Einzelhandel in Eberbach: "Hier kann man mit den Leuten reden"
Die Geschäfte begegnen den Herausforderungen der Marktentwicklung mit individuellen Konzepten und Kundennähe

Donnerstagvormittag in der Geschäftsmeile Bahnhofstraße: Was Kunden hier finden, ist ein lebendiger Mix inhabergeführter Läden, den es so nur in Eberbach gibt. Fotos: Biener-Drews
Von Jutta Biener-Drews
Eberbach. Fast in allen (Klein-) Stadtzentren das gleiche Bild: Auf Wachstumskurs sind Imbissstuben, Handyläden, Nagelstudios und Frisörbetriebe. Und Anlaufpunkte zum Haareschneiden gibt es in Eberbach Mitte, der Stadt der kurzen Wege, inzwischen sieben - mit an die dreißig leer stehenden Läden außenrum. Und sonst? Verödet die Innenstadt? Wer so fragt, kann in Umkehrung einer bekannten Redewendung offenbar den Baum vor lauter Wald nicht sehen. Denn "es passiert hier viel auf individueller Ebene", betont Dietrich Müller. Was es im Herzen der Neckarstadt gibt, sind jede Menge Läden, die sich durch die eigene Note ihrer Inhaber auszeichnen; sind Einzelunternehmer, die am Puls der Zeit agieren, mit Sortimenten, die man anderswo vergeblich sucht. Kurzum: eine lebendige Mischung, die dieses Geschäftszentrum unverwechselbar macht. So Müller. Im Gespräch über die Herausforderungen erschwerter Markt- und schwieriger örtlicher Rahmenbedingungen wandte sich der Vorsitzende der Eberbacher Werbegemeinschaft (EWG) gegen den Eindruck, die Attraktivität der Innenstadt schwinde. "Im Verhältnis zu anderen Städten unserer Größenordnung sind wir gut aufgestellt."
Dazu bedürfe es allerdings enormer Anstrengungen - nicht nur auf Verbandsebene, wo mit Festen, verkaufsoffenen Sonntagen und Erlebnisaktionen gemeinsam um die Kundschaft geworben wird, sondern bei jedem einzelnen Händler. Was laut Müller mit einer nicht eben händlerfreundlichen Eigenschaft der Neckarstadt zusammenhängt: "Wir bräuchten 10.000 Einwohner mehr, dann wäre es einfacher". Die Crux: Die Stadt ist zwar Mittelzentrum, hat aber nur knapp 15.000 Einwohner und besitzt keine überörtlichen Verwaltungsfunktionen, "an denen die Leute nicht vorbeikommen". Dem Vergleich mit den Angeboten anderer Mittelzentren in der Umgebung wie Sinsheim (35.000 Einwohner), Mosbach (25.000) oder Erbach/Michelstadt (29.000) halte die Neckarstadt deshalb nicht stand. Dagegen ist Eberbach vergleichbar kleinen Städten wie Schriesheim oder Eppelheim mit seiner Innenstadtstruktur deutlich überlegen, stellt der EWG-Vorsitzende fest.
Ob das Gewerbegebiet Nord dem Geschäftszentrum das Wasser abgegraben habe? "Eindeutig nein", sagt Müller. "Es sähe schlecht aus, wenn wir dieses Gebiet nicht hätten". Große Anbieter und Kundenmagnete wie Kaufland, Hagebaumarkt, Aldi und Lidl, die Kaufkraft aus dem Umland anziehen, gäbe es in Eberbach sonst überhaupt nicht. "Und ein Rewe würde im alten Tengelmann in der Bahnhofstraße nicht funktionieren." Attraktive Lebensmittelmärkte haben kein Konzept für Innenstadtlagen. Sie im Zentrum anzusiedeln? "Keine Chance", ist Müller überzeugt: "Wir haben da nichts versäumt, der Markt hat sich einfach anders entwickelt". Das Problem für den Einzelhandel im Zentrum sei folglich nicht das Gewerbegebiet außerhalb, sondern "dass sich von dessen Kundenfrequenz nicht profitieren lässt".
Beim Streifzug durch die Innenstadt kann Dietrich Müller auf Schritt und Tritt Läden benennen, die er für die Innovations- und Investitionsbereitschaft ihrer Inhaber und "so nicht duplizierbare Geschäftsmodelle" als das beschreibt, was den Standort Eberbach ausmacht. Müller: "Es gibt hier recht aktive Einzelunternehmer und relativ wenige Filialbetriebe, die mit ihren Standardsortimenten auf örtliche Gegebenheiten nicht eingehen". Von A wie Apotheken, die auch Seminare anbieten, B wie Buchläden und ihre Lesungen, das berühmte Café Viktoria, Elektroanbieter, Eisdielen ("eine schöne Belebung") und Geschenkhäuser, wo man noch Sachen für 20 Cent erstehen kann ("sowas gibt’s bei euch noch? zitiert Müller Kollegen, die Eberbach darum beneiden), Lederwaren, Mode, Optik, Reformhaus, Schuhe, Schmuck, Snackbar, Sportsachen, Uhren, Wochenmarkt: als EWG-Vorsitzender kann Müller sie alle durchbuchstabieren.
Kundenwünsche erfüllen
Apropos F wie Frisör: "Beim siebten hab’ ich auch aufgestöhnt", gesteht Müller. Doch dann stellte er fest, dass auch der inzwischen "in Eberbach angekommen ist". Und dass doch alle sieben ihren eigenen Stil haben. Alles gut. Auch dass der Einzelhandel im Eckhaus Friedrich-/Bahnhofstraße Fläche an die Gastronomie verloren hat, sieht der Kaufmann gelassen. Shishabar und Dönerladen an dieser Stelle hätten zwar nicht seinen Wunschvorstellungen entsprochen, aber "wichtig ist, dass was passiert. Und wenn es gut gemacht wird, bringt das Leute in die Stadt".
Für Dietrich Müller der Schlüssel zu einem attraktiven Zentrum: "Leute in der Stadt". Um das zu erreichen, müssen Händler und Gastronomen ihre Sache gut machen: "Von allein kommt kein Kunde, man muss ihm einen Grund bieten". Was das für Eberbachs Geschäftsleute heißt, packt Müller in den Satz "vom Kunden her denken". Sich den Fragen stellen: Wer ist mein Kunde? Was will mein Kunde? Wie kann ich die Wünsche erfüllen? "Das ist unsere große Chance", sagt Müller. Individuelle Wünsche erfüllen. Ein offenes Ohr haben - und den Leuten die Möglichkeit bieten, mit uns zu reden.



