Seit gut einem Jahr wird fast jeden Samstag demonstriert
Die einen reden über Liebe, andere über ein "totalitäres System". Eine Hirschhornerin tritt als Kandidatin zur Bundestagswahl an.

Von Christofer Menges
Eberbach. In Eberbach wird weiter demonstriert. Am Samstag fand auf dem Leopoldsplatz die 52. "Zusammenkunft für Menschlichkeit, Frieden und Naturrecht" statt. Zwischendrin fiel die Demo auch mal aus, weil auswärts demonstriert wurde. Deshalb war es nach der ersten am 9. Mai 2020 auf dem Neuen Markt nicht exakt der Jahrestag. Anfangs stand noch "Einigkeit, Recht, Freiheit" auf dem Pflaster. Inzwischen wird für "Frieden, Freiheit, Wahrheit, Liebe" und "unsere Rechte" demonstriert.
Diesmal gut 40 Versammlungsteilnehmer, etwa ein Dutzend Redner. Auf Tischen liegen Faltblätter und Bücher aus: "Gute Impfung, schlechte Impfung", "Die Impf-Illusion", "Mobilfunk – die verschwiegene Gefahr", "Die AHA-Formel für Freiheit". Die Sonne scheint, der Brunnen plätschert. "Eigentlich hatte die Stadt uns versprochen, den auszuschalten. Vorigen Samstag war er aus", sagt Lydia Hildenbrand, die von Anfang an dabei ist. Im Schatten an der Treppe zur Tiefgarage lehnen zwei Polizeibeamte mit Maske, die die Demo beobachten. Aus dem Verstärker klingt "Ära Bill Gates" des Rappers SchwrzVyce. Ingrid Reichert zündet Teelichter an, die in Einmachgläsern im Halbkreis stehen. Es gibt Kaffee aus Plastikbechern. Es brennen Räucherstäbchen. Für Jens Bengen, einen Arzt, der einen Youtube-Kanal namens "Schwert der Wahrheit" betrieben und sich nach Aussagen von Demoteilnehmern ein paar Tage zuvor das Leben genommen hat, wird eine Schweigeminute eingelegt.
Es gibt Regeln: Abstand, Maske, kein Alkohol, keine Drogen im Versammlungsbereich. Darauf achten auch die Ordner und verteilen Masken an die, die keine haben. Daran halten sich auch so gut wie alle. Dennoch wird die Maskenpflicht im Freien bei der Größe des Platzes kritisch gesehen. Nur sei ein entsprechender Antrag bereits mehrfach vom Verwaltungsgericht abgelehnt worden, berichtete Joachim Braunsberger, ebenfalls einer der ersten Stunde, während die Band auf dem Platz "Volare" spielt. Zu einem neuerlichen Anlauf wolle er das nächste Mal mehr sagen.

Mehr als zwei Stunden dauert das Programm. Es wird gesungen, geredet, gemeinsam meditiert. "Eventcharakter" nennt das auch einer der beiden Polizeibeamten. Ingrid Reichert redet über Liebe: "Die, die geimpft sind, die sich uns entgegenstellen, brauchen am nötigsten unsere Liebe." Negative Energie erzeuge negative Energie. Roland Farrenkopf, auch er lange dabei, berichtet über Urlaubsmöglichkeiten für Ungeimpfte und wünscht sich eine Welt, in der man wieder unbeschwert spazieren, feiern, essen gehen könne: "Ohne den Gedanken, habe ich eine Maske dabei, habe ich ein Attest dabei." Susanne Götz trägt "zwölf emotionale Rechte des Menschen" vor, etwa das Recht etwas nicht zu wissen, ohne sich dabei blöd vorkommen zu müssen.
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Plätschernder Brunnen, Motorräder und Autos, die vorbeifahren, nicht jedem Redner lässt sich folgen. Richtig politisch wird es nur einmal: Ina Rodewald kritisiert unter Applaus Thromboserisiken und Impfungen bei Kindern und kündigt ihre Kandidatur zur Bundestagswahl an.
Die 54-Jährige aus Hirschhorn, nach eigener Aussage beruflich Trainerin für wertschätzende Kommunikation und politisch bislang nicht aktiv, tritt ,wie sie sagt, für "Die Basis" an. Mitte Mai wurde sie für den Wahlkreis Bergstraße als Direktkandidatin nominiert. "Die Basis" sei im Juni vorigen Jahres gegründet worden und wachse schnell. Inzwischen habe sie mehr als 20.000 Mitglieder.
Danach redet ein "Alex", auf dessen Maske "Teletubbies Hirnfick" steht, über von Konzernen gekaufter Wissenschaft, Propagandamaschine, Agenda 2010 und ein "totalitäres System". Seinen Namen will er nicht nennen: "Nö, mach ich nich’"
Friedlich bleibt es bis auf einen Zwischenruf: "Des ka’mer jo ned mit o’heern" ruft ein Zuhörer. Der Aufforderung, "Gehen Sie ans Mikrofon, wenn Sie dran sind, aber proleten Sie hier nicht rum", kommt er nicht nach. Nach gut zwei Stunden meditieren zum Abschluss noch einmal rund 30 mit ausgebreiteten Armen im Kreis. Diesen Samstag geht es wohl weiter.