Notarzt-Standort Osterburken besteht nur noch auf dem Papier
Für Einsätze ab Osterburken fehlt es an dienstbereiten Medizinern - Fahrzeug abgezogen - 15-Minuten-Hilfsfrist im Bauland kann nicht gewährleistet werden

Der Notarzt-Standort Osterburken ist derzeit verwaist: Es fehlt an Medizinern, die zum Schichtdienst in der Rettungswache in der Boschstraße bereit sind. Das Notarztfahrzeug wurde inzwischen abgezogen. In dem für den Rettungsdienst zuständige Bereichsausschuss ist man zuversichtlich, dass die aktuellen Probleme "zeitnah" behoben werden können. Foto: B. Gassenbauer
Von B. Gassenbauer und J. Casel
Osterburken. Der Notarzt-Standort Osterburken besteht kaum ein halbes Jahr nach der Umwandlung vom Probe- zum Dauerbetrieb momentan nur noch auf dem Papier: Der Einrichtung, deren Start im Sommer 2014 als wichtiger Schritt zur schnelleren Erstversorgung gefeiert wurde, fehlt es an den Fachleuten, auf die es ankommt, wenn es um Leben und Tod geht - an Notärzten. Wie der RNZ auf Anfrage bestätigt wurde, ist der Anteil der "Leerzeiten" drastisch gestiegen, immer weniger Mediziner sind zum Notfalldienst im Bauland bereit. Zuletzt konnte dort im Schnitt nur noch weit weniger als die Hälfte der Notdienstzeiten besetzt werden. Ergebnis: Das Notarzt-Fahrzeug wurde abgezogen. Konsequenz: Es ist derzeit kaum möglich, in allen Bauland-Gemeinden die vorgegebene Hilfsfrist von höchstens 15 Minuten zu erfüllen. Insbesondere in den weiter entfernten Ortschaften, wie etwa Unter-, Oberwittstadt und Erlenbach, ist eine rasche Erstversorgung der Patienten so nicht gewährleistet. Der für das Rettungswesen zuständige Bereichsausschuss erwartet aber, dass man die aktuellen Probleme "zeitnah" in den Griff bekommt.
Osterburken war nach jahrelangen Bemühungen am 1. Juli 2014 zu dem nach Mosbach, Buchen und Hardheim vierten Notarzt-Standort im Neckar-Odenwald-Kreis geworden - zunächst auf Probe. Bis dahin war das Bauland wegen der langen Anfahrtswege des Notarztes aus notfallmedizinischer Sicht eine Problemregion. Nicht zuletzt die Bürgermeister und Landrat Dr. Achim Brötel ("Ein guter Tag für das Bauland") nahmen die Einrichtung des neuen Standorts denn auch mit Erleichterung zur Kenntnis.
Jetzt sei endlich eine schnellere und effektivere Erstversorgung gewährleistet, unterstrich damals auch der Leitende Notarzt im Kreis und Ärztliche Direktors der Neckar-Odenwald-Kliniken, Dr. Harald Genzwürker, der als selbstfahrender Notarzt sogleich selber viele Dienste in Osterburken übernahm und in einer Bilanz ein Jahr nach dem Start die Bedeutung des Standorts unterstrich: Nachdem ein Gutachten zunächst von jährlich rund 320 Einsätzen ausgegangen war, verzeichnete man tatsächlich insgesamt 516, im Schnitt 1,5 pro Schicht. Dies dokumentiere, "wie dringend dieser Standort gebraucht wird."
Vor diesem Hintergrund erfolgte im August 2016 die angestrebte Umwandlung vom Probe- zum Dauerbetrieb.
Nach dem Konzept soll in Osterburken in der Zeit von 7 bis 19 Uhr ein Notarzt stationiert sein. Fahrzeug, Material und Räumlichkeiten werden vom Roten Kreuz zur Verfügung gestellt. Die bisher von Osterburken aus gefahrenen Einsätze ähnelten denen der anderen Standorte im Kreis: Überwiegend führten sogenannte "internistische Notfälle" wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle zum Einsatz des Notarztes, der - alarmiert durch die Integrierte Leitstelle in Mosbach - auf ein hochmodern ausgestattetes Einsatzfahrzeug zurückgreifen konnte. Etwa die Hälfte der Einsätze fand im Kerngebiet Osterburken/Adelsheim statt.
Inzwischen hat die Realität das Rad zurückgedreht: Wenige Monate nach der vom zuständigen Bereichsausschuss für den Rettungsdienst aufgrund des Bedarfs beschlossenen Umwandlung vom Probe- zum Dauerbetrieb besteht der Notarzt-Standort Osterburken derzeit nur noch auf dem Papier. Joachim Stutz (AOK Rhein-Neckar-Odenwald) vom Bereichsausschuss, dem die DRK-Kreisverbände, die gesetzlichen Krankenkassen und das Landratsamt angehören, bestätigte auf Anfrage die Ergebnisse der Recherchen der RNZ: "Es sind Probleme vorhanden." Konkret: Es mangelt an Notfallmedizinern, die zum Dienst am Standort Osterburken bereit sind. Es gab dort in offenbar zunehmendem Maße "Leerzeiten".
Nach dem Rettungsdienstgesetz sind die örtlichen Bereichsausschüsse für die Planung und Sicherstellung bedarfsgerechter Rettungsdienststrukturen verantwortlich; die Krankenhausträger sind verpflichtet, die erforderlichen Notärzte für den Rettungsdienst zu stellen, niedergelassene Ärzte sollen im Rettungsdienst mitwirken. Diesem Auftrag stelle man sich konsequent, betont Joachim Stutz. Allerdings könne man "keine Notärzte aus dem Hut zaubern."
In der Realität sah es in Osterburken so aus, dass die niedergelassenen Ärzte nicht bereit waren, hier Notfalldienste zu übernehmen. Und auch die eigens eingerichtete "Notarztbörse" greift in Osterburken nicht.
Weil das notwendige Personal fehlt, wurde auf Beschluss des Bereichsausschusses inzwischen das in der Römerstadt stationierte Notarztfahrzeug nach Hardheim abgezogen - "vorübergehend", wie es heißt. Es mache, so Stutz, keinen Sinn, ein Einsatzfahrzeug mit Fahrer vorzuhalten, wenn der Arzt fehlt, der damit zum Notfallpatienten oder Unfallort gebracht werden soll.
Für weite Teile des Baulands bedeutet dies statt schneller Hilfe im Notfällen, bei denen es auf jede Minute ankommt, nun wieder erheblich längere Anfahrtswege und -zeiten des Notarztes; von Buchen oder Hardheim aus lässt sich bei Alarmierungen aus den Gemeinden, die vom Notarzt-Standort Osterburken abgedeckt werden sollen, die vom Gesetzgeber gewünschte Hilfsfrist von maximal 15 Minuten, die in 95 Prozent aller Fälle erreicht werden soll, kaum einhalten.
Die mangelnde Bereitschaft zum Notarztdienst in Osterburken hat nach Überzeugung von Stutz nichts mit der Bezahlung zu tun, wenngleich ein Arzt für die Zwölf-Stunden-Schicht in der Rettungswache in der Boschstraße dem Vernehmen nach erheblich weniger bekommt als etwa ein Kollege in Buchen.
Man habe kein spezifisch Osterburkener, sondern ein bundesweites Problem, dessen Ursache im versicherungsrechtlichen Bereich liege. Es gehe dabei um Regelungen für Ärzte, die "nebenher" als Notärzte tätig sind. Der Gesetzgeber habe erkannt, dass hier dringender Handlungsbedarf bestehe. Stutz erwartet eine schnelle rechtliche Lösung, noch im ersten Quartal 2017, und zeigte sich gegenüber der RNZ "sehr zuversichtlich", dass dann in Osterburken der Notarzt-Standort "zeitnah" wieder wie geplant besetzt werden kann. Der Bereichsausschuss jedenfalls halte, wie Stutz betonte, an Osterburken fest, es gebe "keinerlei Absichten, den Standort zu schließen." Dies zeige sich auch an den Plänen des Roten Kreuzes für den Neubau einer Rettungswache in Osterburken. Vorgesehen ist eine Verlagerung vom bisherigen Standort in der Boschstraße am östlichen Stadtrand in eine verkehrsgünstigere Lage nahe der Umgehungsstraße. Die Pläne liegen in der Schublade. Die Kosten für das Projekt dürften sich nach bisherigen Schätzungen auf rund 400.000 Euro belaufen.



