Bei der Bürgerfragestunde im Gemeinderat schlugen die Wellen hoch
300 Bürger kamen zur Sitzung - Scharfe Kritik am Gemeinderat wegen der geplanten Anschlussunterbringung von rund 70 Flüchtlingen - Beschluss vertagt

Ravenstein-Merchingen. (F) Wie vor einigen Tagen im Ortschaftsrat, wurde auch in der Sitzung des Ravensteiner Gemeinderats am Mittwochabend großer Unmut laut. In einer fast zweistündigen Bürgerfragestunde wurden Sorgen und Bedenken bezüglich des Containerdorfs vorgebracht, das auf dem ehemaligen Turnplatz am Merchinger Feuerwehrhaus entstehen könnte. Der Standort steht allerdings noch nicht fest. Es wurde vom Gemeinderat am Mittwoch kein Beschluss gefasst, denn auf Antrag von Ratsmitglied Robert Vogt setzte man diesen Punkt von der Tagesordnung ab. Es soll nun zuerst eine Einwohnerversammlung stattfinden.
Wegen des erwarteten Interesses der Bevölkerung war das Merchinger Schloss am Mittwochabend Sitzungsort des Ravensteiner Gemeinderats. Tatsächlich kamen mehr als 300 Bürger.
Zu Beginn der denkwürdigen Sitzung stimmte das Gremium dem Vorschlag von Bürgermeister von Thenen zu, die Tagesordnung abzuändern, um den Punkt "Beschlussfassung zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen" gleich nach den Bürgerfragen behandeln zu können.
Zum brisanten Thema gab der Bürgermeister dann eine persönliche Erklärung ab. Wie er mitteilte, beantrage er beim Gemeinderat, den Ortschaftsrat von Merchingen aufzufordern, einen geeigneten Standort einer Containerwohnanlage für die Flüchtlingsunterbringung zu nennen. Außerdem beantragte er, eine Einwohnerversammlung - eventuell mit dem Ersten Landesbeamten am Landratsamt, Dr. Björn-Christian Kleih - anzuberaumen, in welcher die Bürger ihre Sorgen und Ängste vorbringen können.
Wie der Bürgermeister zum Thema Flüchtlingsunterbringung einleitend informierte, leben derzeit 722 Flüchtlinge im Neckar-Odenwald-Kreis. Davon seien 575 in Gemeinschaftsunterkünften und 147 in Wohnungen untergebracht. 293 Personen erfüllten gegenwärtig die Voraussetzung für die Anschlussunterbringung. Nach dem errechneten Verteilerschlüssel habe die Stadt Ravenstein aktuell die Verpflichtung, 71 Flüchtlinge aufzunehmen. Er gehe, so von Thenen, davon aus, dass diese Zahl nicht erreicht werde. Das Landratsamt habe der Verwaltung mitgeteilt, dass bis Ende Mai eine Zuweisung von 34 Personen erfolge.
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Wie der Bürgermeister betonte, suche die Stadtverwaltung seit 2014 ständig nach geeigneten Immobilien zur Flüchtlingsunterbringung. Der Aufruf sei aber ungehört geblieben. Angesichts der bevorstehenden Zuweisung habe der Gemeinderat am 21. Februar in nichtöffentlicher Sitzung unter Vorsitz von Bürgermeisterstellvertreter Hornung einstimmig beschlossen, dass die Verwaltung zur Sitzung zwei Wochen später ein Konzept zur Vorgehensweise bei der Flüchtlingsunterbringung vorstellen soll, wobei eine Containerlösung bevorzugt worden sei. Von Thenen zitierte aus einem Sitzungsprotokoll, wonach der Gemeinderat sich einig zeigte, den Beschluss für eine Containerlösung in Merchingen vorzubereiten. Wie der Bürgermeister dazu unterstrich, lasse das favorisierte Modul aber nur eine Unterbringung von 52 Personen zu.
Zum Vorwurf, der Bürgermeister habe den Ortschaftsrat in wichtigen Angelegenheiten nicht gehört, stellte von Thenen klar, dass er nicht über die von Merchingens Ortsvorsteher Ullrich einberufene nichtöffentlichen Sitzung zum Thema informiert worden sei. Es sei ihm keine Möglichkeit gegeben worden, mit dem Ortschaftsrat ins Gespräch zu kommen.
Zu Ullrichs Äußerung in der jüngsten Gemeinderatssitzung, man könne mit dem Bürgermeister nicht mehr zusammenarbeiten, sagte von Thenen: "Wenn eine Zusammenarbeit so aussieht, dass derjenige, der letztendlich den Kopf hinhalten muss, nicht eingeladen wird, dann muss man sich fragen, wer mit wem nicht zusammenarbeiten möchte."
Anschließend ging von Thenen auf die von Bürgern in der jüngsten Merchinger Ortschaftsratssitzung gestellten Fragen ein. Mit den Antworten waren einige Zuhörer unzufrieden. Es gab Unmutsbezeugungen und auch hämisches Lachen. In der Bürgerfragestunde gab es entsprechend rege Fragen der Bürger. Einer vertrat die Ansicht, dass die vom Landkreis festgelegte Zuweisungsquote für die Stadt Ravenstein zu hoch sei. Eine Bürgerin meinte, dass es nicht angemessen sei, in Ravenstein für die Unterbringung der Flüchtlinge ein Containerdorf zu entrichten.
An den Gemeinderat ging aus den Reihen der Bürger der kritische Hinweis, dass die Bevölkerung laut Gemeindeordnung sehr, sehr zeitnah über gravierende Vorhaben informiert werden müsse, was nicht geschehen sei. Bei einem Thema wie der Flüchtlingsunterbringung dürfe die Bevölkerung nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden, zumal es im Hinblick auf die Integration auch auf die ehrenamtliche Arbeit der Bürger ankomme. Thomas Hornung, der persönlich angesprochen wurde, sagte, dass der Gemeinderat die Einberufung einer Einwohnerversammlung gefordert habe, was leider nicht erfolgt sei. Ein Bürger merkte in diesem Zusammenhang an, dass die Kommunikation des Bürgermeisters und der Gemeinderäte mit der Bevölkerung desaströs sei; das sollte sich "jeder an die eigene Nase fassen". Auch weitere Bürgern kritisierten die Informationspolitik. Ein Zwischenruf "Wir sind das Volk" wurde mit viel Beifall bedacht.
Zur Frage, warum alle Flüchtlinge, die der Stadt Ravenstein zugewiesen werden, in Merchingen untergebracht werden sollen, sagte Bürgermeister von Thenen, dass dort die notwendige Infrastruktur vorhanden sei.
Hingewiesen wurde aus den Reihen der Bürger auf einen am Nachmittag des Veranstaltungstages im Rathaus abgegeben Antrag auf Einberufung einer Bürgerversammlung. Dieser sei ihm, so der Bürgermeister, nicht vorgelegen. Auf die Frage eines Bürgers verneinte der Bürgermeister, dass er vom Gemeinderat mit der Einberufung einer Bürgerversammlung beauftragt wurde. Ratsmitglied Hornung bestätigte, dass es keinen entsprechenden formalen Antrag gebe, aber im Protokoll der Wunsch nach Einberufung einer Bürgerversammlung erwähnt wird.
Eine Bürgerin wies darauf hin, dass der Zuzug der Flüchtlinge vielen Frauen ängstige, gerade auch bezüglich der Sicherheit ihrer Kinder.
Am Ende der fast zweistündigen Aussprache mit teils "unter die Gürtellinie" gehenden Wortmeldungen beantragte Ratsmitglied Robert Vogt, die Beschlussfassung zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen zu vertagen. Dem wurde ebenso einstimmig zugestimmt wie dem Antrag des Ballenberger Ortsvorsteher Clemens Walz, unverzüglich eine Einwohnerversammlung zum brisanten und hoch emotional diskutierten Thema einzuberufen. Ratsmitglied Bernd Ebert regte an, zu der Versammlung den Ersten Landesbeamten am Landratsamt, Kleih, sowie den Geschäftsführer des in der Flüchtlingsbetreuung engagierten Caritasverbandes, Meinrad Edinger, und eine Sozialarbeiterin einzuladen.



