Isabell Arnstein wird an der Uni Tübingen zum Thema Dialekte forschen
"Dialekte sind ein wichtiger Teil unserer deutschen Kulturlandschaft"

Buchen. (tra) Normalerweise kennen die ZGB-Schüler Dr. Isabell Arnstein als engagierte Lehrerin, mit Liebe zur Sprache und Sprachgeschichte. Wo ein Wort herkommt und wie es sich weiterentwickelt, warum es verschiedene Dialekte in Deutschland gibt, das ist ihre Leidenschaft. Nun werden sie die Studienrätin jedoch verstärkt als Wissenschaftlerin kennenlernen: Durch ihr Engagement in der Dialektinitiative von Ministerpräsident Winfried Kretschmann wurde man auf Isabell Arnstein aufmerksam und es ergab sich für sie die Möglichkeit einer Abordnung ans Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaften der Universität Tübingen. "Dort arbeite ich mit dem baden-württembergischen ,Dialektpapst’ Professor Hubert Klausmann und hoffe, da auch viel für mich zu lernen", erzählt Isabell Arnstein.
"Dialekte sind ein wichtiger Teil unserer deutschen Kulturlandschaft. Deswegen sind sie wertvoll. Aber auch, weil man sich mitunter nuancenreicher im Dialekt bzw. in ,Wörtern der Heimat’ ausdrücken kann, wo einem in der Standardsprache die Worte fehlen. Gerade, wenn man mit Freunden zusammen ist. Dialekte bieten einfach ein Mehr an Ausdrucksmöglichkeiten", erklärt Isabell Arnstein. Ihre Liebe zur Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten begann schon in der Schulzeit: "In der achten Klasse beim Lesen meines ersten Walter von der Vogelweide-Gedichtes hatte ich so einen Aha-Moment und war ab da für die Entwicklung von Wörtern begeistert. Dass Wörter eben auch eine Geschichte haben. Ich habe mir ein Heft angelegt, in das ich alle besonderen Wörter geschrieben habe, die man nur so ab und an hört."
Sie wird in den kommenden zwei Jahren unter anderem zum Thema "Innere und äußere Mehrsprachigkeit" forschen. "Bislang wird im Rahmen der schulischen Sozialisation dialektalen Sprachvarietäten nur nach persönlichem Ermessensspielraum der jeweiligen Lehrkraft Raum gegeben. Das Potenzial der inneren Mehrsprachigkeit im Hinblick auf die identitätsstiftenden Wirkungsmöglichkeiten, die kognitive Bereicherung und auch ortsloyales wirtschaftliches und soziales Engagement, scheint noch zu wenig erkannt", schreibt Dr. Arnstein in ihrem Forschungsexposé.
Grundsätzlich bleibt sie immer noch Lehrerin an ihrer Stammschule, also der Zentralgewerbeschule, wird aber für ihre Forschungen "ausgeliehen". "Das ist bei manchen Sachen ganz üblich, wie zum Beispiel einer Mitarbeit am Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung in Stuttgart (ZSL), was ich seit einem Jahr auch mache, aber in dem großen Umfang von einer halben Stelle ist das außergewöhnlich", so Arnstein.
Durch ihre Mehrarbeit in den vergangenen Jahren ist es nun so, dass sie zwei Jahre lang gar keine Unterrichtsverpflichtungen an der ZGB hat. Dennoch wird man sie immer wieder an der Schule antreffen: "Ich habe mir für diese zwei Jahre vorgenommen, eine Studie an der ZGB beziehungsweise im beruflichen Schulwesen im Neckar-Odenwald-Kreis durchzuführen, auf deren Ergebnisse ich sehr gespannt bin."
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Dabei liegt ihr etwas besonders am Herzen: "Aber neben den Ergebnissen möchte ich das berufliche Schulwesen, das meines Erachtens zu Unrecht dieses Nischendasein führt und mitunter auch einen nicht so guten Ruf hat, etwas ,aufpolieren’ und ins rechte Licht stellen", unterstreicht sie. "Im beruflichen Schulwesen gibt es höhere Bildungsabschlüsse als am Gymnasium, und es bietet sich hier auch ein adäquateres Abbild der Gesellschaft in seiner ganzen Vielfalt. Das heißt, dass gerade im beruflichen Schulwesen empirische Studien einen besonderen Mehrwert haben, da sie eben ,echter‘ sind. Aber gerade im beruflichen Schulwesen haben wir oft wenig Vertreter, die für diese Schulform in die Bresche springen. Aber das kann man ändern, indem man aufzeigt, dass gerade hier aus der Vielfalt heraus die Schüler auf ihr Lebens- und Berufsziel richtig gut vorbereitet werden", sagt Arnstein.
Zudem hat sie am ZSL in Stuttgart einen landesweiten Dialektnewsletter erstellt, der Aufklärungsarbeit leisten möchte. Weitere Projekte wie ein Podcast sind in Arbeit. Diese "Aufklärung" sei dringend nötig, denn die Wissenslücken im Bereich Dialekt und Standardsprache seien eklatant.
"Dass Dialekte die sprachgeschichtlich natürliche Entwicklung der Sprache sind, wissen viel zu wenig Leute. Es haftet dem Dialekt ganz zu Unrecht immer noch eine negative Aura an", betont Arnstein. "Hochdeutsch ist eigentlich ein inkorrekter Ausdruck, der auch unterschwellig eine Überlegenheit ausdrückt, man sollte eigentlich Standarddeutsch sagen. Für all dies sollte man als Lehrer zumindest basale Kenntnisse in der Sprachgeschichte haben und da möchte ich etwas beisteuern." Es gibt kaum Lehrer, die – wie Arnstein – eine sprachhistorische Expertise haben. Ihre Dissertation und frühere Tätigkeiten an der Universität wie auch an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg sind gewissermaßen ein Alleinstellungsmerkmal, zudem ist sie auch noch in vielen älteren Sprachstufen versiert, also Althochdeutsch, Mittelhochdeutsch und Frühneuhochdeutsch. Im Studium hat sie sich auch mit Mittelniederländisch befasst. Sie verfügt also über ein stattliches Programm an alten Sprachstufen, das nun bei ihrer Dialektforschung sehr hilfreich ist.
Durch dieses Engagement im Bereich Dialektologie eröffnen sich für Arnstein auch viele andere spannende Aufgaben, so war sie kürzlich bei der ersten Jurysitzung zur Vergabe des Landespreises für Heimatforschung in Stuttgart. "Da bin ich für die Sparte der Schülerpreise zuständig und das ist echt spannend. So viele engagierte Schüler des Landes, alle versammelt und an Heimatforschung interessiert. Das freut einen total! Und das ist für mich ein Ansporn, dass man als Lehrer doch noch junge Menschen für etwas begeistern kann." Sie wird dort fünf Jahre in der Jury sein und den Sommer nun vor allem auch mit dem Lesen der vielen Arbeiten verbringen.
So kommen immer neue Aufgaben auf Isabell Arnstein zu, was auch durch eine landesweite Vernetzung zustande kommt, die man jetzt im Mundartbereich anstrebt und die für die Etablierung innovativer Formate grundlegend ist.
"Das soll keine Eintagsfliege werden, sondern nachhaltige Ergebnisse liefern, die von Relevanz sind und die auch die Heimat stärken, die Identität und den Zusammenhalt der Leute", betont Arnstein. Sie ergänzt: "Wie sagt man so schön, Heimat ist dort, wo einen die Leute verstehen. Heimatpflege ist für mich generell einfach wichtig, denn in Buchen fühle ich mich zu Hause und da möchte ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten auch einbringen." Und in Buchen wird sie trotz ihrer Forschungen in Tübingen auch wohnen bleiben.