Die nächste Hausarztpraxis schließt
Stefan Winter findet keinen Nachfolger. Die gute Nachricht: Arzt macht in der Praxis von Hamid Balogun in Teilzeit weiter.

Von Barbara Nolten-Casado
Eberbach. Der Ärztemangel im Land nimmt nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg inzwischen dramatische Formen an. Es fehlen flächendeckend Hausärzte, die Nachwuchsprobleme sind gravierend. Auch vor Eberbach macht diese Entwicklung nicht Halt. Erst Ende 2023 hatte Dr. Ulf Mieck seine Praxis in der Friedrich-Ebert-Straße geschlossen.
Nun wird auch Dr. Stefan Winter (66) seine alteingesessene Hausarztpraxis in der Gartenstraße aufgeben. 2012 hatte der Facharzt für Allgemeinmedizin und Chirurgie sie vom Eberbacher Ärzteehepaar Doctores Blanke übernommen. Ende März ist hier nun endgültig Schluss, ein Nachfolger konnte nicht gefunden werden.
Die Gründe für Winters Praxisaufgabe hängen allerdings nicht mit seinem Alter zusammen. Es sind vielmehr die gleichen, die auch andernorts den Hausärztemangel beschleunigen, etwa die "prekäre Personalsituation". Nur noch eine einzige Mitarbeiterin hat bei Dr. Winter derzeit den gesamten Praxisalltag zu managen.
"Ich habe lange versucht, weitere Mitarbeiterinnen zu finden, aber es gibt keine mehr, auch keine Azubis", hat der Arzt festgestellt, der zehn Jahre lang als Chirurg tätig war und sich vor rund dreißig Jahren als Hausarzt niederließ.
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Und dann die gesamten Rahmenbedingungen. In seinen drei Jahrzehnten als Hausarzt habe jeder Gesundheitsminister aufs Neue eine Entlastung von Bürokratie, den Wegfall der Fallzahlbegrenzung und eine Entbudgetierung angekündigt.
"Außer Versprechungen ist da nichts gewesen", sagt Winter. "Im Gegenteil, die Situation hat sich noch verschlechtert. Die Bürokratie ist zu einem schier unüberwindlichen Bollwerk geworden." Hinzu kämen die Gängeleien durch Krankenkassen und Gesundheitspolitik.
Der ganze angestaute Unmut bricht aus Stefan Winter heraus, wenn er – als Beispiel – von der alten, gebrechlichen Patientin erzählt, der er zur Linderung ihrer Leiden ein "Dekubituskissen" verschrieben hat, und von der seitenlangen detaillierten Stellungnahme, die der Medizinische Dienst der Krankenkassen als Rechtfertigung für diese Verschreibung von ihm verlangt.
"Ich habe zu sowas einfach keine Lust mehr", sagt Winter. Das alles mache den Beruf des Hausarztes für junge Leute nicht gerade attraktiv, ist er überzeugt. Ein weiterer Auslöser für die Entscheidung, die eigene Praxis aufzugeben, war für Winter die Einführung des E-Rezepts zum 1. Januar 2024 und die im Raum stehende elektronische Patientenakte. Der Grund: "Die technische und finanzielle Umsetzung des E-Rezepts erfolgt auf dem Rücken der niedergelassenen Ärzte. Und ich befürchte, dass das bei der elektronischen Patientenakte genauso der Fall sein wird." Was ihm fehle, sei "irgendeine Art von Wertschätzung seitens der Politik für das, was wir als Hausärzte tun", so der Mediziner.
Was die Politik ihm an Wertschätzung verwehrt, das findet er allerdings bei seinen rund 1200 Patienten. Deshalb ist Stefan Winter dankbar, dass sich ihm eine Möglichkeit geboten hat, auch weiterhin für diese da zu sein. Denn – und nun kommt die gute Nachricht für die hausärztliche Versorgung in Eberbach – Winter wird ab 1. April an eineinhalb Tagen pro Woche in der Praxis von Dr. Hamid Balogun am Bahnhofsplatz anzutreffen sein.
Seine langjährige Mitarbeiterin Birgit Uhrig wird als medizinische Fachangestellte das Praxis-Team von Dr. Balogun verstärken. Erst vor Kurzem hat der auch in Mannheim tätige Allgemeinmediziner die Eberbacher Hausarztpraxis von Dr. Georg Müller als Zweigpraxis übernommen. Winter wird, ebenso wie Dr. Müller, nun in Teilzeit und im Angestelltenverhältnis dort weiterhin Patienten betreuen.
So müssen Winters bisherige Patienten sich zum 1. April also nicht auf die Suche nach einem neuen Hausarzt machen: "Alle, die dies wünschen, werden von der neuen Praxis übernommen und dort weiterhin versorgt", erklärt der Arzt.
Was er sich von seiner neuen Arbeitsstelle erhofft? "Ich bin mit Leib und Seele Hausarzt und übe diesen verantwortungsvollen und vielfältigen Beruf gerne aus", betont der Mediziner. "Aber ich möchte den bürokratischen und administrativen Teil gerne abgeben, um mich ganz um meine Kernaufgabe, die Versorgung der Patienten, zu kümmern." Wenn das gelingt, will Stefan Winter seinen Beruf noch lange ausüben: "Ich denke mal, mindestens noch fünf Jahre."