Kommt ins Eberbacher Entwicklungskonzept noch einmal frischer Wind?
Dass die "Attraktivierung" der Eberbacher Innenstadt nicht so funktioniert, wie sie sollte, liegt möglicherweise an einem Missverständnis

Um die Probleme, die die Imakomm-Studie aufzeigt, lösen zu können, muss man die Eberbacher Innenstadt und ihre Umgebung als Ganzes sehen. Archivfoto: Gustel Mechler
Von Christofer Menges
Eberbach. Vor sieben Jahren ließ die Stadt Eberbach von der Imakomm-Akademie in Aalen ein Entwicklungskonzept für den Einkaufs- und Dienstleistungsstandort Eberbach anfertigen. Das Konzept enthielt viele Ideen, es sollte einen Push geben und viele mitreißen. Sieben Jahre später ist davon kaum mehr etwas übrig. Stattdessen zieht die Umsetzung des Konzepts Streit und Kosten nach sich. Der Grund könnte sein, dass nicht jeder die Sprache des Konzepts gleich versteht. Statt Eberbach zu "attraktivieren", wie es das Konzept vorsieht, wird Eberbach verschönert - und genau so funktioniert es eben nicht.
Was aber ist "Attraktivierung"? Das Wort steht nicht im Fremdwörterbuch. Es ist eine Zusammenziehung aus zwei Wörtern: "attraktiv", ein Nebenwort, und "Aktivierung", das ist das Hauptwort. Da lauert schon der erste Denkfehler: "Attraktiv" steht zuerst, ist aber nicht die Hauptsache. Gemeinhin wird es mit "schön" gleichgesetzt. Das ist es aber nicht. Als "schön" empfinden wir in der Regel das größte Gleichmaß. Das wird uns aber schnell langweilig.
"Attraktiv" heißt dagegen "anziehend". Was uns langweilt, zieht uns nicht an. Was zieht uns stattdessen an?
Es muss beides sein: schön und fremd zugleich. Schön und gleichmäßig muss es sein, damit es uns vertraut vorkommt, damit wir keine Angst davor haben. Es muss aber auch fremd sein, irritierend, damit wir neugierig darauf werden. Es muss uns eine Belohnung versprechen, eine Entdeckung, die uns voranbringt. Das kann alles mögliche sein. Nur darf die Irritation auch nicht so groß sein, dass sie uns Angst macht. Sonst empfinden wir sie als unangenehm und rennen davon.
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Jetzt merkt man schnell: Das hat ja nur am Rande mit der Frage "gefällt mir" oder "gefällt mir nicht" zu tun. Es geht nicht um Kunst um ihrer selbst Willen. Attraktivität ist Handwerk. Und das funktioniert nur, wenn man weiß, wie es funktioniert.
Das ist auch der Trick, wie sich Partner in einer Beziehung über viele Jahre interessant halten: Man muss vertraut sein, damit man keine Angst haben muss, sonst rennt der andere weg. Man muss aber auch ein bisschen geheimnisvoll bleiben, damit man nicht uninteressant und damit unattraktiv wird, sonst langweilt sich der andere und rennt vielleicht auch weg, weil er irgendwo etwas Interessanteres sieht, von dem er sich mehr erhofft. Das ist das berühmte Lächeln der Mona Lisa: Sie ist nicht für jeden gleich schön, aber ihr Lächeln macht sie unheimlich attraktiv.
Und was ist "Aktivierung"? Aktivierung heißt nicht, dass man etwas Neues schafft. Es heißt, dass man das, was da ist, aktiviert, indem man es repariert. Es braucht keine Millionen, um neue Sachen für die Kellereistraße oder die Stadteinfahrt zu kaufen. Es braucht die Mühe, das Vorhandene zu reparieren, damit es wieder funktioniert. Dazu muss man wissen, wie es funktioniert. Und dazu muss man, weil es viele Beteiligte gibt, viele Leute an einen Tisch bringen - damit sie dabei helfen, mit allem, was sie einbringen können.
Das wäre eigentlich die Aufgabe des Kümmerers gewesen, den die Imakomm-Studie vorgeschlagen hatte und den es bis heute nicht gibt. Der Kümmerer muss auch Versteher sein. Und Geld braucht es dabei nur für die Ersatzteile, die man zur Reparatur benötigt.
Und jetzt stellen wir uns Eberbach als Auto vor. Bei dem Auto ist der Motor kaputt und das Geld reicht nicht für ein neues, also muss es repariert werden. Käme irgendeiner auf die Idee, das Auto zu lackieren, bevor der Motor repariert ist?
Erst muss der Motor wieder laufen, dann kann man sich über die Farbe des Lacks streiten, die unser Auto attraktiver machen soll - denn ein bisschen beeindrucken wollen wir damit ja schon. Stattdessen machen wir es umgekehrt.
Deshalb sollten wir aufhören, uns über die Farbe des Lacks zu streiten, über schön oder hässlich und die Frage, ob uns etwas gefällt oder nicht. Das spielt jetzt noch keine Rolle. Genau so wenig wie Fähnchen oder Eber. Erst muss das Auto laufen. Dann kommt der Wackeldackel auf die Heckablage.
Dafür muss man gemeinsam in die Hände spucken und den Motor reparieren. Das Reparaturhandbuch zur "Attraktivierung" ist die Imakomm-Studie. Die legt auch fest, was in welcher Reihenfolge repariert werden muss, damit der Laden wieder läuft. Wir müssen sie nur verstehen und Klartext miteinander reden.
Dr. Peter Markert, der Mann, der als Leiter der Imakomm-Studie vor sieben Jahren das Wort "Attraktivierung" nach Eberbach gebracht hat, hat zu vorliegendem Artikel übrigens gesagt: "Ja, Sie sind ,auf dem richtigen Dampfer’. Ich hoffe, dass sich viele Eberbacher dadurch angesprochen fühlen und mit anpacken, den Motor zu reparieren!" Man muss damit nur von der richtigen Seite aus anfangen.



