Wenn Philosoph und Pianist über Erich Kästner nachdenken
Jochen König und Ronald Autenrieth liefern "Nachdenkereien und Merkwürdigkeiten" über den Autor - Auf die Dosis kommt es an

Von Barbara Nolten-Casado
Eberbach. Eine Prise Dada und ein gewisses Quäntchen "Dosis" dürfen nicht fehlen, wenn Philosoph und Pianist auf Publikum treffen. Das machte am Mittwochabend auch das weiße "P" auf dem blauen Grund einer Parkscheibe deutlich, die die Anfangszeit der "Nachdenkereien und Merkwürdigkeiten" signalisierte, welche Jochen König und Ronald Autenrieth auf Einladung der Volkshochschule im VHS-Saal vorzustellen gedachten. Erich Kästners 1931 erschienener Kinderroman "Pünktchen und Anton" sollte dabei im Mittelpunkt stehen beziehungsweise "das charmante Modell" des Autors, jedem Kapitel eine "ethische Nachdenkerei" nachzustellen.
Die Idee, sich Kästners Gedanken näher anzuschauen, sei ihm beim "Leseprojekt" mit seiner Tochter gekommen, verwies Philosoph König auf die Entstehungsgeschichte seines Vortrags. Das Ergebnis davon sollte nun ein rundes Dutzend Zuhörer wiederum zu eigenem Nachdenken anregen. Pianist Autenrieth war angetreten, Kästners Gedanken musikalisch zu kommentieren.
Um das Thema "arm und reich" geht es in Kästners Buch, um die Freundschaft zweier Kinder ganz unterschiedlicher Herkunft, um emotionale Geborgen- bzw. Verlassenheit und um soziale Gerechtigkeit. Am Schluss jedes Kapitels hat der Autor einzelne Aspekte daraus, wie etwa "Mut", "Stolz", "Freundschaft", "Respekt" oder "Dankbarkeit" einer durchaus vom damaligen Zeitgeist geprägten ethischen Betrachtung unterzogen. Zu jedem einzelnen der insgesamt 16 Begriffe hielt König Herkunft, Definition und Synonyme bereit. Philosophen aller Epochen, Dichter und Denker von antik bis zeitgenössisch wurden dazu zitiert. Und natürlich durften auch eigene Gedanken des "Odenwälder Philosophen" nicht fehlen – einschließlich der Verweise auf den von König selbst begründeten "Dosismus": Kommt es doch, wie so oft im Leben, auch bei den Un-/Tugenden letztlich auf die Dosis an.
Ronald Autenrieth hatte seinerseits sechs zu bestimmten Textstellen passende Klavierstücke ausgewählt. So widmete er den "Valse infernale" aus Giaccomo Meyerbeers Oper "Robert der Teufel" der gleichnamigen Figur aus dem Kinderroman. Zum Aspekt "Mut" ließ er das Stückchen "Nicht gezagt!" aus Liszts "Geharnischten Liedern" auf dem Klavier erklingen.
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Die "Neugierde" wurde mit Musik von Anne Terzibaschitsch kommentiert, die "Lüge" durch eine Weise aus Richard Strauss’ Oper "Elektra". Zu "Selbstbeherrschung" und dem "glücklichen Ende" äußerte Autenrieth sich pianistisch mit den Sätzen "Balance" und "Fly Away" aus seiner Suite "Grenzen".
Die Idee zu "Pünktchen und Anton" verdankte Kästner übrigens einer kleinen Zeitungsnotiz, die von einem Kind aus gutem Haus berichtete, das nachts beim Betteln angetroffen worden war. Der Artikel hatte Eingang in seine "Merkwürdigkeiten"- Sammlung gefunden. Und so hielten auch König und Autenrieth am Ende einen Schuhkarton voller "Würdmerkigkeiten" mit "kaum glaublichen aber wahren Zeitungsmeldungen" der vergangenen Monate bereit, aus dem jeder der Anwesenden sich einen Schnipsel zum "Nach- und Bedenken" mitnehmen durfte.
Abgerundet wurde die Veranstaltung durch eine Ausstellung mit Illustrationen zu den "Nachdenkereien", die die österreichische Künstlerin Lucia Franziska Sieberer eigens für den Vortrag am Donnerstag gezeichnet hatte.



