Ein Meister der leisen und der lauten Töne
Hans Söllner sang vor 650 Zuhörern in der Buchener Stadthalle für mehr Menschlichkeit und gegen die Obrigkeit

Von Rüdiger Busch
Buchen. Die 63 Jahre sieht und merkt man ihm nicht an: Im tiefsten Bairisch grantelt, wütet und scherzt er wie eh und je. Altersmilde ist er nicht geworden, dafür blitzt immer mal wieder die Altersweisheit durch. Seit 40 Jahren tourt Hans Söllner durch die Republik, am Dienstag machte er erstmals in Buchen Station. Seine rund 650 Fans nahm der gut aufgelegte Liedermacher mit auf eine Reise quer durch sein kreatives Schaffen. Alte Stücke wechselten sich mit neuen ab, auf Humorvolles folgten Lieder voller Poesie und Melancholie. Und über allem schwebte die Hoffnung auf eine bessere Welt.
Eine Pause brauchte Hans Söllner dabei nicht: 140 Minuten am Stück demonstrierte er - nur mit Gitarre, Mundharmonika und Mikrofon "bewaffnet" - seine gewaltige Bühnenpräsenz. Zwischen den 17 Titeln kam er so richtig in Fahrt, erzählte von der mitunter schreiend komischen Entstehungsgeschichte der Lieder und von seinen Lieblingsthemen: seinem Dauerzwist mit der Obrigkeit, seinen Auseinandersetzungen mit Polizei und Justiz, seinem Kampf für die Freigabe von Marihuana und seinem Einsatz gegen Engstirnigkeit und Rassismus. Die Polizei kontrollierte übrigens im Umfeld die Konzertbesucher.
Kraftvoll legte er mit dem 1995 veröffentlichten Stück "Sturm" und der Botschaft "Her net auf die Mächtigen" los. Karibisches Lebensgefühl vermittelte das im mitreißenden Reggae-Sound gespielte "Lass fliag’n deine Dreads". Dann wurde es gefühlvoll mit dem Lied "Frühling" und den Gedanken, was die Zeit aus der Liebe macht. Doch nicht nur die Liebe ist vergänglich, politische Überzeugungen sind es auch, und so widmete Söllner das Lied kurzerhand Grünen-Politiker Joschka Fischer, den er früher einmal gewählt habe - und dem er heute nichts mehr abgewinnen kann, wie seinen deftigen Kommentaren zu entnehmen war.
Söllner ist aber nicht nur ein Meister der lauten, sondern auch der leisen Töne: Es folgte "Für die Gabi B.", eines der berührendsten Stücke des Songpoeten. In dem 1986 veröffentlichten Lied singt er aus der Sicht eines Verlassenen, dem jeglicher Lebensmut abhandengekommen ist und der in seiner Ausweglosigkeit spürt, "dass es owei kälter wird in mir".
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Wem es jetzt zu trostlos wurde, für den hatte Söllner zwei humorvolle Stücke aus seinen Anfangsjahren dabei: "Mir san no so richtige Bayern", ein Heimatlied der etwas anderen Art, und "Der Rasenmäher", in dem der gelernte Kfz-Mechaniker einen nervenden Nachbarn, der samstags um 7 Uhr in der Früh seinen Rasen mäht, auf eine Höllenfahrt schickt. Mit Erfolg: Der neue Nachbar schneidet seinen Rasen mit der Schere ...
Auch in "Geh weida" präsentiert sich der Liedermacher als Freund klarer - und in diesem Fall auch noch recht derber - Worte: Das Lied entstand als Reaktion auf seine erste Gerichtsverhandlung wegen Beleidigung einer Polizistin. Dass die insgesamt mehr als 60.000 Euro Strafe auf ihn keine abschreckende Wirkung hatte, versteht sich von selbst. Gleiches gilt für die vielen Drogenkontrollen, denen er sich schon unterziehen musste. Seine Antwort darauf: die Marihuana-Hymne "Ganja ... (is des beste, wos i kenn)".
Dass sich Hans Söllner aber nicht darauf reduzieren lässt, zeigt sein Einsatz gegen die Genitalverstümmelung, für die er auch in Buchen erfolgreich um Spenden warb: "Für ein afrikanisches Mädchen" lautet sein Lied gewordener Appell gegen diese unmenschliche Praxis. Ein berührendes Stück über ein Kind, das um der Tradition willen seines Lebens beraubt wird.
Gegen religiösen Fanatismus und Terror im Namen Gottes sang er anschließend in dem nicht minder packenden "Genug", dem Titelsong seiner neuen CD, an: "Euer Gott ist eine Schaufel, eure Dummheit euer Grab." Starke Worte! Wie viel Kraft und Wut er noch immer in sich trägt, stellte Söllner bei seinem 1989 erschienenen Protestsong "Hey Staat" unter Beweis. Für mehr Menschlichkeit wirbt er in "Flucht", einem von drei Titeln aus seinem neuen Album, die er an diesem Abend spielt.
Zurück in die Vergangenheit ging es mit einem seiner ältesten Stücke, "Manchmoi wenn I aufwach" aus dem Jahr 1982. Die düstere Vision entfaltet auch 37 Jahre später noch ihre Wirkung. Mit der Dankbarkeits-Hymne "Loben und Preisen" verabschiedete sich Söllner von seinem begeisterten Publikum, um sogleich für drei Zugaben zurückzukommen, in denen sich alles um die Liebe drehte. In dem 1993 veröffentlichten "Für meine Buam" besingt Söllner die Liebe zu seinen Söhnen. In "Die Liebe" wirbt er dafür, sich immer wieder aufs Neue auf seine Gefühle einzulassen.
Den Abend beendete der Großvater mit "Lotta", einem Song für seine Enkeltochter, respektive für alle Eltern. Grandios hat er die wichtige Botschaft in ein eingängiges Lied gepackt: Begleitet Eure Kinder auf dem Weg des Erwachsenwerdens, beschützt sie und bringt ihnen etwas bei. Aber engt sie nicht ein, bevormundet sie nicht und überschüttet sie nicht mit Geld, sondern nur mit Liebe.
Man muss nicht alle seine politischen Einschätzungen teilen, man darf sich über seine pauschalen Herabwürdigungen von Polizisten durchaus ärgern, man kann sich an seinem Kampf für die Freigabe von Marihuana stören und an seiner Obszönität Anstoß nehmen - aber vor seiner Geradlinigkeit und seiner Menschlichkeit kann man nur den Hut ziehen. Dafür danke, Hans Söllner!