Ausbildung in der Jugendvollzugsanstalt Adelsheim ist eine Erfolgsgeschichte

Besser gerüstet für eine gute Wiedereingliederung: Die JVA beliefert sogar das Justizministerium.

09.09.2016 UPDATE: 11.09.2016 06:00 Uhr 4 Minuten, 36 Sekunden

15 Ausbildungsbetriebe gibt es in der Jugendvollzugsanstalt Adelsheim. In allen wird sehr gute Arbeit geleistet. Unser Bild zeigt die JVA-Fleischerei mit (von links) Stellvertretender Betriebsleiter Christof Röckel und Betriebsleiter Ralf Edelmann sowie zwei Gefangene.

Adelsheim. (joc) Ausbildung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Wiedereingliederung junger Strafgefangener in die Gesellschaft nach der Verbüßung ihrer Strafe. Wer während der Haftzeit einen Schulabschluss erworben oder eine Ausbildung abgeschlossen hat, wird seltener wieder straffällig, als ein Gefangener, dem das nicht gelungen ist, wie die Statistik klar belegt. Entsprechend großen Stellenwert räumt man in der Jugendvollzugsanstalt Adelsheim daher diesem Bereich ein. Die Rhein-Neckar-Zeitung sprach mit JVA-Anstaltsleiterin Katja Fritsche, dem Geschäftsführer des Vollzuglichen Arbeitswesens Dirk Schwenk und dem Betriebsleiter im Fleischereibetrieb, Ralf Edelmann sowie seinem Stellvertreter Christian Röckel, über die Situation vor Ort und welche Herausforderungen bei der täglichen Arbeit zu bewältigen sind.

Frau Fritsche, Herr Schwenk, Herr Edelmann und Herr Röckel, zunächst mal zu den Zahlen, wie viele Strafgefangene sind derzeit in Adelsheim untergebracht?

Schwenk: 353 Gefangene.

Aus welchen Nationalitäten?

Fritsche: Wir haben hier 50 Nationalitäten. Und entgegen der landläufigen Meinung bilden die Deutschen dabei die größte Gruppe, danach folgen Menschen aus den Maghreb-Staaten (Tunesien, Algerien und Marokko) sowie türkische Staatsangehörige.

Wie wichtig ist für Sie im Hinblick auf eine spätere bessere Reintegration der Faktor "Ausbildung"?

Fritsche: Sehr wichtig! Statistisch gesehen werden weniger Gefangene rückfällig, die eine Ausbildung erfolgreich absolvieren. Zum besseren Verständnis: Weniger als fünf Prozent der jungen Männer haben eine abgeschlossenen Ausbildung, wenn sie hier ankommen. Ausbildung ist daher hier in Adelsheim für uns ein besonderer Schwerpunkt und für die Wiedereingliederung von ganz essenzieller Bedeutung. Anders formuliert: Wir möchten den Insassen hier in Adelsheim eine gute Ausbildung anbieten!

Wie viele Ihrer Schützlinge lernen einen Ausbildungsberuf?

Schwenk: Im Juli wurden durchschnittlich 132 Gefangene in den Ausbildungsbetrieben beschäftigt. Einschließlich der Kursangebote (wie Stapler- oder Schweißkurse) konnten 2015.112 Jugendliche eine berufliche Bildungsmaßnahme erfolgreich abschließen.

Wie viele Ausbildungsbereiche können Sie anbieten?

Schwenk: Wir haben insgesamt 24 Betriebe, davon sind 15 reine Ausbildungsbetriebe, in denen Gefangene das Rüstzeug für das spätere Leben in der Freiheit erhalten. Die 160 Ausbildungsplätze, die wir zur Verfügung stellen können, sind in der Regel komplett belegt!

Welche Berufe sind bei den Gefangenen die Favoriten?

Fritsche: Viele stellen sich vor, Mechatroniker zu werden...

Und das klappt?

Fritsche: Nein, häufig leider nicht, denn Anspruch und Wirklichkeit klaffen doch oftmals recht weit auseinander.

Wie beurteilen Sie allgemein das Bildungsniveau, das die Menschen haben, wenn Sie nach Adelsheim kommen?

Fritsche: Wir müssen leider die letzten Jahre feststellen, dass die Grundqualifikation immer schlechter wird. Immer weniger haben einen klassischen Hauptschulabschluss.

Gibt es bei so vielen Nationalitäten auch Sprachbarrieren?

Fritsche: Ja, wir bieten daher vermehrt Deutschkurse für Ausländer an. Ein Problem ist die zunehmende Zahl der inhaftierten jugendlichen Analphabeten, die eine besondere Behandlung erforderlich macht. Wir setzen hier verstärkt Piktogramme ein.

Reicht Ihr Personal, um solche zusätzlichen Aufgaben meistern zu können.

Fritsche: Grundsätzlich bin ich mit der personellen Ausstattung sehr zufrieden. Meine Mitarbeiter sind hoch motiviert, wir arbeiten meist in kleineren Gruppen, das ist sehr effizient. Aber wünschenswert wäre natürlich, wenn wir wegen der eben angesprochenen Probleme, neben den fachlich Qualifizierten, auch Heimerzieher oder Arbeitstherapeuten im Team hätten.

Sie haben die Bildungsdefizite und die Sprachprobleme angesprochen, gibt es weitere Probleme?

Fritsche: Es gibt bei einer Reihe von Gefangenen auch ein Suchtproblem, und viele haben Gewalterfahrung. Das führt oftmals zu einer "kurzen Zündschnur" und zu Entzugserscheinungen. Diese Gefangenen sind meist sehr labil und haben wenig Durchhaltevermögen.

Wie können Sie diese Gefangenen in Ihre Arbeitsmodelle integrieren?

Fritsche: Irgendwann merken sie, dass ihnen eine sinnvolle Beschäftigung am ehesten hilft, aus diesem Dilemma heraus zu kommen...

... An diesem Punkt setzt die Ausbildung in der JVA an. Herr Edelmann, Herr Röckel. Sie arbeiten tagein tagaus mit Gefangenen zusammen. Sind die, die Sie in ihrer Obhut haben, motiviert?

Edelmann/Röckel: Auf jeden Fall. Sie haben zwar ihre Defizite, aber sie sind sehr willig und wollen etwas lernen.

Herr Edelmann, Sie sind der Betriebsleiter in der JVA-Metzgerei. Wie attraktiv ist dieses Berufsfeld für die Auszubildenden?

Edelmann: Sehr attraktiv, die Vorurteile, dass hier vornehmlich Schweinehälften über die Schulter gehoben wurden, haben glücklicherweise mit dem Metzger-Beruf herzlich wenig zu tun. Es ist ein sehr kreativer Beruf. Zusammen mit der JVA-Küche stellen wir viele Eigenkreationen und echte Delikatessen her. Das macht allen Beteiligten sehr viel Freude!

Zeigt sich diese Freude in Lernfortschritten bei Ihren Auszubildenden?

Edelmann: Nicht nur in den Fortschritten bei der täglichen Arbeit, auch im Wesen. Die Gefangenen werden aufgeschlossener und bei vielen sieht man die Veränderung zum Positiven auch äußerlich. Wir hatten einen in der Metzgerei, der kam ungepflegt und mit Irokesenhaarschnitt. Er war mit sich und allem unzufrieden. Schon nach kurzer Zeit war eine spürbare Veränderung zu erkennen. Er entwickelte immer mehr Eifer, einher ging ein völlig anderes Erscheinungsbild. Am Schluss wäre er fast mit Krawatte zum Dienst gekommen.

Stichwort Erfolge: Haben Sie einen Überblick darüber, ob Gefangene nach der Ausbildung bei Ihnen im Beruf und im Leben "draußen" Fuß gefasst haben.

Edelmann/Röckel: Vereinzelt ja, einer hat ein Stipendium bekommen und arbeitet heute bei einem großen Konzern der Lebensmitteltechnologie. Er verdient gutes Geld und ist glücklich. Ein anderer hat einen Super-Abschluss gemacht und ist heute bei einer Großmetzgerei in Südbaden beschäftigt. Das freut uns!

Wir sind ganz stolz darauf, dass wir im vorletzten Jahr den besten Teilezurichter Azubi im gesamten Bezirk der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar stellen konnten

Fritsche: Das sind natürlich Einzelbeispiele, aber sie dienen doch als gute Vorbilder für die anderen hier drin, die es ebenfalls packen wollen.

Was unterscheidet die Ausbildung im Knast von der "draußen"?

Edelmann: Im Gefängnis sind logischerweise die Umstände ganz andere. Die notwendigen Sicherheitskontrollen und die damit verbundene Organisation machen das Ganze langsamer. Das ist ein Korsett, das wir übergestülpt bekommen haben. Ein Gefangener kann sich im Kühlhaus nicht frei bewegen, ein Lehrling draußen geht einfach rein. Oder nehmen Sie die vielen langen Messer, die wir hier haben. Da herrscht höchste Sicherheitsstufe. Wir haben die Messer angekettet und überprüfen die Anzahl lieber ein paar Mal häufiger, als zu wenig.

Die Ausbildung in der JVA ist eine Erfolgsgeschichte, eine andere die hier erstellten Produkte, die sich allgemein hoher Wertschätzung erfreuen!

Schwenk: Ja, das ist so. Wenn ich manchmal sehe, was beispielsweise ein Schreiner-Azubi schon nach kurzer Zeit für einen tollen Schrank fertigen kann, dann bin ich schon beeindruckt und stolz, ,nicht nur auf die Gefangenen sondern auch auf meine Werkmeister, die mit großem Engagement in allen Bereichen ihre Arbeit verrichten. Beim Adventsbasar kann man das sehr gut sehen. Das ist quasi eine Leistungsschau der JVA-Betriebe.

Die JVA-Metzgerei erhielt sogar Lob aus höchsten Kreisen...

Schwenk: Ja, seit vielen Jahren liefern wir Wurst- und Fleischwaren ins Ministerium für Justiz und für Europa. Die Mitarbeiter könnten ihre Waren auch aus Stuttgart kommen lassen, sind aber so überzeugt von unseren Produkten, dass sie uns im fernen Adelsheim beauftragen.

Als Konkurrenz zum heimischen Gewerbe sehen Sie sich aber nicht...

Schwenk: Nein, wir verstehen uns als Partner von Industrie und Handwerk. Das sieht man auch daran, dass die IHK beispielsweise ihre Kochprüfung für die Auszubildenden der Region innerhalb der

JVA durchführt. Mit mehreren Unternehmen, wie Würth und MEFA arbeiten wir eng zusammen und unterstützen damit deren Arbeit. Und prinzipiell machen wir hier in der JVA Ausbildung und keine Produktion!

Vielen Dank für das Gespräch!

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