Osterburkens Ganztagsgymnasium ist ein bundesweit beachtetes Modell
Das Ganztagsgymnasium feiert sein 50-jähriges Bestehen. Es nimmt eine Pionierrolle in der Bildungslandschaft ein und hat eine Erfolgsgeschichte geschrieben.

Seit 50 Jahren besteht das Ganztagsgymnasium Osterburken. Die Einrichtung der Modellschule fand bundesweit Aufmerksamkeit. Bis heute ist das GTO, das am 8. und 9. Mai sein Jubiläum feiert, mit der Form der gebundenen Ganztagsschule eine Besonderheit in der bildungspolitischen Landschaft.
Osterburken. (bg) Am Ganztagsgymnasium Osterburken (GTO) wird in diesem Schuljahr das 50. Jubiläum der Schule gefeiert. Das Jubiläum gibt Anlass zu einem Blick in die Chronik der 1965 als Progymnasium gegründeten Modellschule, deren Entwicklung von vielen positiven Schlagzeilen, aber auch von manchen kontroversen Diskussionen begleitet war.
1964 hat das Kultusministerium in den damaligen Landkreisen Buchen, Tauberbischofsheim und Künzelsau untersuchen lassen, wie in dünn besiedelten und agrarisch strukturierten Räumen Begabungen erschlossen werden können. Kultusminister Hahn ließ daraufhin in Osterburken ein Progymnasium - zunächst als Außenstelle des Buchener Gymnasiums - einrichten, das am 3. Mai 1965 den ersten Unterrichtstag hatte.
83 Schüler wurden im ersten Schuljahr in zwei Sexten unterrichtet. Mehr als 50 Prozent der Schüler entstammten einem Milieu, aus dem die höheren Schulen ihre Schülerschaft bis dahin nur zu einem geringen Prozentsatz rekrutierte.
Der damalige Bürgermeister Klemens Brümmer und der Osterburkener Stadtrat begrüßten die Einrichtung des Progymnasiums, an dem anfangs viel Improvisationstalent notwendig war, weil noch kein eigenes Schulgebäude zur Verfügung stand. Zum Start der neuen Schule hatte die Stadt sieben Klassenräume und ein kleines Lehrerzimmer in der Alten Schule zur Verfügung gestellt. Daneben wurden Räume im Bernhardusheim, im Feuerwehrhaus und im alten Arbeitsamt genutzt, und die Stadt ließ an der Baulandhalle drei Baracken für Unterrichtszwecke erstellen. In der Baulandhalle waren die sanitären Anlagen.
Die Schüler, die vier Mal pro Woche nachmittags in der Schule blieben, bekamen anfangs ihr Mittagessen im Gasthaus "Löwen"; später wurde die Bühne der Baulandhalle zur "Mensa".
Nach den ersten positiven Erfahrungen im Unterricht und dem großen Interesse seitens der Elternschaft an der neuen Bildungsmöglichkeit für ihre Kinder wurde Osterburken 1966 als Sitz einer Modellschule bestimmt mit dem Auftrag, im Rahmen einer Ganztagsschule den Mittleren Abschluss und die Hochschulreife zu vermitteln.
Erster Lehrer am neuen Progymnasium war der spätere Schulleiter Dr. Elmar Weiß (ab November 1969), der in der Anfangsphase von Lehrkräften umliegender Volksschulen und des Aufbaugymnasiums Adelsheim unterstützt wurde. Der zuvor in Wertheim tätige Weiß, der die Entwicklung der Schule über drei Jahrzehnte hinweg prägten sollte, war 1965 maßgeblich beteiligt an der Erarbeitung eines pädagogischen und didaktischen Konzepts, das die Grundlage für die räumliche Gestaltung der neuen Schule darstellte.
Insbesondere mit Blick darauf, dass sich die Schülerschaft voraussichtlich zu mehr als zwei Dritteln aus von auswärts kommenden Fahrschülern zusammensetzen würde, strebte Weiß die Einrichtung einer "Tagesheimschule" an. Sie sollte den Schülern Mittagessen anbieten, für die Überwachung der Hausaufgaben sorgen und großzügige Arbeitsmöglichkeiten und Freizeiträume bieten.
Kurz nach der ersten öffentlichen Schuljahresabschlussfeier, die im Saal der Scala-Lichtspiele stattfand, fiel im September 1967 die Entscheidung im Modellwettbewerb für den Bau der Tagesheimschule; der erste Preis ging an die Berliner Architektengruppe Bassenge, Puhan-Schulz und Schreck. Im November 1967 begann die pädagogische Vorbereitung auf die Modellschule Osterburken, die in der gesamten Bundesrepublik Beachtung fand; im März 1969 wurde die Baugenehmigung für den an der Hemsbacher Straße geplanten Schulhausbau erteilt. Die Schule zählte damals bereits 510 und im Schuljahr 1969/70 sogar 650 Schüler.
Im Juli 1970 wurde Richtfest für den GTO-Neubau gefeiert, im Juli 1971 folgte die Angliederung eines Realschulzugs ans Gymnasium mit nun fast 1000 Schülern, und im September 1971 war das Tagesheimgymnasium bezugsfertig. Am 8. Mai 1972 fand die Einweihung statt.
In den folgenden Jahrzehnten verzeichnete die Modellschule immer wieder positive Schlagzeilen, aber auch manche kontroverse Diskussionen. So gab es ab Ende 1972 angesichts der Kosten Debatten über die Schulträgerschaft.
Im Juni 1973 wurde erstmals das Abitur am GTO abgelegt; 44 Oberprimaner gehörten zum ersten Abi-Jahrgang. An der angegliederten Realschule folgte ein Jahr später die erste Abschlussprüfung. Bereits 1974 sorgte die Überbelegung der - immer zu klein scheinenden - Schule, die jetzt 1 140 Schülern hatte, für wachsende Probleme; sechs Klassen wurden in Baracken ausgelagert. Zugleich kam der Bau der Sportstätten voran: Nachdem im März 1974 bereits das Hallenbad in Betrieb genommen worden war, folgte Anfang 1976 die Fertigstellung des GTO-Sportplatzes.
Zum 1. Januar 1977 übernahm der Neckar-Odenwald-Kreis die Trägerschaft des GTO. Derweil bahnte sich ungeachtet heftiger Proteste - Schlagzeilen damals: "Kampf gegen die Zerschlagung des GTO" und "Gelungener Schulversuch rücksichtslos zerschlagen" - die Trennung von Gymnasium und Realschule an, die vom Kultusministerium im September 1980 verfügt wurde. Gymnasium und Realschule wurden zu selbstständigen Schulen. Die Orientierungsstufe für die Klassen 5 und 6, in der für viele Schülern mit ursprünglicher Realschuleempfehlung die Weichen zum Abitur gestellt wurden, wurde gestrichen.
Bei nun 1 400 Schülern in dem für 800 gebauten GTO gab es im November 1980 grünes Licht für den Umbau des Gymnasiums und den Neubau einer Realschule. Im Juni 1981 wurde die Realschule in Fertigbauweise erstellt (für die derzeit für zehn Millionen ein Ersatzbau entsteht). Doch auch nach der offiziellen Trennung blieb der Ganztagsbetrieb das verbindende Element; die Schulen praktizierten gemeinsames Schulleben.
Die GTO-Chronik weist für die folgenden Jahre etliche besondere Ereignisse auf: So fand im Mai 1985 ein Tag der offenen Tür zum Abschluss der für 9,3 Millionen DM erfolgten Sanierung und zum 20-jährigen Bestehen statt; im September 1991 war Ministerpräsident Teufel zu Besuch; 1995 beschloss der Kreistag ob des Raummangels den Bau von sechs Klassenräumen; im Dezember 1994 war von "schlechten Karten für die weitere Ganztagsbetreuung" die Rede; im November 1996 ging Schulleiter Dr. Weiß, der über Jahrzehnte hinweg Maßstäbe gesetzt hatte, verärgert vorzeitig in den Ruhestand. Die Nachfolge trat sein Stellvertreter Wolfram Schöbe an. Im Juli 2002 wurde Thomas Held Schulleiter, seit Juli 2008 leitet Willi Biemer das GTO.
Im Mai 2009 wurde das sogenannte Norwegerhaus ein Raub der Flammen; es wurde durch einen modernen Klassentrakt ersetzt.
Bis heute hat die Schule, deren erste Schüler mit Bahn und Bussen aus einem Umkreis von rund 30 Kilometern kamen, ein sehr großes Einzugsgebiet: Die Schülerinnen und Schüler kommen aus etwa 120 Orten und nehmen auch heute teils lange Anfahrtswege in Kauf.
Im Rahmen des Konzepts der gebundenen Ganztagsschule versucht das GTO seit nunmehr 50 Jahren, Kindern und Jugendlichen aus der näheren und weiteren Umgebung beste Lernbedingungen und gute Voraussetzungen zur Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu bieten. Das besondere ganztagsspezifische Konzept des GTO, das sich als "innovative Schule und Lebensraum mit Freizeit- und Rückzugsmöglichkeiten" verstehe, bietet nach Überzeugung von Schulleiter Biemer auch beste Rahmenbedingungen für das 8-jährige Gymnasium. Das GTO-Konzept habe nach 50 Jahren nichts an Aktualität verloren; das GTO bleibe eine Besonderheit in der bildungspolitischen Landschaft.
Wie Biemer mit Blick nach vorne unterstreicht, wolle man die Kooperationen mit der benachbarten Ganztagsrealschule intensivieren. Auch baulich stehen am GTO, das seit Jahren den multi- und bilateralen Austausch mit Schulen im europäischen Ausland pflegt und auch im musikalischen Bereich besondere Akzente setzt, neue Herausforderungen an. Derzeit gilt das Hauptaugenmerk der energetischen und baulichen Sanierung des Hauptgebäudes, wobei den architektonischen Grundprinzipien der einstigen Planer Rechnung getragen werden soll. Angesichts des demografischen Wandels und der zunehmenden Vielfalt des Schulwesens gelte es, die Attraktivität des GTO zu optimieren gemäß dem Motto: "Am GTO bewegt sich was".
Wie Landrat Dr. Achim Brötel feststellt, hat das GTO Erfolgsgeschichte geschrieben. Dass alljährlich Hunderte von Schülern - derzeit über 900 - das GTO besuchen, sei beste Bestätigung für die hier geleistete pädagogische Arbeit.



