Gab es vor dem Urknall Physik?
Studium Generale an der DHBW nahm kleinste Teilchen ebenso wie das Universum in den Blick

Campus der DHBW Mosbach. Archivfoto: Schattauer
Mosbach. (pm) Um Elementarteilchen drehte sich die jüngste Vorlesung des offenen Studierformats "Studium Generale" der DHBW Mosbach. Als Dozent konnte Dr. Gunter Kabisch gewonnen werden. Der Physiker ist Lehrbeauftragter der DHBW im Bereich Mechatronik. Es ging um nicht weniger als das große Ganze und wie danach im Kleinsten gesucht wird, darum, was die Welt im Innersten zusammenhält. Die Weltformel.
Elementarteilchen sind die unteilbaren und fundamentalen Bausteine, aus denen sich die gesamte Materie zusammensetzt. Mit Teilchenbeschleunigern wird nach den elementaren Grundbausteinen der Materie gefahndet. Diese Maschinen beschleunigen kleinste Teilchen – wie Elektronen, Protonen oder Atomkerne – fast auf Lichtgeschwindigkeit, um sie dann gezielt miteinander kollidieren zu lassen. Bei solchen Kollisionen können neue, bislang unbekannte Teilchen entstehen. Gunter Kabisch kam über seine Tätigkeit in der Industrie in Kontakt mit dem "Large Hadron Collider" (LHC) am CERN in Genf, dem weltweit größten Teilchenbeschleuniger. In die Geschehnisse in dem 27 Kilometer langen Tunnel 100 Meter tief unter der Erde, darin gab er den Zuhörern einen Einblick.
Am LHC aber ist der Nachweis der Higgs-Teilchen 2012 gelungen. Dass das Higgs- als "Gottes-Teilchen" Karriere gemacht hat, zeigt zwar zum einem, dass die Physik damit möglicherweise erklären könnte, wieso etwas ist und nicht nicht ist. Gunter Kabisch aber räumte mit einem Missverständnis auf, denn eigentlich war die Suche nach dem "gottverdammten Teilchen" gemeint. Der große Teilchenbeschleuniger am Europäischen Kernforschungszentrum kann mit jeder Menge Superlative aufwarten.
Schnellste Rennstrecke der Erde
Einige davon listete Kabisch auf: Die "schnellste Rennstrecke" auf der Erde (fast mit Lichtgeschwindigkeit kollidieren die Teilchen im LHC) ist der "leerste Raum" innerhalb des Sonnensystems, in den Kollisionszonen der Detektoren ist es viel heißer als im Inneren der Sonne, zugleich herrscht in den Rohren des Beschleunigers mit -271 Grad eine größere Kälte als im interstellaren Raum.
Mit den Forschungsergebnissen kommt die Wissenschaft dem Urknall zwar näher, aber (noch) nicht auf die Schliche. Nachdem Gunter Kabisch Funktionsweise und Zielsetzung der Experimente mit dem LHC und einen (auch für Laien verständlichen) Grundkurs in Elementarteilchenphysik gehalten hatte, kam er von den kleinsten Teilchen zum großen Ganzen. Denn was die kleinsten Bausteine der Materie zusammenhält, muss auch bei der Entstehung des Universums gewirkt haben. So sei es nach dem Urknall zu einem winzigen Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie gekommen. "Warum", fragt sich nun die Wissenschaft, "finden wir im beobachtbaren Universum nur Materie?" Und: "Woraus bestehen die 95 Prozent des Universums, die wir nicht sehen?" Es herrscht Dunkelheit: dunkle Energie und dunkle Materie.
Mit dem Teilchenbeschleuniger in Genf, glaubt auch Kabisch, "kann was kommen". Bis 2030 soll es im Speicherring rundgehen. Schon denke man an einen 100-Kilometer-Teilchenbeschleuniger. Den Grenzen seiner Wissenschaftsdisziplin aber ist sich der Physiker durchaus bewusst. "Ob’s vor dem Urknall Physik gab, das weiß man nicht." Und wo man nichts weiß, da werden Theorien aufgestellt. Vorerst ist die so intensiv gesuchte Weltformel begrifflich noch eine "Theorie von allem"…



