Soziale Medien

Beleidigungen sind keine Meinung

Meinungsfreiheit und Austausch sind wichtig - Es sollte aber auch im virtuellen Raum der Anstand gewahrt werden

29.04.2021 UPDATE: 30.04.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 31 Sekunden
Dass auf Facebook diskutiert und kommentiert wird, ist erwünscht. Aber auch dabei gelten eben Spielregeln. Wer sich konsequent daneben benimmt, bekommt irgendwann einen „Platzverweis“. Sprich: Er wird auf der Seite gesperrt. Foto: Noemi Girgla

Von Stephanie Kern

Neckar-Odenwald-Kreis. Soziale Medien sind Orte des sozialen Miteinanders. In Zeiten von Kontaktreduktion und geschlossenen Restaurants sind sie als Foren für den Meinungsaustausch immer wichtiger geworden. "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt." Diese Zusage steht im Grundgesetz. Dort steht aber auch: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre."

Und genau hier müssen Moderatoren und Betreiber von Internetseiten oft eingreifen. "Es gibt einen großen Unterschied zwischen Meinung und Anfeindungen", sagt Noemi Girgla. Die Redakteurin der RNZ-Lokalredaktion in Mosbach betreut die Facebook-Seite RNZ Neckar-Odenwald maßgeblich mit. "Das Zuhören und auf Facebook das Lesen anderer Meinungen, also eben das, was eine Diskussion ausmacht, geht oftmals verloren", beobachtet sie. Bei einer Diskussion sei es wichtig, sich auszutauschen, seine Meinung ohne Beleidigungen und Anfeindungen zu vertreten. "Früher geriet man sich vielleicht am Stammtisch in die Haare. Das geschah dann allerdings von Angesicht zu Angesicht. Bei Facebook kommt aber oft hinzu, dass sich die Menschen hinter der vermeintlichen Anonymität verschanzen." Und dabei verliere man eventuell auch manchmal das richtige Maß aus den Augen. Man sehe die Reaktion des Angegriffenen nicht, vielleicht sinke dabei die Hemmschwelle etwas. "Und dementsprechend fallen Kommentare möglicherweise auch heftiger aus, als man es eigentlich wollte."

Kontroverse Diskussionen beobachtet Girgla tagtäglich auf Facebook. "Man muss Andersdenkenden mit Argumenten begegnen, fundiertes Wissen aus seriösen Quellen weitergeben", ist Girgla überzeugt. "Für mich sind das in Bezug auf die Coronapandemie die offiziellen Stellen wie das Robert-Koch-Institut oder auch andere renommierte wissenschaftliche Institute und Experten, die sich hauptberuflich und schon lange damit beschäftigen."

Man müsse an diejenigen herantreten, mit denen sprechen und von jenen Informationen beziehen, die für den jeweiligen Bereich zuständig sind, die sich mit einem Thema in Arbeitswelt und Alltag befassen – dann könne man sich auf Informationen in aller Regel auch verlassen. "Um es an einem Beispiel festzumachen: Wann der Bus fährt, weiß man von einem Fahrplan. Derjenige, der diesen erstellt hat, beschäftigt sich damit, man kann davon ausgehen, dass er die Informationen nach bestem Wissen und Gewissen zusammengetragen hat."

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Und so geht es auch auf der Facebook-Seite der RNZ im Neckar-Odenwald-Kreis vor allem um die Weitergabe verlässlicher Informationen. Dass auf Facebook diskutiert und kommentiert wird, ist erwünscht. Aber dabei gelten eben auch Spielregeln: Beleidigungen, Hetze, Diskriminierung oder der Aufruf zu Gewalt sind nicht erwünscht. "Hass und Hetze, ob gegen uns als Medium oder gegenüber anderen Diskussionsteilnehmern, muss man sich nicht gefallen lassen", meint Girgla. "Wer in unsere Geschäftsstelle kommt und die Mitarbeiter beleidigt, muss ja auch damit rechnen, des Raumes verwiesen zu werden. So ist das auch bei Facebook."

Im virtuellen Raum sollten Anstand und Höflichkeit ebenso gelten wie das Recht auf Meinungsäußerung. "Ich halte die Meinungsfreiheit für sehr wichtig. Unser Job ist es ja gerade, Informationen zu liefern, damit Leser sich eine Meinung bilden können." Konstruktive Kritik (auch an der eigenen Arbeit), Diskussion – gerne. Beleidigungen, Anfeindungen und Hetze seien aber gerade keine Meinung, sondern einfach daneben. Wer sich konsequent daneben benimmt, bekommt eben irgendwann auch mal einen Platzverweis. Sprich: Er wird auf der Facebook-Seite gesperrt.

Das Landratsamt des Neckar-Odenwald-Kreises hat die Konsequenzen aus den teilweise beleidigenden Kommentaren schon gezogen: Seit Dienstag vergangener Woche ist die Kommentarfunktion ausgeschaltet. Hier werden nun die Informationen ohne Diskussionsmöglichkeit zur Verfügung gestellt. "Der Sturm der Entrüstung darüber blieb aus", berichtet Landratsamtspressesprecher Jan Egenberger. Die Aufgabe des Landratsamtes sei in erster Linie, verlässliche Informationen weiterzugeben. Mit der Facebook-Seite habe man die Zahl der Menschen, die diese Informationen abrufen konnten, vergrößert. "Wir hatten aber auch klare Spielregeln festgelegt: Keine Beleidigungen, keine unhöfliche Sprache aber auch keine eindeutigen Falschinformationen", berichtet Egenberger. Da genau dieses Verhalten immer öfter aufgetreten sei, habe man die Konsequenzen gezogen.

"Zuletzt hat ein ganzes Team aus der Zentralstelle des Landratsamts die Facebook-Seite betreut und bis zu 16 Stunden am Tag Kommentare gesichtet und gegebenenfalls gelöscht." Kurzzeitig habe man auch darüber nachgedacht, den Betrieb der Facebook-Seite komplett einzustellen. Viele User kommentierten aber wiederum: "Absolut nachvollziehbar – Abschalten muss man die Seite aber nicht, es würde reichen, die Kommentarfunktion auszustellen", oder aber auch: "Das wäre echt schade. Nutze eure Seite gerne ... Wie oben schon mehrfach vorgeschlagen, dann einfach Kommentarfunktion aus ... Und danke für die ganzen Infos".

Das Landratsamt hat dementsprechend seine Seite beibehalten. "Wir nutzen Facebook atypisch, nämlich zur reinen Weitergabe von Informationen", so Egenberger. Auf deren Glaubwürdigkeit und Richtigkeit könne man sich verlassen, betont der Pressesprecher: "Alle Informationen – nicht nur die zum Coronavirus – werden vor der Veröffentlichung von der jeweiligen Fachabteilung geprüft und freigegeben. "Von daher sind es zuverlässige Informationen." Die Meinungsfreiheit sei (auch ohne Kommentarfunktion auf der Facebook-Seite) eines der höchsten Güter, bekräftigt Egenberger. "Aber es darf nicht in Beleidigungen umschlagen, denn das ist nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt."

Für die RNZ-Redaktionen in Mosbach und Buchen, die die Facebook-Seite RNZ Neckar-Odenwald gemeinsam betreuen, steht ein Abschalten der Kommentarfunktion nicht zur Debatte. Tanja Radan (Buchen) schrieb auf einen entsprechenden Vorschlag eines Lesers: "Wir sind der Meinung, dass der Austausch wichtig ist. Gerade auch bei Themen, die kontrovers diskutiert werden. Vereinzelte Beiträge blenden wir aus, aber es ist uns grundsätzlich wichtig, dass Leser unsere Artikel kommentieren können." Jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Doch dieses Recht hört da auf, wo andere verletzt werden – und das kann man auch mit dem geschriebenen Wort.

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