Lindach, unter dem Vorgänger Dr. Dr. Friedrich Wenz bereits zu Ehrenbürgern ernannt worden waren, überschlug sich Schmeißer förmlich mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Franz Xaver Ritter von Epp, von 1933 bis 1945 Reichsstatthalter in Bayern.
Der Bezug Ritter von Epps zu Eberbach ergab sich nur durch seinen Vater, Kunstmaler Rudolf Epp. Der Rathauschef und sein Erster Beigeordneter reisten zur Aushändigung der schwülstigen Urkunde ("Enkel der Stadt") extra nach München.
Auch interessant
Obwohl noch offiziell weiter in dieser Funktion, wurde Schmeißer kurz vor dem Kriegsbeginn September 1939 zum Wehrdienst einberufen, zusammen mit seinem Stellvertreter und Ersten Beigeordneten, der gleichzeitig Ortsgruppenleiter der NSDAP war.
Wo war Schmeißer im Krieg? In welcher Funktion, in welcher Einheit? In seinen Erinnerungen beschreibt Schmeißer nur bruchstückhaft von seinem Kriegseinsatz: "Fünf Jahre an der Front, dann über drei Jahre in englischer Kriegsgefangenschaft". Während er hier keinerlei Details erwähnt, berichtet er doch in allen Einzelheiten, wie er nach Rückkehr aus der Gefangenschaft von zwei Eberbacherinnen am Bahnhof freudig begrüßt wurde und man ihm sogar beim Koffertragen half.
Der ehemalige Eberbacher Studiendirektor Bruno Schmitt arbeitet derzeit an einem Werk über Eberbach im Dritten Reich, das die Stadt herausgegeben wird. Bei seinen Recherchen ist Schmitt auch nur auf die vagen Angaben Schmeißers angewiesen. "Sehr wenig", beschreibt er die Ausbeute zu Schmeißers Zeit im Zweiten Weltkrieg. Nach dem Frankreich-Feldzug dürfte Schmeißer ab Sommer 1940 Stadtkommissar im elsässischen Schlettstadt gewesen sein. Im März 1941 war diese Tätigkeit zu Ende, ist dokumentiert.
Es gibt eine Postkarte, in der der "Stadtkommissar von Schlettstadt" in der Wehrmachtsuniform als Leutnant fotografiert ist. Dann verlieren sich die Spuren in den Eberbacher Unterlagen. Im November 1944 wollte man die Vakanz in der Führung der Stadtverwaltung nicht mehr länger aufrechterhalten. Am 1. November des Jahres wurde der Bürgermeister Neckargemünds offiziell als Vertreter des Eberbacher Stadtoberhauptes eingesetzt.
Wenige Tage nach der Übernahme der Stadt hat die US-Kommandantur am 4. April 1945 Dr. Siegfried Krampe für zwei Monate als Bürgermeister beauftragt. Bis 1954 folgten drei weitere Bürgermeister. Ehe am 1. Februar 1954 Hermann Schmeißer zum von der Bevölkerung gewählten Bürgermeister wurde. Es gab zwei Wiederwahlen. Die Eberbacher haben Schmeißer seine Rolle im Dritten Reich mehrheitlich nicht nachgetragen. 1972 beendete er seine demokratisch legitimierte Dienstzeit – und wurde sogar Ehrenbürger der Stadt.



