Flüchtlinge: Der Hardheimer Protest wird lauter
Gemeinderat verabschiedete Positionspapier gegen Zuweisung weiterer Flüchtlinge - Hardheim erfährt bundesweit Aufmerksamkeit

Ungewohntes Bild: Die Hardheimer Gemeinderatssitzung wurde von einem Team der TV-Sendung "Stern TV" aufgezeichnet. Foto: R. Busch
Von Rüdiger Busch
Hardheim. Der Hardheimer Protest gegen die Zuweisung weiterer Asylbewerber in die Carl-Schurz-Kaserne wird lauter - und er findet bundesweit mehr und mehr Beachtung. Dies ist das Fazit der am Freitagabend in der Erftalhalle stattgefundenen Sondersitzung des Gemeinderats, in der einstimmig eine Resolution verabschiedet wurde, in der das Land dazu aufgefordert wird, seine Entscheidung, eine bedarfsorientierten Erstaufnahmestelle (BEA) in der Kaserne einzurichten, schnellstmöglich zu revidieren. Bürgermeister Volker Rohm wird das Positionspapier der Gemeinde am heutigen Montag an Ministerpräsident Winfried Kretschmann überreichen. Anlass ist eine Einladung an alle Bürgermeister, deren Kommune Standort einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes ist.
Die Erftalhalle als Sitzungsort war am Freitag ebenso außergewöhnlich wie das überregionale mediale Interesse: Neben einem Journalisten der "Süddeutschen Zeitung" aus München war auch ein Team der RTL-Sendung "Stern TV" vor Ort. Die Fernsehmacher waren auf Anregung eines Hardheimer Bürgers angereist. Ihr Ziel: Die Flüchtlingskrise einmal aus der Sicht der betroffenen Bürger im Land darzustellen. Redakteur Neuhaus und sein Kamerateam drehen noch bis heute in Hardheim.
Hintergrund
Kretschmann kommt
Hardheim. (rüb) Wie Bürgermeister Volker Rohm am Freitag mitteilte, kommt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) am Donnerstag, 12. November, in den Neckar-Odenwald-Kreis. Dabei sei auch ein Kurzbesuch in
Kretschmann kommt
Hardheim. (rüb) Wie Bürgermeister Volker Rohm am Freitag mitteilte, kommt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) am Donnerstag, 12. November, in den Neckar-Odenwald-Kreis. Dabei sei auch ein Kurzbesuch in Hardheim vorgesehen. Kretschmann werde sich die beiden Asylunterkünfte anschauen. Zeit für ein von Seiten der Gemeinde gewünschtes Gespräch mit dem Gemeinderat habe der Ministerpräsident dabei aber nicht.
Außerdem findet eine Informations- und Diskussionsveranstaltung über die Flüchtlingspolitik mit den hiesigen Abgeordneten aus Bund und Land am Mittwoch, 7. Oktober, in der Erftalhalle statt. Details dazu werden noch bekanntgegeben.
Was die auswärtigen Besucher am Freitag zu hören bekamen, waren klare Aussagen: Die Belastungsgrenze für Hardheim sei bei - voraussichtlich ab Mittwoch - 1000 Flüchtlingen auf 4600 Einwohner erreicht, wenn nicht gar schon überschritten. "Hardheim steht den Flüchtlingen nicht feindselig gegenüber", betonte Rohm, wenn schon bald aber jeder fünfte Einwohner ein Asylsuchender sei, werde die Toleranz aber abnehmen.
Rohm informierte darüber, dass ein "Benimm-Katalog" für die Flüchtlinge in zehn Sprachen ausgearbeitet worden sei, um künftig Probleme möglichst im Keim zu ersticken. Der Bürgermeister sprach an bisherigen Problemfeldern den Zustand der öffentlichen Toiletten auf dem Schlossplatz, die Müllentsorgung auf dem Weg zwischen den Einkaufsmärkten und den Asylunterkünften und das richtige Verhalten in Gemüsegärten und bei Ostbäumen an sowie Fälle von Bettelei an. Ein Lob zollte Rohm der Betreiberfirma Ciborius, die gute Arbeit leiste.
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Als "unerträglich" bezeichnete CDU-Fraktionsvorsitzender Dr. Ingo Großkinsky die ungerechte Verteilung der Flüchtlinge. Er forderte einen "Hardheimer Schlüssel", der eine Asylbewerber-Höchstgrenze von zehn Prozent der Einwohner vorsehen könnte. Großkinsky trug ein neun Punkte umfassendes Thesenpapier seiner Fraktion vor, das die Grundlage der über das Wochenende ausformulierten Resolution bildete.
Für die SPD-Bürgerliste begrüßte Manfred Böhrer das Thesenpapier und ergänzte die Forderungsliste um einen 24-Stunden-Schichtbetrieb der Polizei. Gleichzeitig schlug er vor, von kommunaler Seite eine Ausweitung der sicheren Herkunftsländer und kürzere Asylverfahren zu fordern.
"Wir sind keine Rechten, sondern alles rechtschaffene Bürger", betonte Klaus Schneider, Sprecher der Freien Wähler, und forderte, dass die Sorgen und Ängste der Bürger auch erstgenommen werden müssten. In größeren Städten sei eine Überfremdung durch eine so große Zahl an Flüchtlingen viel weniger zu spüren. Deshalb gelte es nun, Flagge zu zeigen und dafür zu kämpfen, dass Alternativen gesucht würden.
"Die Politiker haben die Bürger verraten und vergessen", so die vernichtende Kritik von Bretzingens Ortsvorsteher Kaspar Wolf. Es gebe nicht nur ein Grundrecht auf Asyl, sondern auch Grundrechte für die einheimische Bevölkerung. Ratsmitglied Markus Weniger bedauerte es, dass sich manche Frauen nicht mehr trauen würden, in Hardheim einzukaufen. Er befürchtete, dass junge Familie wegziehen könnten, wenn noch mehr Flüchtlinge nach Hardheim kommen.
"Was hat der Landkreis vor, um etwas an der Benachteiligung Hardheims zu ändern?", fragte Bürgermeisterstellvertreter Lars Ederer, Er schlug vor, dass sich der Kreis mit 15 Prozent an den Kosten des Hardheimer Krankenhauses beteiligt. Auch wenn die BEA eine Einrichtung des Landes sei, profitiere davon auch der Kreis, da die dort untergebrachten Flüchtlinge zumindest teilweise auf sein Kontingent angerechnet würden.
"Wie können wir die Ängste nehmen?", fragte Bürgermeisterstellvertreterin Simone Richter. Sie erhalte täglich Anrufe besorgter Bürger.
Anschließend wurde einstimmig beschlossen, auf Basis der vorgebrachten Punkte eine Resolution zu erstellen, die am Montag an den Ministerpräsidenten und an die Landespolitiker, die hiesigen Abgeordneten und die Vertreter im Kreistag geht. Der Bürgermeister regte abschließend eine Unterschriftenkampagne an, mit der Bürger eine Höchstzahl an Flüchtlingen und eine zeitliche Begrenzung fordern könnten.
Info: "Stern TV" mit dem Beitrag über Hardheim wird am Mittwoch ab 22.15 Uhr auf RTL gezeigt.



