Schönbronn: In Allemühl wurde der Bürgerbus vorgestellt
Ländliche Kommunen suchen nach neuen Nahverkehrsformen - Land und EU unterstützen ehrenamtliche Mobilitätsangebote - Berichte aus der Praxis

Der ÖPNV reicht im ländlichen Raum - im Bild: Allemühl - nicht aus, um "Dörfer attraktiv und zukunftsfähig zu erhalten" (Leader-Förderthema). Neue Verkehrskonzepte sind gefragt.
Von Jutta Biener-Drews
Schönbrunn. Bezahlbare Mobilität im ländlichen Raum ist eine Aufgabe, die nicht nur Schönbrunn mit seinen 2900 Einwohnern in fünf Ortsteilen auf den Nägeln brennt. Das Problem einer nur lückenhaften Versorgung kleiner Dörfer und ihrer älter werdenden Einwohner mit ÖPNV-Angeboten drückt auch andere Kommunen. Und verlangt nach neuen Formen der Nahverkehrsversorgung, wie sie die sogenannten Bürgerbusse und ähnlich strukturierte ehrenamtliche Fahrdienste bieten (siehe Kasten). Was es damit auf sich hat, wie sich ein Bürgerbus aufbauen, erfolgreich betreiben und finanzieren lässt, war Gegenstand einer gut besuchten Informationsveranstaltung in der alten Schule von Allemühl. Zur von der Leader-Regionalentwicklung Neckartal-Odenwald und dem Ehrenamtszentrum Neckar-Odenwald organisierten Runde konnte Bürgermeister Jan Frey als Hausherr begrüßen: den Leiter der Leader-Geschäftsstelle Martin Säurle, den früheren Waldbrunner Bürgermeister Klaus Schölch, Vorsitzender des Vereins Regionalentwicklung Neckartal-Odenwald ("die Leader-Strukturprogramme für ländliche Räume sind hier auf gutem Weg") und als Referent Dr. Martin Schiefelbusch. Er ist bei der Nahverkehrgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) für ÖPNV und innovative Angebotsformen im ländlichen Raum zuständig. Um den interessierten Zuhörern, darunter etliche Bürgermeister, einen Eindruck davon zu geben, wie ehrenamtliche Verkehrsmodelle funktionieren, stellten Maxi-Monika Thürl und Dieter Scheidel aus ihrer Praxis den Fahrdienst Seckach bzw. den Bürgerbus Grünsfeld vor.
Hintergrund
> Der Bürgerbus ist ein Nahverkehrsangebot von Bürgern für Bürger und dazu gedacht, speziell im vom ÖPNV unterversorgten ländlichen Raum das bestehende Angebot sinnvoll und ohne hohen finanziellen Aufwand für die Kommunen zu ergänzen. Mit Hilfe solcher ehrenamtlich
> Der Bürgerbus ist ein Nahverkehrsangebot von Bürgern für Bürger und dazu gedacht, speziell im vom ÖPNV unterversorgten ländlichen Raum das bestehende Angebot sinnvoll und ohne hohen finanziellen Aufwand für die Kommunen zu ergänzen. Mit Hilfe solcher ehrenamtlich organisierter Personenbeförderung - sei es in Kleinbussen oder in Privat-Pkw mit ehrenamtlichen Fahrern - ist auf dem Land eine örtliche Feinerschließung möglich, die vom gewerblichen Linienverkehr nicht zu leisten ist, und die passgenau und flexibel auf lokale Wünsche und Verhältnisse eingehen kann. So lassen sich Lücken in Busfahrplänen schließen, Dörfer auch außerhalb der Schülerbeförderung bedienen, Wohngebiete erschließen und Mobilität unabhängig vom Individualverkehr z.B. auch für Senioren gewährleisten.
Die Stärke des Bürgerbusses ist seine persönliche Note, sagte Referent Schiefelbusch und erläuterte fünf der auch in Baden-Württemberg verbreiteten ehrenamtlichen Mobilitätsformen. Vorrangig den klassischen Bürgerbus mit festem Fahrplan, das Bürgerrufauto und den sozialen Bürgerfahrdienst für spezielle Gruppen oder Zwecke (wie beispielsweise Einkaufs- und Arztfahrten), Die Konzepte variieren laut Schiefelbusch stark - angefangen bei der Trägerschaft (denkbar ist etwa ein eigener Verein, die Gemeinde sowie eine Mischform als Träger) und Versicherungsfragen bis zu den Einsatzmöglichkeiten. Bei ihrer Umsetzung müsse ein Kompromiss gefunden werden zwischen dem vorhandenen ÖPNV-Angebot, in das sich das ehrenamtliche Engagement sinnvoll einzuordnen habe, und den lokalen Mobilitätsbedürfnissen. Das Land, so Schiefelbusch, will die geeigneten Rahmenbedingungen dafür bieten. Wichtig dabei: nicht konkurrieren, sondern kooperieren mit Verkehrsanbietern vor Ort; das neue Angebot einbinden in die lokale Infrastruktur und Partner suchen (Feuerwehr, DRK, Gewerbetreibende); die ehrenamtlich Aktiven nicht überfordern. Und schauen, wie es anderswo läuft.
Zum Beispiel in Grünsfeld beim Bürgerbus und in Seckach beim sozialen Fahrdienst. Beiden Modellen ist unter anderem gemein: es werden nur eigene, rein ehrenamtlich tätige und eigens geschulte Fahrer eingesetzt; die ausschließliche oder weitgehende Nutzung als Rufverkehr (mit Fahrtanmeldung am Vortag), die nach schleppenden Anfängen gute Akzeptanz des Angebots - und das Bemühen, damit auch den örtlichen Handel zu unterstützen. So gilt in Seckach, dessen Zentrum im Unterschied zu seinen Ortsteilen eine gute Infrastruktur aufweise, ein Großteil aller Fahrten dem Einkauf.
In Grünsfeld, erläutert Dieter Scheidel, läuft der Bürgerbus seit Oktober 2015. Ein halbes Jahr zuvor wurde ein Verein gegründet mit dem Ziel, die Mobilität der Älteren zu fördern, einen Zubringer zum Schienenverkehr sowie eine Anbindung zum Industriepark und seinen Arbeitsstellen zu schaffen. Laut Scheidel wurde ein Sponsor gefunden, der einen Neunsitzer als Fahrzeug anschaffte, 48 Firmen unterstützen das Unternehmen durch ihre Werbung auf dem Bus. Die Buchung der Fahrten läuft hier über die Stadt, die auch finanziell mit im Boot ist.
In Seckach gibt es seit 2008 einen mit privaten Pkw besorgten Fahrdienst speziell für in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen. "Einen Verein wollten wir nicht gründen", berichtet Maxi-Monika Thürl, "aber die Unterstützung durch die Gemeinde war groß". Das jetzige Angebot ermögliche Senioren nun sogar den Verbleib in ihrer vertrauten Umgebung: durch Fahrten zu Ärzten, Therapeuten und zum Einkauf.
Wie man Bürgerbusse zum Rollen bringt und ihren Betrieb finanziert, welche EU(Leader)- und Landesfördertöpfe sich dafür anzapfen lassen, dazu gibt es Infos auf www.buergerbus-bw.de, www.leader-neckartal-odenwald.de. Ein Praxisworkshop findet am 29. April, 10.30 Uhr, im Landratsamt in Heidelberg statt.