Vor 50 Jahren wurde SPD-Kreisverband gegründet
Runder Geburtstag in schwierigen Zeiten: Die Jubiläumsfeier fand in der Brühler Festhalle statt.

Von Stefan Kern
Brühl/Rhein-Neckar. Ob es überhaupt ein Erfolg werden würde, war damals ungewiss. In einer acht Stunden dauernden Marathonsitzung wurde 1973 in Brühl-Rohrhof der SPD-Kreisverband Rhein-Neckar gegründet. Keine leichte Geburt, so Andrea Schröder-Ritzrau, stellvertretende Kreisvorsitzende, und SPD-Landtagsvizepräsident Daniel Born.
Bei der Begrüßung zur großen Geburtstagsfeier in der Brühler Festhalle im Beisein der saarländischen SPD-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger zitierten die beiden aus einem Zeitungsartikel, der damals zwar konstatierte, dass das Kind geboren sei, aber, ob es überleben könne, sei alles andere als sicher.
Heute, 50 Jahre später, stehe außer Frage, so Schröder-Ritzrau und Born, dass die SPD Rhein-Neckar blendend dastehe. Rehlinger ergänzte später mit einem Bonmot aus dem Saarland, das besagt, dass schwere Geburten die schönsten Kinder hervorbrächten.
Auch wenn der Anlass ein freudiger war, gab es in diesen hochpolitischen Zeiten doch kein Abdriften ins Seichte. Vom Krieg in der Ukraine, über die Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien bis zum Klimawandel und der daraus entstehenden Notwendigkeit einer tiefgreifenden Transformation lebe man in schwierigen Zeiten. Zugleich habe die SPD in den Augen der Moderierenden das wohl am besten passende Rüstzeug zur Bewältigung der Krisen.
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Solidarität, Respekt und Verlässlichkeit seien die SPD-Konstanten und für den Zusammenhalt der Gesellschaft wichtig wie nie. Wobei man auch für das Geburtsjahr 1973 einige weltpolitische Stürme vermerken kann. Im Zuge des Jom-Kippur-Krieges, als Ägypten und Syrien Israel angriffen, reduzierten die arabischen Länder die Ölfördermengen massiv und lösten eine Wirtschaftskrise aus.
Als Reaktion wurde damals ein Fahrverbot an Sonntagen angeordnet. In den USA geriet Präsident Nixon in den Watergate-Strudel, und erstmals lieferte die Sowjetunion Erdgas nach Deutschland. Es gab also auch damals gute Gründe, die Welt in den Blick zu nehmen, denn viele dieser weit entfernten Ereignisse hatten einen beachtlichen Einfluss auf die Lebensverhältnisse hier.
Nach einem Grußwort von Brühls Bürgermeister Ralf Göck und der Vorstellung Rehlingers durch den SPD-Bundestagsabgeordneten Lars Castellucci übernahm die Ministerpräsidentin des Saarlandes das Zepter in der Festhalle. Angesichts der Lage in der Welt könne eine Landespolitikerin nicht nur ihr Bundesland in den Blick nehmen. Der russische Angriffskrieg erfordere Antworten, die noch vor einem Jahr unvorstellbar gewesen seien und auch Zumutungen mit sich brächten. Leiden, so Rehlinger, würden vor allem die Menschen in der Ukraine.
Doch auch hierzulande seien die Bürger betroffen. Von steigenden Kosten bis zur ideellen Herausforderung rund um die Fragen von Krieg und Frieden habe das Land einiges auszuhalten. Dabei formulierte die SPD-Politikerin einige Prämissen. Ganz vorne stünde: "Putin muss diesen Krieg verlieren."
Heißt in Richtung Ukraine, "wir müssen eine mitfühlende Gesellschaft bleiben". Genauso wichtig sei es aber auch, die Eskalationsgefahr im Blick zu haben. Rehlinger betonte, dass ihr ein umsichtig handelnder Bundeskanzler lieber sei, als Politiker, die am liebsten per Twitter Waffenlieferungen auslösen möchten oder die Ukraine gar im Stich lassen wollten.
Umsichtiges Handeln sei auch beim Thema Migration gefragt. Ja, die Belastungen seien groß, sagte Rehlinger. Aber man müsse hier einen Konsens finden. Für sie gehe es um mehr als nur die momentane Notsituation. Denn der Mangel an Wohnraum sei systemisch und müsse auch systemisch angegangen werden. "Und zwar jetzt", forderte sie.
Bei allem Reden über Krisen und Gefahren würden die Chancen aus dem Blick verloren, betonte die Ministerpräsidentin. Der regenerative Umbau des deutschen Energiesystems sei ein Weg für Deutschland, in Sachen Energieversorgung unabhängig zu werden und das Klima zu schützen.
Und so könne man das Land als Industriestandort und damit Arbeitsplätze schützen. Für Deutschland und Europa sei dies der einzige Weg, um in der Weltwirtschaft bestehen zu können. Zunehmend wichtig werde dabei auch, dass das Land schneller und in der Folge auch wieder handlungsfähiger werden muss.
Zuallererst müsse Bürokratie abgebaut werden. Es gehe aber auch um Digitalisierung und mehr Mitarbeiter beim Staat. Bei alledem dürfe aber auch das Soziale nicht aus dem Blick geraten. Rehlinger glaubt, dass Sozialpolitik das Instrument sei, um den Menschen die Angst vor der Zukunft zu nehmen.
Auf der Habenseite verzeichnet sie hier unter anderem den auf zwölf Euro erhöhten Mindestlohn. Die Zukunft dürfe kein Angstraum werden. "Sie muss wieder ein Versprechen werden, voll Zuversicht hin zum Besseren."
Der Reigen zum 50. Geburtstag der Rhein-Neckar-SPD führt mit einer dreirädrigen und knallroten Piaggio nun durch alle 54 Kreis-Kommunen und endet am 11. November in Walldorf mit einem SPD-Galaabend.