Hardheimer Flüchtlingsproblem in "Stern TV": "Sorgen werden von vielen Menschen geteilt"

Mit 1000 Flüchtlingen sei die Grenze dessen erreicht, was Hardheim schultern könne und wolle, so der Tenor –  Die Diskussion über die Flüchtlinge kratzte aber nur an der Oberfläche

element

01.10.2015 UPDATE: 02.10.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden

Erfreulich breiten Raum nahm die Hardheimer Flüchtlingssituation am Mittwoch in der RTL-Sendung "Stern TV" ein. Lars Günther und Bürgermeister Rohm diskutierten mit Aydan Özoguz und Steffen Hallaschka (v. l.). Fotos: R. Busch/Stern TV

Von Rüdiger Busch

Hardheim/Köln. "Es war ein wichtiges Gespräch, das wir heute geführt haben", fasste Steffen Hallaschka am Mittwochabend seine Eindrücke zusammen. Damit hatte der Moderator der RTL-Sendung "Stern TV" durchaus recht: Dem Hardheimer Flüchtlingsproblem - 1000 Asylsuchende auf 4600 Einwohner - wurde eine bundesweite Bühne geboten. Doch bei der Benennung der Ängste und Sorgen der Bürger wurde nur an der Oberfläche gekratzt, so lautete gestern die Kritik vieler Hardheimer.

Das Bild, das die RTL-Redakteure von der "Perle des Erftals", so Moderator Hallaschka, zeichneten, war ein gutes: In dem achtminütigem Filmbeitrag wurde die Thematik der vielen Fremden in einer kleinen Kommune auch bildlich gut umgesetzt. Mit 1000 Flüchtlingen sei die Grenze dessen erreicht, was Hardheim schultern könne und wolle, so der Tenor.

Hintergrund

Gespräch mit Steffen Böhrer über den Bericht von "Stern TV" zur Situation in Hardheim

Hätten Sie gedacht, dass Ihr Hilferuf bei "Stern TV" auf eine solche Resonanz stößt?

Ich war der Meinung, dass wir nicht nur jammern sollten,

[+] Lesen Sie mehr

Gespräch mit Steffen Böhrer über den Bericht von "Stern TV" zur Situation in Hardheim

Hätten Sie gedacht, dass Ihr Hilferuf bei "Stern TV" auf eine solche Resonanz stößt?

Ich war der Meinung, dass wir nicht nur jammern sollten, sondern handeln müssen. Deshalb habe ich nicht nur an "Stern TV" geschrieben, sondern quasi an Gott und die Welt, und auch an die Kanzlerin. Dass sich "Stern TV" dann gemeldet hat, hat mich überrascht und gefreut.

Wie zufrieden sind Sie mit der Darstellung der Problematik?

Mein Vorstoß hat ein Tor geöffnet, aber die Thematik hätte man besser schildern können, das ist nicht optimal gelaufen. Die Auswahl der Interviewten fand ich etwas enttäuschend, denn viele kritische Stimmen sind einfach unter den Tisch gefallen. Auch Forderungen wie etwa die nach einer 24-Stunden-Polizeipräsenz oder nach einer Integrationsklasse in der Schule waren nicht zu hören. Hier wären deutlichere Worte auch aus Sicht der Gemeinde wünschenswert gewesen.

Hat die Sendung aus Ihrer Sicht denn etwas gebracht?

Das denke ich schon, und ich bin dankbar, dass sich der Sender des Themas angenommen hat. Wir haben eine bundesweite Plattform bekommen und die Problematik ist jetzt öffentlich. Zudem hat der Redakteur von "Stern TV" darum gebeten, dass er auf dem Laufenden gehalten wird. Vielleicht ergibt sich daraus ja noch einmal ein Bericht.

[-] Weniger anzeigen

Dies machten auch die ausgewählten Wortbeiträge aus der Ratssitzung vor einer Woche deutlich. Auch Steffen Böhrer, der mit seinem "Hilferuf" an "Stern TV" die Berichterstattung ausgelöst hatte, kam dabei zu Wort: "1000 Flüchtlinge, das reicht. Wir können nicht mehr aufnehmen." Anschließend wurden Passantinnen befragt, und auch das Heimspiel der TV-Fußballer samt der teilweise mit Asylbewerbern besetzten Tribüne wurde gezeigt.

Gewürdigt wurde auch das Engagement der Ehrenamtlichen, wobei stellvertretend Lars Günther (Kleiderkammer) und Chiara Soggia (Sprachhuntericht) befragt wurden. "Hardheim ist eine kleine Gemeinde, die sich um die Integration bemüht, aber wenn noch mehr kommen, könnte die Stimmung kippen", lautete das Fazit des Beitrags.

Auch interessant
: Flüchtlinge in Hardheim: 660 Menschen leben jetzt in Carl-Schulz-Kaserne
: Flüchtlinge in Hardheim: Mehr Platz für die Kleiderkammer
: Flüchtlinge in Hardheim: Unterschriften werden gesammelt
: Flüchtlinge: Der Hardheimer Protest wird lauter

Die anschließende Gesprächsrunde verlief aber dann doch eher enttäuschend: Entscheidende Fragen, wie die ob Kaserne voll belegt wird, und dass Hardheim als Besonderheit gleich zwei verschiedene Flüchtlingseinrichtungen in seinen Mauern beherbergt, kamen überhaupt nicht zur Sprache.

Im Gespräch mit Moderator Hallaschka und Aydan Özoguz, der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration, machten die beiden Hardheimer, Bürgermeister Volker Rohm und der ehrenamtliche Helfer Lars Günther, zwar eine gute Figur. Dennoch blieb Vieles oberflächlich: Beim Thema Kriminalität wies Bürgermeister Rohm auf eine Vielzahl kleiner Delikte wie Obst- und Gemüsediebstahl hin. Doch statt diesen Komplex und die einhergehenden - und teilweise durchaus berechtigten - Ängste und Sorgen der Bürger näher zu beleuchten, leitete der Moderator schnell zu anderen Themenfeldern über.

Auch deshalb zeigte sich der Bürgermeister gestern mit seinem Auftritt alles andere als zufrieden: "Der einleitende Film und die Möglichkeit der Darstellung der Hilfe durch unsere ehrenamtlichen Helferkreise wurden sachlich und durchaus überzeugend dargestellt. Aber das war nicht das Thema!"

Im Vorfeld der Sendung seien Themen wie Kritik an der schlechten Beteiligung der Kommune seitens des Landes, Sorgen und Ängsten der Bevölkerung vor Überfremdung, vor steigender Kleinkriminalität, Omnipräsenz der Flüchtlinge auf dem Schlossplatz, vor und in den Einkaufsmärkten oder das Müllproblem auf den Wegen ins Auge gefasst worden: "All’ das wurde in der Sendung nicht angesprochen oder bereits im Vorfeld als ,zu tief gehend’ bewertet."

Sein Fazit: "Leider konnte ich eine scheinbare Chance nicht nutzen, die aber objektiv betrachtet, vom Verlauf der Diskussion leider keine wirkliche war."

Im Nachgang der Sendung fand ein rund eineinhalbstündiges Gespräch mit der Bundesbeauftragten Aydan Özoguz statt, in dem, so Rohm, deutlich tiefer diskutiert worden sei. Dabei sicherte ihm die SPD-Politikerin zu, Hardheim bei passender Gelegenheit besuchen zu wollen.

Doch auch wenn die Diskussion etwas an den tatsächlichen Problemen vorbeischrammte, so hat die Sendung doch auf die besondere Lage Hardheims aufmerksam gemacht: "Die Sorgen der Hardheimer werden von vielen Menschen geteilt", sagte Steffen Hallaschka am Ende der Sendung mit dem Hinweis auf die vielen Reaktionen im Internet. Und die Worte, mit der er die Migrationsbeauftragte Özoguz verabschiedete, kann wohl die Mehrheit der Menschen in unserem land unterschreiben: "Machen Sie Ihren Kollegen in Berlin Beine, damit es mit einer ordentlichen Asylpolitik vorangeht, denn die gefühlte Belastungsgrenze ist vielerorts erreicht und dafür darf man durchaus Verständnis haben!"