Arztpraxen haben mit Grippe-Impfungen gut zu tun
Auch jüngere Menschen lassen sich immunisieren. Der Impf-Schutz gegen Corona ist vor allem als Auffrischung gefragt.

Von Elisabeth Murr-Brück
Eberbach. Eine links, eine rechts, es könnte so einfach sein, geschützt durch den Winter zu kommen. Die Zahl der Corona-Infizierten steigt sprunghaft und Grippe könnte in diesem Jahr besonders gefährlich werden. Impfungen bieten einen sehr weit gehenden Schutz vor schweren Verläufen und damit auch vor einer Überlastung der Ärzte und Krankenhäuser. Wir haben Hausärzte im Raum Eberbach gefragt, ob der Impf-Appell bei ihren Patienten angekommen ist.
Tatsächlich erlebt Franz-Karl Baur schon seit einigen Wochen einen "erstaunlichen Run" auf Grippe-Impfungen. Auch bei jüngeren Menschen, die in der Vergangenheit da eher desinteressiert waren, sei die Bereitschaft hoch. Und tatsächlich registriert er auch einige aus dieser Altersgruppe, die sich zur Corona-Erstimpfung entschließen mit der Ansage "Ich mach’ es jetzt!". Nach eingehender Beratung, weil es gegen Ängste und Bedenken sehr gute Argumente gibt.
Bundesforschungsministerin Anja Karlicek hatte ursprünglich bis Mitte 2021 einen Corona-Impfstoff in Aussicht gestellt. Tatsächlich ging es schneller. Noch im Dezember 2020 wurden zwei Impfstoffe zugelassen und die ersten geimpft. Zuerst die besonders Gefährdeten, die Hochbetagten in den Altersheimen und in speziellen Impfzentren. Lange ist zu wenig Impfstoff da, ein Impftermin fühlt sich an wie ein Sechser im Lotto. Anfang Juni 2021 wird dann die Priorisierung aufgehoben, Betriebs- und Hausärzte dürfen und sollen jetzt impfen.
Für sie eine enorme zusätzliche Belastung, erklärt Dr. Daniel Körting aus Waldbrunn: Man kann den Corona-Impfstoff nicht gebrauchsfertig im Kühlschrank lagern und spontan verabreichen. Er muss erst entsprechend verdünnt werden und ist dann nur sechs Stunden haltbar. Das bedeutet, dass die Patienten dafür in Gruppen einbestellt werden müssen, kommt jemand nicht, muss telefonisch ein Ersatz gesucht werden. Als Corona-Schwerpunktpraxis mit Abstrichen und Behandlungen zusätzlich zum normalen Praxis-Betrieb war der Ansturm kaum zu bewältigen.
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Und dann, innerhalb kürzester Zeit, war das Interesse erloschen: "Mindestens 20 Telefonate, um einen Impfwilligen zu finden" waren nötig. Ähnliche Erfahrungen machte auch sein Kollege Christian Starck, der noch kurz vorher jede Menge Menschen geimpft hatte, die nicht in seiner Patientenkartei waren.
Nach einem entspannten Sommer 2021 schwappt jetzt die "vierte Corona-Welle" über Deutschland. Nach einer Umfrage der Deutschen Presseagentur wollten sich Mai 2020 etwa 74 Prozent der Menschen in Deutschland gegen das Corona-Virus impfen lassen, getan haben es bisher knapp 70 Prozent. Nach einer Modellrechnung des Robert-Koch-Instituts (RKI) hat das mehr als 38.000 Todesfälle verhindert. Eine vollständige Impfung von mindestens 85 Prozent der 12- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der Menschen über 60 hatte das RKI angepeilt. 88 Prozent der Impfskeptiker und -gegner wollen jüngsten Umfragen zufolge ihre Haltung nicht ändern. An sie appelliert Franz-Karl Baur, sich gründlich zu informieren: "Man weiß heute sehr viel mehr über Molekularstrukturen und Wirkungsweisen der Impfstoffe: Wir sind nicht mehr in den 1960-er Jahren." So argumentiert auch Christian Stark: "Es hat sich gezeigt, dass auch junge Menschen durch Corona zu Tode kommen."
Bei den Senioren ist die Impf-Bereitschaft durchweg hoch, für die meisten von ihnen steht jetzt bereits die dritte Impfung an, der Aufforderung zur so genannten "Booster" kommen sie offenbar bereitwillig nach. In der Praxis von Christian Starck meldeten sich gerade in den letzten Tagen deutlich mehr, bei Dr. Günter Soder in Hirschhorn hat man für die Corona-Impfungen jeweils einen Nachmittag reserviert, auch hier verzeichnet man Erst-Impfungen bislang nur vereinzelt.
Weil Corona-Schutzmaßnahmen offenbar auch das Grippe-Virus auf Abstand hielten, fehlte dem Immunsystem sozusagen das Training. Das Risiko, bei einer Grippewelle gefährlich zu erkranken, könnte so deutlich größer sein – auch das eine vielfach unterschätzte tödliche Gefahr. "Die Nachfrage nach Grippe-Impfungen geht steil nach oben", sagt Christian Starck, aber auch hier vor allem bei den über 60-Jährigen. Grundsätzlich aber seien die eigenen Patienten weitgehend durchgeimpft.
Corona hat auch in der Praxis von Daniel Körting für einen neuen Impf-Schub gesorgt: derzeit sei es "das Thema schlechthin", täglich würden viele geimpft. Was er auch darauf zurückführt, dass er seine Patienten schon seit Jahren direkt daraufhin anspricht. Die Patienten wissen, dass die Impfung keinen hundertprozentigen Schutz bietet, dennoch lassen sich etwa 75 Prozent impfen.
Im August empfahl das RKI die Corona-Schutzimpfung auch für Kinder und Jugendliche ab dem 12. Lebensjahr. In der Kinderarzt-Praxis von Dr. Harald Nuding zeigt etwa die Hälfte der Eltern ein grundsätzliches Interesse: "Bei sehr hohem Beratungsbedarf", sagt Ärztin Sarah Haaß. Bei anderen Grunderkrankungen stellt Corona ein zusätzliches Risiko dar. Viele wollen ihren Kindern eine mögliche Isolation wie im vergangenen Winter ersparen und auch die möglichen Folgen einer Long Covid Erkrankung. Die drohen ihnen ebenso wie Erwachsenen.



