Zeitraumexit Mannheim

Künstler-Trio hat eine Notfallinsel für Obdachlose entworfen

Kunstobjekt und Kälteschutz: Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein Iglu

16.02.2018 UPDATE: 18.02.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 4 Sekunden

Soll Obdachlose warm halten (v.l.): Stefanie Staib, Romana Rokvic und Thorsten Hempel zeigen, wie ihr Objekt funktioniert. Foto: Gerold

Von Olivia Kaiser

Mannheim. Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein Iglu. Das liegt an der Form und am weißen Styropor, aus dem der Prototyp gebaut ist. Diese Ähnlichkeit ist kein Zufall, schließlich handelt es sich um einen Kälteschutzraum für Obdachlose. Doch nicht etwa Sozialarbeiter haben ihn gebaut, sondern ein Künstlertrio. Der Prototyp bietet Platz für bis zu drei Personen. "Ikosaeder" haben Romana Rokvic, Thorsten Hempel und Ralf Müller ihr Objekt getauft. Denn an dessen geometrischer Form hat sich das Trio orientiert.

"Ein Ikosaeder ist einer der fünf platonischen Körper und besteht aus 20 gleichseitigen Dreiecken als Fläche", erklärt Thorsten Hempel. Er betreibt die Schreinerei Werkhalle im Hafen 2 im Stadtbezirk Rheinau und hat den Ikosaeder aus Styropor nach einem Modell von Romana Rokvic gebaut. Der Schutzraum ist noch bis 22. Februar im Künstlerhaus Zeitraumexit im Jungbusch zu sehen und Teil des Hausprojekts"Artfremde Einrichtung". Dabei stellt das Künstlerhaus seine Räumlichkeiten und Expertise für fremde Projekte zur Verfügung - egal welche. Von einer Kunstwerkstatt bis zum Friseursalon ist alles möglich. Die Auswahl trifft das Publikum. Bei regelmäßig stattfindenden Versammlungen kann es entscheiden, welche Idee gewinnt.

"Wir sind mit dem Schutzraum im Dezember angetreten", erinnert sich Rokvic. "Wir haben zwar nur den zweiten Platz gemacht, doch die damalige Siegerin konnte ihr Projekt aus Zeitgründen nicht verwirklichen. Also durften wir ran." Zunächst galt es, den Ausstellungsraum zu bestücken. Mittelpunkt ist natürlich der große Ikosaeder. Die Entstehung des Objekts hielt das Trio mit einer Videokamera fest. Der Film ist Teil der Ausstellung. Zu sehen ist zudem ein Modell aus Kupferstangen. Thomas Hempel möchte noch eins aus Holz für den Hof des Künstlerhauses bauen. "Wir sind bei der finalen Materialwahl noch offen", erklärt Romana Rokvic. "Es muss in jedem Fall kälteabweisend sein." Thorsten Hempel fügt hinzu: "Unser Traum wäre ein dämmendes Material, das biologisch abbaubar ist." Zu schwer darf es auch nicht werden, denn der Schutzraum soll nach Möglichkeit transportierbar sein.

Zwar handelt es sich beim Ikosaeder um ein Kunstobjekt, aber eins, dass einen sehr praktischen Nutzen hat. "Wir waren sofort begeistert von der Idee", erzählt Stefanie Staib von Zeitraumexit. Das Team half bei der Organisation des Rahmenprogramms. Es gibt Talkrunden, Diskussions- und Interaktionsabende - bei Letzteren können Besucher verschiedene Ausbauvarianten des Ikosaeders testen. Über das Netzwerk von Zeitraumexit kam es auch zu einem Treffen mit den Veranstaltern der Vesperkirche. "Die waren begeistert", erzählt Rokvic.

Beeindruckt zeigte sich auch der frühere Obdachlose und Schriftsteller Richard Brox ("Kein Dach über dem Leben"), der aus Mannheim stammt. Sein Urteil: Die jetzige Dimension ist zu groß. Er plädiert zudem für eine Variante, die Obdachlose ohne große Probleme mit sich führen können. "Daran arbeiten wir jetzt", betonen die Erfinder. Die Karlsruher Institution Sozpädal, die unter anderem in der Wohnungslosenhilfe tätig ist, war zu einem Diskussionsabend zu Gast und zeigte großes Interesse. Ein Treffen mit Vertretern der Stadt Mannheim ist auch schon verabredet. Vor allem um rechtliche Grundlagen zur möglichen Aufstellung der mobilen Kälteschutzräume soll es sich dann drehen.

Info: Die Ausstellung ist von Montag bis Donnerstag von 17 bis 19 Uhr geöffnet. Am heutigen Samstag hält Richard Brox um 14 Uhr bei Zeitraumexit, Hafenstraße 68, eine Lesung. Danach findet eine Diskussionsrunde statt.

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