Progromnacht: Sie waren genau so Biedermänner wie Brandstifter
Die Täter und Unterstützer der judenfeindlichen Aktionen in Eberbach kamen aus der Mitte der Bevölkerung
Einer der örtlichen SS-Führer war ein dummer einfacher Angestellter in einer Eberbacher Weltfirma, stolz, wenn er in seiner Montur durch die Straßen schritt.
An den an der Brandstiftung beim jüdischen Gotteshaus beteiligten SS-Mann Anton K. und sein Handeln unmittelbar nach der Tat kann sich Altstadtrat Fred Henk (87) noch heute erinnern. Der zwölfjährige Fred stand am Morgen des 10. November 1938 kurz vor acht mit seinen Mitschülern an der Turnhalle bei der Katholischen Kirche, um auf den Sportlehrer zu warten. Der Rauch der brennenden Synagoge war von weitem zu sehen, als der in der Stadt bekannte SS-Mann in Zivil vom Tatort her über die Kirchenstaffel gerannt kam, um pünktlich um acht seine Arbeit bei der in der Nähe befindlichen Allgemeinen Ortskrankenkasse aufzunehmen.
Nur fünf an den Ausschreitungen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 beteiligten Eberbacher SS-Leuten wurde 1948 beim Landgericht Mosbach der Prozess gemacht. Sie hatten alle nach dem Krieg wieder eine bürgerliche Existenz in der Stadt. Kaufmann Anton K., Kaufmann Georg S., Vertreter Joseph H., Werkmeister Jakob Philipp Wilhelm H. und Zementeur Josef Sch. mussten sich verantworten.
Vier bekannten sich zu ihren Taten, beriefen sich aber gleichzeitig auf ihre Befehle.
Das Gericht verhängte Haftstrafen von einmal zwei Jahren und drei Mal anderthalb Jahren. Man rechnete den Angeklagten ihren "guten Leumund" an. Sie waren nicht vorbestraft. Mehr Eberbacher wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. Anderen Verdächtigen konnte die Beteiligung an den "Judenaktionen" nicht nachgewiesen werden - oder sie waren im Krieg gefallen. Der Eberbacher Bürgermeister Hermann Schmeißer hatte von 1935 bis 1940 das Amt des Rathauschefs in der "Hochburg der nationalsozialistischen Bewegung im Odenwald" inne. Hermann Schmeißer war Mitglied der SA. Die Eberbacher haben ihm seine Rolle im Dritten Reich nicht nachhaltig verübelt.
Von 1954 bis 1972 wurde Hermann Schmeißer zum demokratisch gewählten Nachkriegsbürgermeister. Und zum Abschied aus dem Amt erhielt er die Ehrenbürgerschaft der Stadt.
Der Gedenkstein, der an die Synagoge erinnert, wurde am Jahrestag 9. November 1979 von seinem Nachfolger Horst Schlesinger enthüllt.



