Wolf im Odenwald entdeckt

Er ist wieder da

Der Wolf ist nach über 150 Jahren in den Odenwald zurückgekehrt – Das letztes Exemplar wurde 1866 bei Eberbach erlegt

07.09.2017 UPDATE: 08.09.2017 06:00 Uhr 3 Minuten, 1 Sekunde
Ein Wolf wurde am 3. September 2017 im Odenwald bei Wald-Michelbach (Hessen) gesichtet. Der Naturschutzbund Hessen (Nabu) geht davon aus, dass sich das Tier schon längere Zeit in der Region aufhält. Foto: Oppermann-Fotografie/Nabu/Oppermann-Fotografie/Nabu/dpa

Von Rainer Hofmeyer und Christian Rupp

Eberbach/Waldmichelbach. Mit seinem Wald- und Wildreichtum gilt der Odenwald als ideales Wolfsrevier. Jetzt streift das Raubtier erstmals seit sehr langer Zeit wieder durch das Mittelgebirge. Es wurde von einem Naturfotografen zufällig abgelichtet. Eine Sensation: Denn seit knapp 150 Jahren gilt das Tier hier als ausgerottet. 1866 wurde der letzte Vertreter der Art in Nordbaden erlegt und auf dem Marktplatz in Eberbach ausgestellt. Noch heute steht das Tier ausgestopft im Museum der Stadt.

Viele Jäger waren damals des Wolfes Tod. Und viele Hunde auch. Da war wohl der halbe Hohe Odenwald auf den Beinen, um vor über 150 Jahren den letzten Wolf der Gegend zu jagen. Es wird von 150 Schützen, 120 Treibern und 130 Hunden plus Gendarmeriebeamten berichtet, die am 11. und 12. März 1866 auf der Hatz nach der "Bestie" sind. Von Robern über Wagenschwend, Strümpfelbrunn, Oberdielbach, Weisbach bis nahe dem Neckar bei Eberbach treiben die Jäger den gefürchteten Wolf vor sich her.

Hintergrund

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Die meisten Wölfe ziehen durch Sachsen, Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. In den vergangenen Jahren wurden aber auch in Hessen häufiger Wölfe gesichtet, neun Fälle wurden nach Angaben von Experten nachgewiesen. Die Tiere sind in Deutschland streng geschützt und dürfen nicht gejagt werden.

Mitte des 19. Jahrhunderts galt der Wolf in Deutschland als ausgerottet, rund 150 Jahre sollte das so bleiben. Erst nach dem Mauerfall kamen mehrere Tiere über Polen nach Deutschland zurück, Anfang der 1990er wurden die ersten Wölfe in Brandenburg entdeckt. Im Jahr 2000 bekamen Wölfe in Sachsen Nachwuchs, seitdem mehren sich die Wolfssichtungen.

Wölfe können auf ihren Streifzügen in einer einzigen Nacht mehr als 70 Kilometer zurücklegen. Auf dem Speiseplan stehen Rehe, Rothirsche und Wildschweine. Bei den Nutztieren sind sie vor allem auf Schafe aus - was für großen Ärger und Ängste bei den Haltern sorgt. lsw

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In den Zeitungen der Gegend wird unterschiedlich berichtet. Verschiedene Schützen hätten das Tier ins Visier genommen. Zuerst entscheidend soll Karl Kraft aus Strümpfelbrunn getroffen haben. Später kommt es zu verschiedenen Varianten, wer denn der eigentliche Held gewesen sei.

Sei’s drum. Zuerst wird der tote Wolf gehörig gefeiert. Und im Triumphzug auf "die Höh‘" geschleppt. Ein "annehmend großer und starker männlicher Wolf" mit einem "furchtbaren Gebiss". Die Oberdielbacher Waage zeigt 78 Pfund. Am Nachmittag wird er erst mal "zum Gaudium der Jugend" in Schollbrunn ausgestellt. Am Abend fährt man den toten Wolf im offenen Pferdewagen nach Eberbach und zeigt ihn vor dem badischen Bezirksamt der Bevölkerung. In Heidelberg wird das Tier wenige Tage später ausgestopft und dort danach für einige Zeit gegen sechs Kreuzer Eintrittsgeld im Garten des Deutschen Hauses präsentiert. Den Wolf bekommt schließlich das badische Eberbach. Laut Jagdrecht hat es Anspruch auf den Kadaver. Denn das waidwunde Tier schleppte sich vom Winterhauch runter auf Eberbacher Gemarkung beim Neckar, nahe der Schleuse, in den heute "Lautenbach" genannten Distrikt. Und so ist denn "Der letzte Wolf des Odenwalds" heute im Eberbacher Museum ausgestellt. Ohne dass ein Eberbacher bei der Jagd vor 150 Jahren auch nur einen Finger krumm gemacht hätte ...

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Und jetzt ist er offenbar wieder da: Die Augen des Tieres fixieren die Ferne. Der Körper ist aufgerichtet. Das grau-braune Fell hebt sich vor der grünen Blätterwand ab, als Hans Oppermann auf den Auslöser seiner Kamera drückt. Es klickt. Das Bild, das er macht, ist eine Sensation: Es beweist die Rückkehr des Wolfes in den Odenwald.

Der Naturschutzbund (Nabu) Hessen veröffentlichte am Donnerstag das spektakuläre Bild, nachdem Experten die Echtheit der Aufnahme überprüft hatten. "Bei dem Tier, das ein Naturfotograf im Odenwald bei Wald-Michelbach am vergangenen Sonntag aufgenommen hat, handelt es sich um einen Wolf", bestätigt das Umweltministerium in Wiesbaden. Auch die hessische Wolfsbeauftragte, Susanne Jokisch, ist von der Authentizität des Bildes überzeugt. "Das Tier auf dem Foto ist ein Wolf und der Standort ist auch bestätigt", urteilt die Expertin.

Zwar werden in Hessen in den letzten Jahren immer wieder Wölfe gesichtet, doch nur in den seltensten Fällen gelingt ein derart brillantes Beweisfoto. Ein Glückstreffer. Die Erfahrung machte auch der Artenschutzbeauftragte des Nabu Wald-Michelbach, Wolfgang Wenner. Er will den jetzt fotografierten Vierbeiner schon am 20. August an der gleichen Stelle im Wald bei Wald-Michelbach (Kreis Bergstraße) gesehen haben. "Das Tier lief im gemütlichen Trab, verschwand aber immer wieder zwischen den Bäumen. So schnell, wie ich konnte, habe ich das Teleobjektiv auf das Tier ausgerichtet. Bevor ich abdrücken konnte, verschwand das Tier im dichteren Wald", berichtet der Naturschützer. Eine halbe Stunde blieb Wenner noch sitzen, in der Hoffnung, dass der Wolf zurückkommt. Vergebens. "Der Wolf ließ sich aber nicht mehr blicken."

Woher das fotogene Tier stammt, können die Experten unterdessen noch nicht sagen. Dazu müssten sie an Haare, Kot oder Speichel herankommen und die DNA bestimmen, wie Jokisch erklärt. Auch ob sich der abgelichtete Wolf dauerhaft in Hessen niederlässt, ist unklar. "Die in den vergangenen Jahren immer wieder nachgewiesenen Wölfe waren wandernde Einzeltiere, die auf der Suche nach einem Partner die hessischen Wälder durchstreiften", heißt es aus dem Ministerium.

In Hessen wie in den benachbarten Bundesländern mehren sich in der Vergangenheit hingegen die Zeichen für eine Rückkehr des Wolfes. Laut Jokisch ist der aktuelle Nachweis der neunte in Hessen seit dem Jahr 2011. Erst im Juni war bei Biebertal in Mittelhessen ein Wolf gesichtet worden. Anfang August wurde ein wolfsähnliches Tier im Reinhardswald in Nordhessen beobachtet.

"Die Rückkehr des Wolfs in den Odenwald ist ein gutes Zeichen", schwärmt Nabu-Landesvorsitzender Gerhard Eppler. Die wald- und wildreiche Gegend biete "einen idealen Lebensraum für den faszinierenden Beutegreifer", sagt er. Dennoch ist laut Ministerium die Wahrscheinlichkeit, einen Wolf tatsächlich zu Gesicht zu bekommen, "äußerst gering". Hans Oppermann hat diese Chance genutzt.

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