Eberbach

Französische Partnerstadt Thonon bewirbt sich als "Kaiserstadt"

Auf den Spuren Napoleons. Es hat einen touristischen Hintergrund.

05.07.2023 UPDATE: 05.07.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden
„Ville impériale“. Auf den Spuren Napoleons reisen. Eberbachs Partnerstadt Thonon möchte Mitglied eines französischen Tourismusverbundes werden, der mit diesem Gemälde Napoleons wirbt. Repro: rho

Von Rainer Hofmeyer

Eberbach. Eberbach hat seine attraktive Zusatzbezeichnung schon, amtlich verbrieft. Seit Oktober letzten Jahres darf man sich hier offiziell "Stauferstadt" nennen. Die Ortsschilder sind geändert. Der Begriff sickert so langsam in die Berichterstattung. Eberbachs französische Partnerstadt Thonon les Bains bemüht sich nun auch um ein insbesondere touristisch werbewirksames Prädikat. Dort möchte man "Ville impériale" werden, "Kaiserstadt" auf den Spuren Napoleons. So lässt es die Bürgermeisterei von Thonon am Genfersee jedenfalls in ihrem aktuellen Magazin verlauten.

In diesem Sommer noch will Thonon die Kandidatur für die Auszeichnung "Ville impériale" einreichen. 22 vornehmlich französische Städte können sich schon so nennen. Sie haben Verbindungen zu zwei kaiserlichen Epochen und ihren Akteuren. Das Prädikat "Ville impériale" bezieht sich auf das Erste Kaiserreich unter Napoleon Bonaparte von 1804 bis 1814/15 und auf das Zweite unter Napoleon III. von 1852 bis 1870. Cassandra Wainhouse, stellvertretende und für Kultur zuständige Bürgermeisterin Thonons sieht die "Chance einer echten touristischen und kulturellen Wahrnehmung in der breiten Öffentlichkeit".

Es gibt ganze Motivbündel für Anträge auf Verleihung historischer Prädikate. In erster Linie wie im Falle Eberbach: die geschichtliche Identität herauskehren, vor allem kurz vor der 800-Jahr-Feier 2027. Dann sollte laut den Verleihungs-Vorgaben des Landes Baden-Württemberg die jeweilige Gemeinde noch heute entsprechend geprägt sein. Eberbachs Altstadt hat immer noch die fast 800 Jahre alten Grundstrukturen.

Ohne schlüssige Belege gibt es aber diesseits und jenseits des Rheines keinen historischen Titel. Während Eberbach bei der Begründung des Antrages einen leibhaftigen Stauferkönig als Bewohner seiner Burg bei der Stadtgründung nennen konnte, war der kleine große Napoleon I. Bonaparte nie in Thonon gewesen. Napoleon III. war 1860 wenigstens einmal mit seiner Frau zu Besuch dort.

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Das Markenzeichen "Ville impériale" bewirbt einen Tourismusverbund. Von Ajaccio bis Waterloo zählt man die dazugehörigen Örtlichkeiten. Die Stadt Thonon hat nur indirekte Verbindungen zu den französischen Kaisern. Gleich drei kaiserliche Kriegsgeneräle sind es jedoch, die Thonon als Referenz für seinen Antrag anführt. Ihre Namen sind sogar im Arc de Triomphe in Paris eingraviert.

Infanterie-General Joseph-Marie Dessaix war gebürtig in Thonon. Er begleitete ab Ende des 18. Jahrhunderts die zahlreichen Feldzüge unter Napoleon Bonaparte. Im Oktober 1805 kämpfte er sogar bei Ulm. Nach der Schlacht bei Waterloo im Juni 1815 und Napoleons Abdankung quittierte Dessaix seinen Dienst und ließ sich in der Schweiz nieder. Thonon hat ihm ein riesiges Denkmal mit Bronze-Statue und Marmor-Sockel gesetzt. Ebenfalls General in der napoleonischen Armee war Pierre-Louis Dupas, der in Evian geboren wurde und in Thonon starb. Ein weiterer General aus Napoleon Bonapartes Armee mit Bezug zu Thonon ist Louis Pierre Aimé Chastel, der in einer Nachbarstadt geboren wurde und mit seinem Bruder in Thonon zur Schule ging.

Thonon will ab März 2024 Wechselausstellungen im örtlichen Chablais-Museum veranstalten, wo schon Napoleons Büste steht. Dort will man unter anderem historische Uniformen zeigen. Außerdem soll es geführte und autonome Stadtrundgänge geben, um die Örtlichkeiten und die Geschichte des Ersten und Zweiten Kaiserreichs zu entdecken. Einbezogen werden soll das Denkmal von General Dessaix auf dem Belvedere, das Schloss von Ripaille, die letzte Ruhestätte von General Dupas, und das Ehrenmal gegenüber dem Bahnhof.

Thonon wird am Ende "Kaiserstadt" sein, während Eberbach auf eine Hierarchiestufe drunter stolz ist. Um in Frankreich das Eberbacher Prädikat verstehen zu können, muss man nämlich "La ville royale de Staufer" sagen, Königsstadt. Dafür hat König Heinrich VII. allerdings Eberbach als Stadt gegründet, während mit Thonon nur die Generäle des Kaisers in Verbindung gestanden standen.

Die genannten drei Generäle Napoleons haben wahrscheinlich mehr auf Eberbachs Geschichte als auf die von Thonon Einfluss genommen. Eberbachs regionale Zuordnung wurde nämlich nachhaltig von Napoleons Kriegserfolgen und denen seiner Generäle bestimmt. Frankreich hatte die linksrheinischen deutschen Gebiete besetzt. Da hatte sich Napoleon noch nicht zum Kaiser gekrönt. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss wurde im Rahmen eines territorialen Ausgleichs für weltliche Fürsten das jahrhundertelang kurpfälzische Eberbach 1803 zuerst fürstlich-leiningisch, 1806 badisch.

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