So hilft "Yasemin" jungen Migrantinnen
"Yasemin" führte an der ZGB Workshops durch: Diskussionen zwischen Freiheit und Tradition - Anonyme Beratung für Migrantinnen

Nach den getrennten Workshops setzten sich die jungen Frauen und Männer mit Migrationshintergrund in einem Raum zusammen, um sich noch einmal gemeinsam über die Arbeit der Beratungsstelle zu informieren. Foto: Tanja Radan
Buchen. (tra) Junge Migrantinnen, die in Deutschland leben, eine Ausbildung machen oder zur Schule gehen, sind dennoch durch Familienangehörige und ihr soziales Umfeld oft in traditionellen Normen gefangen, die den Werten einer offenen und freien Gesellschaft nicht entsprechen. So kann es schnell zu Konfliktsituationen kommen: Die Mädchen werden von ihren Familien streng kontrolliert, manchen droht sogar die Zwangsverheiratung.
An der Zentralgewerbeschule Buchen stellte sich am Montag nun die Beratungsstelle "Yasemin" aus Stuttgart vor, bei der sich Migrantinnen zwischen zwölf und 27 Jahren, die sich in Krisen befinden, anonym und niederschwellig Rat und Hilfe holen können. "Yasemin" ist ein Angebot der Evangelischen Gesellschaft und wird vom Ministerium für Integration Baden-Württemberg gefördert.
"Zu uns kommen Mädchen und junge Frauen, die nicht selbst entscheiden dürfen, wen sie heiraten wollen, oder auch kontrolliert und geschlagen werden", erläutert eine Mitarbeiterin von "Yasemin", die aus Gründen der Diskretion nicht namentlich genannt werden möchte. "Wir beraten auch Migrantinnen, die schwanger sind und nicht mit ihren Familien darüber sprechen können oder in eine Krise geraten, weil sie keine Jungfrau mehr sind, oder sich verliebt haben, was die Familie nicht gutheißt."
Junge Migrantinnen aus dem Neckar-Odenwald-Kreis können sich anonym an "Yasemin" wenden: Die Beratungsstelle ist unter Tel. 0711/658695-26 oder 0711/658695-27 erreichbar. Auch eine Kontaktaufnahme per E-Mail ist möglich: info@eva-yasemin.de. Die Beratung ist kostenlos. Die Berater sprechen Deutsch, Türkisch und Englisch.
"Oft können wir telefonisch eine Lösung finden", sagt die Beraterin. "Aber da unsere Beratungsstelle mobil ist, sind in Einzelfällen auch persönliche Gespräche am Wohnort des Mädchens möglich. In einem geschützten Raum wird dann gemeinsam nach einer Lösung gesucht."
An die Beratungsstelle können sich nicht nur Migrantinnen wenden, sondern auch Dritte, denen sich die Mädchen und Frauen anvertraut haben. Zum Beispiel Lehrer, Sozialarbeiter, Freunde, Arbeitgeber oder auch Behördenmitarbeiter.
"Yasemin" bietet neben der persönlichen Beratung auch Präventionsworkshops für Schüler und Azubis an. Auch an der ZGB fanden am Montagvormittag zwei Workshops statt: einer für junge Frauen, einer für junge Männer. Diskutiert wurde über Traditionen, Kulturen, Rollenbilder, Menschenrechte und mehr.
Am Workshop für Migrantinnen nahmen junge Frauen aus dem Irak, Iran, Gambia, Kosovo und auch ein paar deutsche Jugendliche teil. "Es ging darum, die Teilnehmerinnen zu stärken und ihnen klar zu machen, dass sie Grenzen setzen und sich wehren dürfen", berichtet die "Yasemin"-Mitarbeiterin. "Sie sollen ihre Lebenswünsche erarbeiten und selbst entscheiden, wen sie heiraten." Auch über Mobbing, Ausgrenzung und sexuelle Belästigung wurde gesprochen. Im Zentrum des Workshops stand, die Migrantinnen für diese Themen zu sensibilisieren und ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind.
In der Männergruppe, in der unter anderem Araber, Kurden, Afrikaner und auch Ukrainer teilnahmen, standen Männlichkeit und Menschenrechte im Mittelpunkt. "Was ist männlich? Darf ein Mann weinen? Diese Fragen diskutierten wir", berichtet der "Yasemin"-Berater.
Er erklärt: "Viele Teilnehmer waren der Meinung, dass Männer stark sein und ihre Emotionen im Gegensatz zu Frauen nicht zeigen sollten. Andere erzählten hingegen offen, dass sie manchmal traurig sind." Viele waren zudem der Meinung, dass Männer und Frauen jeweils ihren eigenen Aufgabenbereich hätten. Die Einschränkung der Freiheit von Frauen und Mädchen sei von den Teilnehmern meist mit der Kultur begründet worden. Es sei zudem deutlich geworden, dass viele jungen Männer ihre Traditionen nicht komplett aufgeben wollen, sie jedoch mit den Freiheiten in Deutschland in eine Balance bringen möchten.
Das Team von "Yasemin" wurde von Dorothee Rittmann-Minninger an die ZGB geholt, die sich an der Schule intensiv einsetzt, um Flüchtlinge und Migranten zu integrieren.
Und die Anstrengungen, die sie gemeinsam mit anderen Lehrern auf sich nimmt, führen in die richtige Richtung: "Wir sind auf einem guten Weg", sagt die Lehrerin.
"Das Deutsch vieler Flüchtlinge ist mittlerweile gut", sagt Heiko Ihrig, der stellvertretende ZGB-Schulleiter. Etliche seien zudem in Ausbildung und lernen das Bäcker- oder Fleischerhandwerk oder werden in der Holzabteilung ausgebildet. "Alles hat sich deutlich positiver entwickelt, als wir es anfangs erwartet hätten", fasst Ihrig zusammen. Das Minimalziel sei nun, dass die Geflüchteten den Gesellenbrief schaffen, der ihnen die Tür zum Berufsleben öffnet.
Info: Kontakt "Yasemin": Tel. 0711/658695-26 oder 0711/658695-27; info@eva-yasemin.de; www.eva-stuttgart.de (Stichwort Yasemin).



