Eberbach: Patient wirft GRN-Klinik Fehler vor
Im Streit eines Hüftgelenkspatienten der Klinik mit den behandelnden Ärzten stehen Aussagen einander gegenüber - Nur Gutachter helfen, Kunstfehler aufzuspüren

Der Patient Werner Berghoff wirft der GRN-Klinik Eberbach vor, bei einer Hüft-Operation Behandlungsfehler begangen zu haben. Das Krankenhaus weist dies zurück und verweist auf Kontrollprozeduren und eine Restrisiko-Quote. Fotos: Felix Hüll/pa
Von Felix Hüll
Eberbach. Wer gesundheitliche Beschwerden hat und zum Arzt geht, erhofft sich Hilfe und bekommt sie auch. Was aber passiert, wenn dabei etwas schief geht? Ein solcher Fall an der Eberbacher GRN-Klinik zeigt, wie Vertrauen zwischen Patient und Mediziner schwindet. Am Ende steht der medizinische Laie als Patient einem komplexen System voller Fachwissen gegenüber. Als Beschwerde führender Einzelfall befindet er sich in einer vergleichsweise hilflosen Lage: die Schmerzen sind immer noch da. Jeden Tag. Und hinzu kommt nun der Streit mit denen, auf deren weitere Hilfe er angewiesen ist.
Werner Berghoff, 61, Kraftfahrzeug- und Zweiradmechanikermeister, hatte bei seiner Hüftoperation 2013 Komplikationen. Er wirft dem Krankenhaus Fehler vor. Die Klinik weist das zurück, rechtfertigt sich und spricht von einer bedauerlicherweise nicht zu vermeidenden Anzahl von Komplikationen pro Jahr bei Endoprothetikoperationen.
Werner Berghoff hatte an der GRN-Klinik Eberbach bereits 2010 nach Schmerzen im rechten Bein eine erfolgreiche Operation der rechten Hüfte. Behandlung und Heilverlauf waren erfolgreich. Berghoff: "Mit der rechten Seite habe ich keine Probleme." Auf der linken Seite jedoch ließen nach der Operation im Februar 2013 die Schmerzen im Bein auch in der Zeit des Reha-Aufenthalts nicht nach. Weitere gesundheitliche Beschwerden kamen hinzu. Wiederholt war Berghoff zu Untersuchungsterminen in der GRN-Klinik.
Hintergrund
In der Landesärztekammer verweist deren Sprecher Dr. Oliver Erens auf die jährlich veröffentlichte Behandlungsfehlerstatistik der Bundesärztekammer.
Gutachterkommission und Schlichtungsstellen haben 2015 bundesweit ingesamt 7 215 (in
In der Landesärztekammer verweist deren Sprecher Dr. Oliver Erens auf die jährlich veröffentlichte Behandlungsfehlerstatistik der Bundesärztekammer.
Gutachterkommission und Schlichtungsstellen haben 2015 bundesweit ingesamt 7 215 (in Baden-Württemberg 652) Entscheidungen zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern getroffen. Bei 1 774 (im Land 170) Fällen wurde ein solcher Fehler denn auch tatsächlich festgestellt, der einen Anspruch des Patienten auf Entschädigung begründete. GRN-Klinikleiter Hildenbrand legte im Pressegespräch im Beisein von Werner Berghoff Wert auf die Feststellung, dass es sich in seinem Fall nicht um einen Behandlungsfehler handele.
Um dies von einer neutralen Institution überprüfen zu lassen, raten die Klinik wie auch Landesärztekammersprecher Erens Patienten, bei der zuständigen Gutachterkommission der Landesärztekammer in Karlsruhe ein kostenloses Fachgutachten erstellen zu lassen. Bislang hat sich Werner Berghoff noch nicht für diesen Weg entschieden, aber er sagt: "Ich muss - und ich kann mich wehren." (fhs)
Der aus Gammelsbach stammende Werner Berghoff wohnt inzwischen in Darmstadt. Im Januar 2014 konsultierte er dort einen weiteren Arzt. Er stellte den Befund: "Hüfte lose und Bakterienbefall." Der Darmstädter Medizinier tauschte sich mit den Eberbacher Kollegen aus. Werner Berghoff wurde im Februar 2014 die Hüftprothese entfernt; bis die Voraussetzungen zur nächsten Operation Mitte April 2014 wieder gegeben waren, befand sich Berghoff im Seniorenheim "Lebensrad".
Nach der Reha war Berghoff bei seiner Tochter in Bremerhaven. Wegen der anhaltenden Schmerzen suchte er ein Krankenhaus auf. Die entzündete Operationsstelle machte erneut ein Austauschen der Prothese erforderlich. Dafür begab sich Berghoff jedoch 2015 in andere ärztliche Hände in der orthopädischen Klinik in Heidelberg.
Die Beschwerden mit der Behandlung und weitere Gebrechen führten dazu, dass Werner Berghoff mittlerweile keinen Lebensmut mehr besitzt und auch deswegen in Behandlung war. Er hat inzwischen einen Schwerbehindertenausweis und ist auf Unterstützung angewiesen. Aus seiner Sicht möchte er nicht nur eine Verbesserung seines Befindens erreichen, sondern auch geklärt wissen, wer ihn entschädigt für seine Odyssee durch Operationssäle, und dass er auf Dauer wohl mit seinen Hüftproblemen wird umgehen müssen.
Auf Seiten der GRN-Klinik Eberbach ist man nach Entbinden von der ärztlichen Schweigepflicht zu Auskünften bereit und schlägt auch ein gemeinsames Pressegespräch vor. Bei diesem Treffen kommt Werner Berghoff mit seinem behandelnden Arzt Dr. Martin Stark sowie Klinikleiter Martin Hildenbrand und GRN-Kliniken-Sprecherin Stefanie Müller zusammen. Stark ist Oberarzt der Orthopädie/Unfallchirurgie der GRN-Klinik Eberbach.
Die Klinikvertreter verweisen auf die Aufklärungsgespräche, die mit Werner Berghoff vor der Operation geführt wurden, auch darauf, dass er gegenzeichnete, er sei über die allgemeinen Risiken bei derartigen Eingriffen informiert worden und mit dem Eingriff einverstanden.
Für Berghoffs Fall lasse sich letztlich leider nur feststellen, dass die von ihm erlittenen Komplikationen zu jenem Prozentsatz gehören, der deutschlandweit pro Jahr 9000 Menschen ausmacht. In Eberbach sind das bei 300 derartigen Operationen jedes Jahr drei Patienten. Dr. Stark: "Die Materialien sind exzellent. Komplikationen wie eine derartige Infektion kommen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen vor."
Werner Berghoff erwähnt ihm mittlerweile zu Ohren gekommene weitere ähnliche Fälle. Die Klinik hingegen hebt hervor, dass in Berghoffs Fall beim Versuch, der Komplikation zu begegnen, die vorgegebenen Fristen sogar noch möglichst weit zugunsten Berghoffs genutzt worden seien (das Zuwarten zwischen Abheilen der Einsatzstelle und dem Neueinsetzen der nächsten Prothese darf nicht allzu lang währen, sonst ist eine Prothetik hier nicht mehr möglich).
Klinikleiter Hildenbrand betont, dass auch die Eberbacher Klinik durch die Qualitätsinitiative EndoCert der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie überprüft werde, wie die medizinischen Erfordernisse alle erfüllt werden. Hildenbrand: "Unser letztes Audit war im Februar. Zudem haben wir das höchste Gütesiegel für Endoprothetikzentren erhalten, das von über 2000 Kliniken nur 333 bekamen."
Ein Anruf bei zwei von Werner Berghoff erwähnten ähnlich gelagerten Komplikationsfällen ergibt, dass die eine Person in diesem Zusammenhang nicht erwähnt werden möchte, weil sie sich in einem "schwebenden Verfahren" befinde. Es gebe da wohl drei oder vier Fälle, die aber wohl immer vorkämen.
Und Gerhard Rebscher aus Beerfelden - in Eberbach bekannt als Wirt im Kuckucksmarktfestzelt - erklärt, dass er seine Probleme nach einem Infekt ein Dreivierteljahr später in einer anderen, Ludwigshafener Klinik habe lösen lassen. Rebscher: "Der Professor dort hat gesagt, das könne jedem passieren, davor sei man nicht gefeit."
Auch die Nachfrage bei der Landesstelle des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ergibt keinen Hinweis auf Auffälligkeiten in Eberbach, ebenso nicht bei der AOK Rhein-Neckar-Odenwald (nicht Berghoffs Kasse). AOK-Specher Alexander Föhr sagt, dass keine Fälle bekannt seien, in denen sich Versicherte wegen Unzufriedenheit mit der GRN-Klinik Eberbach an sie gewandt hätten oder dass die Kasse anderweitig von solchen Fällen wisse.



