Walldürn: Im Oktober ziehen die Flüchtlinge in den Lidl
Informationsveranstaltung zur neuen Gemeinschaftsunterkunft - Bürgermeister: "Wir bewältigen die Herausforderung gemeinsam"

Ab Oktober sollen 120 Flüchtlinge im leerstehenden Lidl-Markt in der Buchener Straße in Walldürn leben. Diese Interimsunterkunft soll im neuen Jahr durch eine Containeranlage auf dem Parkplatz ersetzt werden. Foto: R. Busch
Walldürn. (rüb) Die Flüchtlingskrise bewegt die Menschen und sorgt für Anteilnahme, löst aber auch Befürchtungen und Ängste aus. So auch am Donnerstag im Haus der offenen Tür in Walldürn, wo rund 80 Bürger zur Informationsveranstaltung des Landratsamtes zur neuen Unterkunft in der Buchener Straße gekommen waren. Erster Landesbeamter Dr. Björn-Christian Kleih stellte die Pläne des Landkreises vor und stand anschließend ebenso wie Bürgermeister Markus Günther für die Fragen aus dem Publikum zur Verfügung.
Der Bürgermeister freute sich, dass unter den Zuhörern auch Pfarrer Karl Kreß, Vertreter des Arbeitskreises Asyl und auch einige Flüchtlinge waren. Die bisher im Gebäude der ehemaligen Standortverwaltung in Walldürn wohnenden 54 Asylbewerber hätten sich gut integriert, was auch ein Verdienst des Arbeitskreises und der Bevölkerung sei.
Dr. Björn-Christian Kleih richtete den Blick zunächst auf die weltweite Flüchtlingssituation. 60 Millionen Menschen seien auf der Flucht. Der Landkreis stehe vor der Herausforderung, die in diesem Jahr zu erwartenden 1600 Asylbewerber unterzubringen. "Dies kann nur gemeinsam mit den Kommunen und den Bürgern gelingen", sagte er.
Derzeit leben 911 Flüchtlinge in vorläufigen Unterbringungseinrichtungen des Kreises. Bei monatlichen Zuweisungsraten von mehr als 160 seien die Kapazitäten nahezu ausgeschöpft - zumal es viel zu wenig "Abgänge" aus der vorläufigen Unterbringung gebe. Kein Wunder: Bundesweit gebe es derzeit 300 000 unbearbeitete Asylanträge.
Vor diesem Hintergrund - und um nicht Notunterkünfte in Sporthallen einrichten zu müssen - soll der leerstehende Lidl-Supermarkt in eine Flüchtlingsunterkunft umgewandelt werden. Der Bauantrag sei bereit gestellt. Der Kauf der Immobilie sei aber noch nicht vollzogen.
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In einem ersten Schritt soll die ehemalige Verkaufsfläche ab der ersten Oktoberhälfte als Interimsunterkunft genutzt werden. Dazu ist vorgesehen, durch Trennwänden 30 Parzellen für jeweils vier Bewohner zu schaffen. Vorgesehen ist eine Belegung mit 120 Männern. Sanitär- und Küchenbereiche sollen in Containern untergebracht werden.
Dieses Provisorium solle in einem zweiten Schritt schnellstmöglich - im Januar oder im Februar - durch eine neue Gemeinschaftsunterkunft gleicher Kapazität auf dem Parkplatz abgelöst werden. Die zweigeschossige Gemeinschaftsunterkunft soll in Modulbauweise errichtet werden und besteht aus zwei Containeranlagen mit je 60 Plätzen. Während in der Interimsunterkunft nur männliche Bewohner vorgesehen sind, sollen in der neuen Gemeinschaftsunterkunft später auch Familien leben.
Die provisorische Unterbringung im Supermarkt soll dann ein Ende haben. Die Verkaufsfläche soll vom Landratsamt als Logistikfläche u.a. für den Katastrophen- und Bevölkerungsschutz genutzt werden. Ob es aber so kommt, hänge von den Flüchtlingszahlen ab: "Die Entwicklung kann dazu führen, dass wir die Einrichtung weiterführen." Was Kleih damit sagen will: Falls Bedarf besteht, könnten nach der Fertigstellung der Gemeinschaftsunterkunft insgesamt 240 Flüchtlinge auf dem Areal leben.
Zur Betreuung der Flüchtlinge wird ein Sozialarbeiter eingestellt. "Dennoch brauchen wir die Bürger in Walldürn. Die Ehrenamtlichen leisten bereits jetzt Großes", lobte Kleih. Der Landkreis wolle außerdem die Sprachförderung intensivieren, damit die Flüchtlingen schneller eine Arbeit aufnehmen und auf eigenen Füßen stehen können.
Die anschließende Fragerunde spiegelte die ganze Bandbreite des Themenkomplexes wieder. Einen Bürger, der Bedenken äußerte, dass 800 000 Flüchtlinge in diesem Jahr und eine ähnlich hohe Zahl im Folgejahr für Deutschland zu viel seien, verwies Kleih an die Politik: "Das muss auf der politischen Ebene entschieden werden. Wir haben die Aufgabe, die Menschen angemessen unterzubringen." Martin Kuhnt vom Arbeitskreis Asyl verwies darauf, dass der Anteile der Flüchtlinge an der Bevölkerung im Kreis bei 0,7 Prozent liege - in Walldürn wäre nach dem Bezug des Supermarktes es die "doch noch sehr überschaubare" Zahl von 1,7 Prozent.
Weitere Fragen beschäftigten sich mit der langen Verfahrensdauer und dem Missverhältnis bei der Unterbringung im Kreis: Dieses räumte der Erst Landesbeamte ein. Rund 70 Prozent der Flüchtlinge seien derzeit im Mittelbereich Buchen untergebracht, nur 30 im Raum Mosbach. Dies liege aber auch daran, dass rund um die Kreisstadt eine größere Nachfrage nach Wohnraum bestehe.
Dass die Flüchtlinge zum Großteil männlich sind und zunächst auch nur männliche Einzelpersonen im Lidl untergebracht werden sollen, beschäftigte die Bürger ebenfalls. Martin Kuhnt verwies darauf, dass auch bislang nur Männer in der früheren Standortverwaltung leben und es keine negativen Erfahrungen gegeben habe. Er lud alle Bürger dazu ein, sich selbst ein Bild von den Menschen zu machen, um mögliche Ängste abzubauen. Rund zehn der 54 Flüchtlinge hätten bereits eine reguläre Arbeit aufgenommen, weitere würde im Bauhof und bei der Kirche arbeiten.
Flüchtling Ali aus Somali meldete sich ebenfalls zu Wort: Unter dem Beifall der Zuhörer sicherte er den neuen Asylbewerbern seine Hilfe bei der Ankunft und beim Einleben in Walldürn zu.
Ein zupackendes Schlusswort sprach Bürgermeister Günther: "Wir Walldürner haben bislang schon Solidarität gezeigt, und ich bin fest davon überzeugt, dass die auch diese Herausforderung bewältigen - dafür sind aber wir alle gefragt!"



